Junger Mann umarmt und tröstet depressiven alten Mann. 6 min
Es ist ein Thema, das noch immer für hitzige Diskussionen sorgt: Sterbehilfe oder selbstbestimmtes Sterben. Bildrechte: Colourbox.de

Selbstbestimmtes Sterben Bundesverwaltungsgericht verhandelt über Erwerb von Suizid-Mittel

26. Oktober 2023, 12:54 Uhr

Am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig findet am Donnerstag eine Verhandlung zum Thema "selbstbestimmes Sterben" statt. Es geht um ein Betäubungsmittel, das die schwerstkranken Kläger zum Zweck der Selbsttötung kaufen wollten – dafür aber nicht die nötige Erlaubnis erhalten.

Es ist tragisch, was Robert Roßbruch beschreibt. Roßbruch ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben und vertritt die Klägerseite als Anwalt vor Gericht: "Ich habe mit sieben Mandanten angefangen, Klage zu erheben. Von diesen sieben Mandanten haben nur noch zwei überlebt, die jetzt vor dem Bundesverwaltungsgericht stehen."

Erlaubnis vom Bundesinstitut nötig

Sie stehen dort, weil sie sich das Leben nehmen wollten - und zwar mit Natrium-Pentobarbital. Um das Mittel zu bekommen, brauchen sie die Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. Eigentlich sollte das eine Formsache sein. Denn nicht nur das Bundesverfassungsgericht hat 2020 grundsätzlich festgestellt, dass Menschen ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben haben.

Auch das Bundesverwaltungsgericht hat schon 2017 entschieden, dass der Erwerb des Mittels in Ausnahmefällen mit dem Betäubungsmittelgesetz vereinbar ist. Nämlich dann, wenn die Käufer schwer und unheilbar krank sind. Warum haben die Leipziger Richtern den Fall also erneut auf dem Tisch?

Anwalt Roßbruch erklärt: "Weil trotz dieser beiden Urteile das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, als Bundesoberbehörde dem Gesundheitsministerium unterstellt, diese Urteile in die Praxis nicht umsetzt und das entsprechende Medikament nicht an die Betroffenen herausgibt."

Gesetzliche Regelung fehlt noch

Das war noch unter dem damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn. Seitdem hat sich im Grunde aber nichts getan. Die Vorinstanz, das Oberverwaltungsgericht in Nordrhein-Westfalen, hat in seiner Urteilsbegründung darauf verwiesen, dass der Bundestag noch kein Gesetz vorgelegt habe, um das Problem grundsätzlich zu regeln. Das Betäubungsmittelgesetz lasse die Erlaubnis zum Kauf eines Suizidmittels nicht zu.

Eine fraktionsübergreifende Gruppe von Bundestagsabgeordneten hatte im Sommer versucht, das zu ändern – vergeblich. Eine von ihnen ist die SPD-Politikerin Nina Scheer. Die aktuelle Situation stehe im Widerspruch zur Entscheidung des Verfassungsgerichtes, sagt sie.

Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben müsse greifbar sein für Menschen. Insbesondere für Erkrankte, denen kaum medizinische Möglichkeiten offen stehen, sagt Scheer. "Und wenn es dann ein Medikament gibt, was diesem selbstgewählten Anspruch sehr nahekommt, dann haben wir auch eine gesellschaftliche Verantwortung, uns so zu organisieren, dass dies verfügbar ist für die betreffenden Menschen."

Nina Scheer
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Und wenn es dann ein Medikament gibt, was diesem selbstgewählten Anspruch sehr nahekommt, dann haben wir auch eine gesellschaftliche Verantwortung, uns so zu organisieren, dass dies verfügbar ist für die betreffenden Menschen.

Nina Scheer SPD-Politikerin

Der Bundestag müsse die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, um die Situation für die Menschen klarer und rechtssicher zu machen, sagt Scheer. Das zu erwartende Urteil könne die Grundlage bilden, um das erneut in Angriff zu nehmen. Nach der mündlichen Verhandlung am Donnerstag wird das Bundesverwaltungsgericht dann am 7. November seine Entscheidung verkünden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 26. Oktober 2023 | 06:00 Uhr

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