Urteil Bundesarbeitsgericht: Urlaubstage verfallen nicht automatisch

21. Dezember 2022, 14:05 Uhr

Wie lange kann ein Arbeitnehmer nicht genommenen Urlaub rückwirkend einfordern? Das Bundesarbeitsgericht urteilt: Länger als wie bislang drei Jahre – wenn der Arbeitgeber nicht auf den Urlaubsanspruch hingewiesen hat. Zuvor hatte bereits der Europäische Gerichtshof in Brüssel ähnlich geurteilt. Die Richter ließen aber offen, wie lange der Anspruch rückwirkend geltend gemacht werden kann.

Für Arbeitnehmer kann sich nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts ein Blick auf verjährt geglaubte Urlaubsansprüche aus vergangenen Jahren lohnen. Die höchsten deutschen Arbeitsrichter entschieden am Dienstag in Erfurt, dass Urlaub nicht automatisch nach drei Jahren verjährt, wenn Arbeitgeber ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen sind. Sie setzten damit eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von September in deutsches Recht um und stärken die Arbeitnehmerrechte.

Arbeitgeber müssen Arbeitnehmer auf Urlaubsanspruch hinweisen

Nach dem Grundsatzurteil müssen Arbeitgeber ihre Beschäftigten auf Urlaubsansprüche hinweisen und warnen, dass sie verfallen, wenn kein Urlaubsantrag gestellt wird. Sehen sie tatenlos zu, kann Urlaub oder Resturlaub auch noch Jahre später beansprucht werden. Eine dreijährige Verjährungsfrist beginne "erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat", so das Gericht.

In einem der beiden Fälle hatte eine Steuerfachangestellte aus Nordrhein-Westfalen geklagt. Wegen ihres hohen Arbeitspensums hatte sie zwischen 1996 und 2017 weniger Urlaub genommen, als ihr zugestanden hätte. Ihr Arbeitgeber wies sie darauf nicht hin, 2018 zog die Arbeitnehmerin daher vor Gericht und verlangte für den nicht genommenen Urlaub eine Entschädigung. Der Arbeitgeber berief sich auf die verstrichene Verjährungsfrist von drei Jahren.

Europäischer Gerichtshof: Arbeitgeber müssen auf Urlaubsanspruch hinweisen

Die Erfurter Richter hatten diesen und einen weiteren Fall, in dem es um Urlaubsanspruch bei Arbeitsunfähigkeit geht, bereits dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Dieser hatte im September entschieden, Arbeitgeber hätten eine Pflicht, ihre Beschäftigten auf ihren Urlaubsanspruch und dessen möglichen Verfall hinzuweisen. Das gelte auch bei längerer Krankheit. Letztlich müssten Arbeitnehmer in die Lage versetzt werden, ihren Urlaubsanspruch tatsächlich auszuüben.

Ob das Urteil zu einer Klagewelle führt, ist unklar, ebenso, wie lange zurückgeblickt werden kann. Das Gericht ließ den Zeitraum offen. Er fürchte, "dass es nun zu zahlreichen Klagen zu lange beendeten Arbeitsverhältnissen kommt", sagte der Anwalt der Arbeitgeberseite in der Verhandlung. In jedem Fall hat die höchstrichterliche Entscheidung weitreichende Konsequenzen für Arbeitnehmer – ihre Position ist bei Streit um nicht genommenen Urlaub gestärkt.

Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht: 9 AZR 266/20; 9 AZR 401/19

dpa/MDR (jan)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 19. Dezember 2022 | 06:15 Uhr

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