Eine Frau sprüht mit einer Flasche auf Geldscheine, die an einer Wäscheleine hängen
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recap Sorgearbeit: Das unsichtbare Milliarden-Business

28. April 2023, 17:06 Uhr

Wer sich um den Haushalt, die Kinder oder sein soziales Umfeld kümmert, der wird dafür nicht bezahlt. Dabei ist Sorgearbeit ein zentraler Teil unserer Wirtschaft. Ohne sie geht’s nicht! Weil wir für Sorgearbeit keinen Lohn zahlen, ist sie oft unsichtbar und ungleich verteilt. Würde sich das ändern, könnte die Gleichberechtigung einen wichtigen Schritt machen und unsere Wirtschaft würde langfristig profitieren. recap blickt auf das unsichtbare Milliarden-Business Sorgearbeit.

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3,20 Euro für 16 Minuten Staubsagen, 22 Minuten das Familienwochenende planen macht 4,40 Euro und das Geschenk für den Kindergeburtstag der Tochter organisieren hat 35 Minuten gedauert – das wären dann 7 Euro.

Solch eine Rechnung klingt komplett utopisch, macht aber ein Problem deutlich: Für viele Arbeiten im Alltag werden wir nicht bezahlt. Klar, Kindererziehung macht auch Spaß und niemand will in einer schmutzigen Küche kochen, aber die täglichen Aufgaben sind oft eine Belastung. Weil sie aber nicht entlohnt wird, bleibt diese Art der Arbeit oft im Dunklen. Und ist ziemlich ungleich verteilt: Laut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung arbeiten Männer im Schnitt zwei Stunden pro Tag unbezahlt, Frauen dagegen über dreieinhalb Stunden.

Das Statistische Bundesamt hat 2013 die Sorgearbeit genauer untersucht. Demnach wurde in einem Jahr Sorgearbeit im Wert von 826 Milliarden Euro verrichtet – unbezahlt. Das wären 30 Prozent des damaligen Bruttoinlandsprodukts (BIP) gewesen. Dort taucht die Sorgearbeit aber nicht auf, weil kein Lohn für sie gezahlt wird. Sie bleibt wirtschaftlich betrachtet unsichtbar.

Sorgearbeit deckt Grundbedürfnisse 

Dabei hat sie auch für Unternehmen einen großen Wert: Wer gesundes Essen kocht, lebt gesünder. Wer eine entspannte Zeit mit Freunden und Familien hat, ist mental leistungsstärker. Wer in einem aufgeräumten Haus wohnt, ist glücklicher. Oder krasser formuliert: Ohne Sorgearbeit wären wir nicht arbeitsfähig.

Der Laden läuft nur, weil irgendjemand diese unbezahlte Sorgearbeit erledigt.

Clara Schäper Arbeitsökonomin, DIW Berlin

Der Staat sollte Anreize schaffen, damit Sorgearbeit gerechter verteilt wird, sagt die Arbeitsökonomin Clara Schäper vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). "Der Laden läuft nur, weil irgendjemand diese unbezahlte Sorgearbeit erledigt", sagt sie. "Es ist vor allem die Frage: Wer erledigt sie."

Politische Reformen gefordert

Schäper findet: Das Ehegattensplitting sollte reformiert werden. Derzeit würde es Anreize schaffen, dass Frauen weniger Lohn- und mehr Sorgearbeit übernehmen. Unternehmen sollten außerdem flexibleres Arbeiten ermöglichen und Frauen bei der Familienplanung die Rente mitberücksichtigen. Denn wenn Frauen die Hauptlast der unbezahlten Sorgearbeit tragen und weniger Zeit im bezahlten Job verbringen, wirkt sich das am Lebensende massiv aus: Frauen sind deutlich häufiger von Altersarmut betroffen, als Männer.

Dazu kommt natürlich noch der emotionale Faktor: Marisa Becker, Journalistin und Mutter, findet vor allem die Gleichzeitigkeit von Familie und Beruf belastend. Sie finde, dass "ich dann auch teilweise einfach unfair bin, zu meinem Kind." Zum Beispiel, wenn sie einen Arbeitsanruf bekommt und gleichzeitig ihr Kinder ihre Aufmerksamkeit verlangt. Dann weiche sie vom Bild der Mutter ab, die sie gerne sein möchte.

Das ist eine Doppelbelastung, aus Erwerbstätigkeit und der ganzen Arbeit zu Hause.

Laura Fröhlich Autorin

Viele Mütter würden zudem Aufgaben übernehmen, die niemand sieht, sagt die Autorin Laura Fröhlich. Vor allem, was die Organisation des Alltags betrifft: Ist das Kind auf einen Geburtstag eingeladen, muss der Transport organisiert, das Leichtathletiktraining abgesagt und ein Geschenk besorgt werden. Kurzum: Der Familienalltag muss im Hintergrund antizipiert und organisiert werden. "Das ist eine Doppelbelastung, aus Erwerbstätigkeit und aber die ganze Arbeit zu Hause", sagt die Autorin Laura Fröhlich.

Rolle der Väter wandelt sich

Fröhlich bezeichnet das als "Mental Load" – also die "Mentale Belastung". Die betreffe eben nicht nur Frauen, sondern auch Männer: "Im Arbeitsleben haben sie oft noch diesen Anspruch an sich – und der kommt natürlich auch von außen – 40 Stunden Vollzeit, ich muss mit dem Geld, das ich verdiene, die Familie versorgen. Gleichzeitig wird von den Männern – zum Glück – immer stärker gefordert, sich einzubringen, zuhause, den Mental Load mitzutragen."

Gäbe es einen Ausgleich für die unbezahlte Sorgearbeit, könnten Familien freier und flexibler entscheiden, wer welche Aufgaben übernimmt. Dafür müssten sich Wirtschaft und Politik, Männer wie Frauen verändern. Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel muss sich Kinderkriegen wieder lohnen. Wie das gelingen könnte, besprechen wir in der aktuellen recap-Folge.

Dieses Thema im Programm: recap bei youtube | 05. Mai 2023 | 17:00 Uhr

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