Angesprochen - Ausgesprochen Einwanderungsland Deutschland: Migration ist in den Medien zu oft negativ behaftet

04. Februar 2023, 05:00 Uhr

Rund 22 Millionen Menschen in Deutschland, so sagt Ulrike Wieland, hätten eine Migrationsgeschichte. Ungeachtet dessen würden Debatten rund um das Thema Migration in Medien meist von Negativschlagzeilen beherrscht. So gehe verloren, dass Integration in Deutschland eine Erfolgsgeschichte sei, sagt die Politikwissenschaftlerin der Bertelsmann-Stiftung.

Die Bilder von der jüngsten Silvesternacht zeigten wieder einmal randalierende Jugendliche. In Medienberichten ging es rasch um die Frage, ob die mutmaßlichen Täter Migranten seien oder einen Migrationshintergrund hätten. Ulrike Wieland kritisiert das. "Diese Pauschalisierung", sagt die Integrationsforscherin, "die wir immer wieder sehen, die ist ein Riesenproblem."

Medien in der Verantwortung

Medien würden Gewalt- und Kriminalitätsprobleme schnell ethnisieren und kulturalisieren – also sie Menschen mit bestimmten ethnischen oder kulturellen Hintergründen zuschreiben. So sei es auch in der Berichterstattung zur Silvesternacht gewesen. Dort randalierten offenbar Jugendliche, die in Deutschland aufgewachsen seien und selbst keine Migrationserfahrungen hätten.

Vielmehr seien sie Teil der Gesellschaft in Deutschland. Über das Aussehen der Jugendliche entstünde jedoch der Eindruck, es handele sich um Migranten und dies werde "gleich als Ursache für die Gewaltproblematik" in den Raum gestellt.

Große Mehrheit fühlt sich mit Deutschland verbunden

Das führe nicht zu konstruktiven Lösungen, sondern schade der Gesellschaft. Natürlich, so sagt Wieland, wünsche auch sie sich eine starke Polizei, die genug Ressourcen habe, um derartigen Herausforderungen wie in Berlin-Kreuzberg zu begegnen. Das müsse jedoch abgetrennt werden von den Themen Migration und Integration. Medien präsentierten oft ein undifferenziertes Bild davon: "Wir haben noch eine etwas veraltete Vorstellung davon", wer einheimisch sei und wer Migrant.

Ulrike Wieland hat verschiedene Forschungen bei der Bertelmann-Stiftung begleitet. Darunter war auch eine Umfrage zum Zusammenwachsen in der Einwanderungsgesellschaft. Gefragt wurden die Studienteilnehmer nach ihrem Gefühl der Zugehörigkeit zu Deutschland, also dem Gefühl, hier zu Hause zu sein.

"Und hier haben wir gesehen, dass die Menschen sowohl mit als auch ohne Migrationshintergrund sich mit sehr großer Mehrheit, zu 80 Prozent, mit Deutschland verbunden fühlen". Allerdings würden Menschen mit einer Migrationsgeschichte in der Familie häufiger das Gefühl äußern, nicht richtig in der Gesellschaft dazuzugehören. Das deute darauf hin, sagt Ulrike Wieland, dass die Teilhabe in Frage gestellt werde.

Viele Menschen sehen kulturelle Vielfalt als Bereicherung

Regelmäßig seit 2012 fragen die Forscher der Bertelsmann-Stiftung Daten zur sogenannten Willkommenskultur in Deutschland ab. Diese zeigten, dass sich viele Menschen auch Sorgen über die Einwanderung machten. Das sei "nicht verwunderlich angesichts der Debatten in den Medien", und natürlich sei Einwanderung eine Herausforderung für Gesellschaften.

Die Fluchtbewegung von 2014 und 15 habe bei vielen Menschen hierzulande die Skepsis verstärkt. Dieses Gefühl der Überforderung sei bis heute wieder abgeflaut, die Menschen seien wieder offener geworden würden Vorteile für Wirtschaft oder die kulturelle Vielfalt als Bereicherung erleben, sagt die Forscherin. "Also die große Mehrheit sieht Vorteile."

Auszubildende in Metallberufen hier bei der Grundausbildung
Migration ist nicht nur eine Lösung für das Fachkräfteproblem. Kulturelle Vielfalt erleben die meisten Menschen auch am Arbeitsplatz als Bereierung. Bildrechte: imago images / Rupert Oberhäuser

Die Studien hätten auch gezeigt, dass Ängste oder negative Einstellungen dort geringer seien, wo mehr Vielfalt vorhanden ist und wo mehr Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenkämen und lebten. Dieser Kontrast sei auch zwischen Ost- und Westdeutschland zu erleben. Natürlich bedeute das nicht, dass alle Menschen ständig ausschließlich positive Erfahrungen machen würden. "Aber unterm Strich ist das schon interessant, dass eigentlich im sozialen Nahraum, im eigenen Erleben, alles etwas undramatischer erlebt wird, als es die mediale Debatte oft glauben macht."

MDR (ask,ke)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Morgen | 04. Februar 2023 | 06:10 Uhr

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