Eine Katze liegt auf einem Heizkörper
Heizen wird teurer: Für viele Menschen in Thüringen steigen ab Oktober die Gaspreise. Hintergrund ist unter anderem die von der Bundesregierung beschlossene Gasumlage. Bildrechte: PantherMedia/Murat Subatli

Energiekrise Viele Stadtwerke erhöhen ab Oktober erneut die Preise

14. September 2022, 13:21 Uhr

Viele Gasversorger erhöhen in Thüringen ab Oktober die Preise. Einige schon das zweite Mal in diesem Jahr. Oft geben sie jedoch erst die im vergangenen Jahr erhöhten Preise weiter. Die Zahl der Kunden, die nicht mehr zahlen können, ist noch nicht gestiegen.

Für sehr viele Thüringer werden ab Oktober die Gaspreise steigen, wie eine Umfrage von MDR THÜRINGEN zeigt. Mancherorts erhöhen sich die Rechnungen schon das zweite Mal in diesem Jahr. Obwohl nur relativ wenige Kunden vorsorglich die Höhe ihrer Abschläge ändern, um die Preissteigerungen besser abfedern zu können, gibt es nach Angaben der Energieversorger bisher nicht mehr Kunden, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können.

Weil die Versorger überwiegend langfristige Verträge aushandeln, sind die aktuellen Kapriolen am Gasmarkt noch gar nicht in den Preisen inbegriffen. Zumindest gibt es bei den Gaspreisen aktuell ein wenig Hoffnung.

Viele Thüringer Versorger erhöhen Gaspreise ab Oktober

So etwas gab es lange nicht: zwei Erhöhungen des Gaspreises innerhalb weniger Monate. Das planen etwa die Meininger Stadtwerke, Ohra Energie oder die Thüringer Energie AG (Teag) als größter Thüringer Energieversorger.

Die Stadtwerke Meiningen werden voraussichtlich zum 1. November die Preise für Strom und Erdgas nach September ein zweites Mal nach eigenen Angaben "moderat" erhöhen. Der Versorger Ohra Energie, der in Teilen des Wartburgkreises und des Landkreises Gotha aktiv ist, wird wie auch die Teag die Gaspreise nach August erneut im Oktober anheben. Die Energieversorgung Nordhausen hatte zum Jahresanfang erhöht und wird zum Oktober und noch einmal zum Jahreswechsel die Gaspreise erhöhen. Die Erfurter Stadtwerke hatten im September die Gaspreise verdoppelt.

Auch Stadtwerke Jena erhöhen Gaspreise zwei Mal

Sechs Jahre lang hatten die Stadtwerke Jena konstante Preise, bevor sie im Januar und Oktober nun auch zwei Mal in einem Jahr die Gaspreise erhöhen mussten. Die Energieversorgung Gera erhöht dagegen erstmals dieses Jahr ihre Preise ab Oktober um 40 Prozent und spricht dabei von einer moderaten Steigerung. Der Gaspreis bei der Energieversorgung Inselsberg, die am Nordwestrand des Thüringer Waldes tätig ist, wird um die Hälfte teurer.

Preiserhöhungen aufgrund der höheren Gaspreise im Vorjahr

Den Grund für die Preiserhöhungen im August und im Oktober bei der Teag, die rund 400.000 Kunden mit Strom oder Gas versorgt, benennt Unternehmenssprecher Martin Schreiber: Im August hatte sich dort der variable Anteil der Gasrechnung, der Arbeitspreis, verdoppelt. Doch dies war nur die Reaktion auf die Gaspreise, die sich schon 2021 erhöht hatten. Seitdem haben sich die Gaspreise teilweise verzehnfacht.

Die Preiskapriolen der vergangenen Wochen sind jedoch im aktuellen Gaspreis für die Kunden nur in einem sehr geringen Maß angekommen. Denn üblicherweise schließen die Versorger wie auch die Teag mehrjährige Lieferverträge für Gas ab. Nur einen Bruchteil von wenigen Prozentpunkten kaufte der Energieversorger zu den aktuell überhitzten Marktpreisen ein.

Und bei der Preiserhöhung im Oktober will laut Schreiber die Teag ausschließlich die von der Bundesregierung beschlossene Gasumlage weiterreichen, für die jedoch die Mehrwertsteuer auf Gas gleichzeitig gesenkt werden soll.

Mit der neuen Umlage sollen die Großhändler finanziert werden, die das teure Gas aufgrund langfristiger Verträge bisher nur zu weit geringeren Preisen an die Stadtwerke weiterreichen können. Wenn der Zwischenhändler wie vor allem das Unternehmen Uniper pleite gehen, würden die Stadtwerke als Abnehmer des Gases wohl in dem Strudel mitgerissen werden. Doch was für Preise auf die regionalen Energieversorger zukommen, wenn die langfristigen Verträge nacheinander auslaufen, kann nicht nur bei der Teag niemand beantworten.

Wie geht es mit den Gaspreisen weiter?

Es ist ein Blick in die Glaskugel, wie sich die Gaspreise weiter entwickeln. Anfang September gingen zumindest viele Versorger von weiteren steigenden Energiepreise im nächsten Jahr aus: "Wenn die Preise für Erdgas am Energiemarkt auf diesem hohen Niveau bleiben oder sogar noch steigen, ist eine weitere Preiserhöhung unausweichlich", erklärte etwa Sandra Weingard von den Stadtwerken Weimar. Dort kalkuliert man noch, welche Folgen die ab Oktober geltende Gasumlagen für den Gaspreis hat. Und diese könnten theoretisch alle drei Monate wieder geändert werden, was jedes Mal Folgen für den Gaspreis haben dürfte.

Leichte Entspannung am Gasmarkt

Immerhin: In den vergangenen Tagen zeichnete sich eine leichte Entspannung ab: Der Großhandelspreis des sogenannten Dutch TTF Gas Futures, einer Art Richtwert im Handel mit Gas in Deutschland, ist Mitte September auf das trotzdem immer noch sehr hohe Niveau von Mitte August gesunken. Ende August, als vor allem Russland angekündigt hatte, nicht mehr durch Nordstream 1 nach Deutschland zu liefern, war der Preis jedoch noch einmal um extreme 75 Prozent gestiegen. Danach sank der Gaspreis wieder stark. Trotzdem liegt dieser damit noch doppelt so hoch wie zum Jahreswechsel.

Nur wenige Kunden ändern vorsorglich Höhe der Abschläge

Ein Weg, wie Kunden die Preiserhöhungen ihrer Energieversorger zumindest etwas besser verteilen können, ist, die Höhe der Abschläge frühzeitig zu erhöhen. Doch damit haben nur relativ wenige Kunden vorgesorgt: "Die Zahl der Kunden, die vorsorglich ihre Abschlagszahlungen geändert haben, ist bei uns nicht nennenswert", sagt etwa Teag-Sprecher Martin Schreiber. Auch bei mehreren befragten Thüringer Stadtwerken haben oft nur wenige Kunden vor der nächsten Preiserhöhung im Oktober ihre Abschlagszahlungen angepasst.

Bei den Weimarer Stadtwerken oder der Energieversorgung Inselsberg habe es einige Anfragen dazu gegeben, heißt es dort. Bei der Energieversorgung Nordhausen hätten immerhin bisher "Hunderte Kunden" ihre Abschlagszahlungen angepasst. Die Jenaer Stadtwerke hatten, um hohe Nachzahlungen zu vermeiden, die Gas-Abschläge für ihre Kunden bereits angepasst.

Eine Ausnahme bildet der Westthüringer Versorger Ohra Energie, bei dem im Sommer schon rund 20 Prozent der Kunden ihren Abschlag von sich aus angepasst haben. Ohra Energie versucht ebenso, die Nachzahlungen so gering wie möglich zu halten, indem die Abschlagszahlungen angepasst werden.

Beratungsbedarf in Thüringen steigt

Auch wenn es nicht mehr Zahlungsausfälle gibt: Die Zahl der Nachfragen von Kunden ist bei vielen Versorgern teils erheblich gestiegen. "Der Kundenkontakt hat sich deutlich intensiviert. Die Kunden sind sehr verunsichert", sagt etwa Ohra Energie-Chef Fischer. Auch Kunden überregionaler Anbieter würden sich inzwischen an das Unternehmen wenden, weil sie ihre Anbieter "kaum mehr erreichen" können.

"Wir sehen auch einen hohen Beratungsbedarf", pflichtet Teag-Sprecher Schreiber bei. Viele Menschen hätten zunächst nach den neuen Regelungen gefragt, die die Bundesregierung gerade wieder verkündet hat. Doch die Versorger wüssten oftmals zunächst auch nicht viel mehr als das, was in den Medien mitgeteilt wurde. Auch in Weimar oder in Nordhausen fragen vermehrt Stadtwerke-Kunden an. Zuletzt hätte bei den sich meldenden Kunden jedoch die Sorge stark zugenommen, ob sie die Rechnungen noch bezahlen können oder was sie tun könnten, um die höheren Preise zu bezahlen.

Kooperation mit Verbraucherzentrale und Schuldnerberatung

Und die Stadtwerke haben auf den höheren Beratungsbedarf reagiert. Neben einem neuen Kundenzentrum bieten die Weimarer Stadtwerke Infoveranstaltungen an, bei denen die Lage am Energiemarkt erklärt und Spartipps vermittelt werden. In Weimar, aber auch in Jena unterstützen Stadtwerke-Mitarbeiter die Stromspar-Experten der Caritas bei ihren Hausbesuchen.

Die Energieversorgung Gera arbeitet bei Notfällen eng mit dem Sozialamt der Stadt zusammen. Und die Energieversorgung Inselsberg (EVI) kooperiert seit Längerem schon mit der Verbraucherzentrale oder Schuldnerberatung.

In Nordhausen haben die Stadtwerke aufgrund der vermehrten Anfragen im Kundenzentrum flexiblere Arbeitszeiten eingeführt, bei der EVI gibt es eine Neueinstellung im Kundenservice - gerade auch wegen des gestiegenen Verwaltungsaufwandes etwa durch die sich schnell ändernden politischen Vorgaben.

Trotz Preiserhöhung keine Kündigungen - im Gegenteil

Alle befragten Thüringer Stadtwerke sowie die Teag erklärten auf Anfrage von MDR THÜRINGEN unisono, dass es bisher trotz Preiserhöhungen nicht zu vermehrten Kündigungen gekommen sei. Im Gegenteil: "Viele Kunden sind froh, dass sie einen Gasvertrag eines zuverlässigen Anbieters haben", heißt es bei der Teag. Zwar gab es bei Ohra Energie einige Kündigungen. Doch das sei laut Geschäftsführer Fischer nicht vergleichbar mit der Zahl der Kündigungen, die es vor dem Anstieg der Energiepreise gab. Bei der Geraer Energieversorgung heißt es sogar, die Wechselbereitschaft sei eher noch gesunken.

Nicht ganz zu Unrecht, denn die meisten angefragten Stadtwerke bieten teils seit längerer Zeit keine Neuverträge für Gas an. "Uns fehlt schlicht die Menge an Gas, um neue Kunden versorgen zu können", berichtet Ohra Energie-Geschäftsführer Michael Fischer. Weitere Gasmengen würden am Markt kaum gehandelt. Auch Sandra Fröhlich, Geschäftsführerin der Energieversorgung Inselsberg, erklärt, wieso es bei ihr schon seit mehreren Monaten keine Neukunden-Verträge mehr gibt: "Wir haben einfach nur eine bestimmte Menge Gas eingekauft". Die Energieversorgung in Gera und Nordhausen bieten zwar noch Neuverträge an - aber nur noch für Kunden aus ihrem jeweiligen Versorgungsgebiet.

Glück hat aktuell derjenige, der noch einen Vertrag mit festen Gaspreisen abschließen konnte: Bei Ohra Energie sei das noch etwa jeder fünfte Kunde, in Gera sind es bei der Energieversorgung sogar 30 Prozent. Dagegen gibt es in Nordhausen oder bei der Energieversorgung Inselsberg gar keine Festpreis-Verträge.

Bisher keine Abschaltungen wegen erhöhter Preise für Strom und Gas

Bisher kommt es bei den Thüringer Energieversorgern nicht zu mehr Abschaltungen von Strom- oder Gasanschlüssen aufgrund von Zahlungsproblemen. Bei der Teag werden etwa nicht mehr Anschlüsse abgeklemmt als zuvor. Unternehmenssprecher Schreiber sieht als Grund auch, dass die Teag Kunden eher in den kleineren Städten und Dörfern hat. Dort sieht er auch künftig die Gefahr für Sperrungen als weniger hoch an, als etwa in den mit Fernwärme geheizten Wohnblocks größerer Thüringer Städte. Aber auch die befragten Thüringer Stadtwerke haben bisher keine vermehrten Probleme mit Kunden, die ihren Gas- oder Stromanschluss nicht mehr bezahlen können.

Mit welchen Zahlungsausfällen sie aber künftig rechnen, wollen die Stadtwerke oftmals nicht preisgeben. Der Verband der kommunalen Unternehmen hatte jüngst erklärt, dass viele Stadtwerke schon bei bis zu acht Prozent ihrer Kunden mit Zahlungsausfällen ausgehen. Bisher seien es weniger als ein Prozent gewesen. Zumindest Letzteres bestätigt auch Ohra Energie-Chef Fischer. In Gera rechnet man vor allem bei Haushalten mit niedrigen oder mittleren Einkommen mit einem erhöhten Risiko, dass Rechnungen nicht gezahlt werden können.

Neben Stundungen, Ratenzahlungen und veränderten Abschlägen bieten die Energieversorger oft auch Vorkasse-Zähler für Gas oder Strom an. Bei denen kann zum Beispiel auf eine Chipkarte - ähnlich wie bei einem Prepaid-Handy - ein Guthaben aufgeladen und damit Strom oder Gas verbraucht werden: "Der Vorkasse-Zähler hilft wirklich", sagt Teag-Sprecher Schreiber.

Gas- oder Strom nur als letztes Mittel abschalten

Oft setzen die Stadtwerke bei Zahlungsproblemen auf sogenannte "Abwendungsvereinbarungen", bei denen individuell vereinbart wird, wie mit veränderten Abschlägen, Stundungen, Raten oder zinsfreien Zahlungen der Rückstände die angefallenen Kosten abgetragen werden können. In Einzelfällen könne eine Sperrung auch ausgesetzt werden, heißt es bei den Geraer Stadtwerken.

Denn den Strom- oder Gasanschluss abzuschalten, wollen die Versorger - wenn irgend möglich -vermeiden. Teag-Sprecher Martin Schreiber: "Eine Abschaltung ist wirklich nur das letzte Mittel. Wir wollen das gar nicht."

Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version hatten wir statt von der Thüringer Energie AG (Teag) von der Thüringer Energienetze GmbH & Co. KG (Ten) als größten Thüringer Energieversorger gesprochen. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten dies zu entschuldigen.

MDR (rom)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 31. August 2022 | 19:00 Uhr

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