Ein mit Medikamenten gefülltes Regal in einer Apotheke.
Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Bernd Wüstneck

Weißmacher Weiterhin umstrittenes Titandioxid in Medikamenten

04. Januar 2024, 10:18 Uhr

Titandioxid war als Weißmacher in Lebensmitteln und Kosmetikprodukten verbreitet. Inzwischen ist der Stoff EU-weit nicht mehr in Lebensmitteln zugelassen. In Arzneimitteln wird er hingegen weiter verwendet.

Ob in Mozzarella, Kaugummi, oder Zuckerguss: Lange war es kaum möglich, Titandioxid zu entgehen. Der Stoff wurde als weißes Farbpigment in zahlreichen Lebensmitteln eingesetzt. Das änderte sich 2022 – seitdem ist Titandioxid nicht mehr als Zusatzstoff in Lebensmitteln zugelassen. Denn die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit konnte nach einer Neubewertung nicht mehr ausschließen, dass der Stoff das Erbgut schädigen kann.

Restbestände an Lebensmitteln mit Titandioxid können noch verkauft werden

Aber, sagt Ernährungsexpertin Luise Hoffmann von der Verbraucherzentrale Thüringen, Restbestände könnten auch nach dem Verbot weiter verkauft werden: "Das Risiko wurde jetzt nicht als so akut eingeschätzt, dass man gesagt hat: 'Alle Lebensmittel, die jetzt schon in den Regalen liegen, die müssen vernichtet werden.' Sondern man hat gesagt: 'Nein, diese Lebensmittel dürfen noch verkauft werden, bis das Mindesthaltbarkeitsdatum abläuft.'"

Zwar schwinde mit jedem Monat das Risiko, noch Produkte mit Titandioxid in den Regalen zu finden, sagt die Verbraucherschützerin. Eine Ausnahme seien aber besonders lange haltbare Produkte – zum Beispiel Zuckerstreusel, Kaugummis oder Nahrungsergänzungsmittel.

Bislang kein Ersatz für Titandioxid in Arzneimitteln

Unbedenklich ist nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung Titandioxid etwa in Sonnencreme. Denn der Stoff werde nicht über die Haut aufgenommen. Deutlich komplizierter ist die Lage in der Medizin: Rund 16 Prozent der zugelassenen Arzneimittel enthalten Titandioxid, beispielsweise um die enthaltenen Wirkstoffe vor UV-Strahlung zu schützen. Insgesamt sind es fast 17.000 zugelassene Arzneimittel mit Titandioxid, EU-weit sind es laut Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie knapp 92.000 für Mensch und Tier.

Einen Ersatz dafür zu finden, sei schwierig, sagt Pharmazeut Hans-Georg Feldmeier. Er leitet die Dermapharm AG, die auch einen Produktionsstandort in Brehna in Sachsen-Anhalt betreibt: "Bisher ist uns in der pharmazeutischen Industrie kein gleichwertiges Austauschprodukt bekannt. Die Austauschprodukte werden die Eigenschaften der Arzneimittel beeinflussen. Das ganze wird ein riesengroßer Aufwand, nicht nur in der Industrie bei der Entwicklung." Es werde auch dazu führen, dass die Behörden einen "riesen Wust von Änderungs-Anträgen auf den Tisch kriegen, der zu bearbeiten ist".

Debatte um Verbot auch in Medizinprodukten

Diskussionen über ein Verbot von Titandioxid hält Feldmeier grundsätzlich für falsch. Dafür gebe es keine wissenschaftliche Grundlage. Anders sieht das das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Auf Anfrage teilt ein Sprecher mit, Titandioxid sei nur noch für Arzneimittel zugelassen, weil bei einem sofortigen Verzicht mit erheblichen Engpässen zu rechnen sei.

Aktuell können Patienten den Stoff also kaum vermeiden, auch weil, wie Ilias Essaida vom Sozialverband VDK schildert, "in der öffentlichen Apotheke die günstigsten Arzneimittel abgegeben werden müssen. Und da Titandioxid als Lichtfilter fungiert, wird in Medikamenten die fotosensibel sind, also wo der Wirkstoff durch Licht zerstört werden kann, auch immer Titandioxid drin sein. Als Patient ist man also eigentlich darauf angewiesen, dass die Pharmaindustrie einen neuen Lichtfilter entwickelt, einen Ersatzstoff für Titandioxid."

In den nächsten Monaten könnte erneut Bewegung in die Diskussion um den Stoff kommen. Bis April soll die Europäische Arzneimittelbehörde neu bewerten, ob Titandioxid in Arzneimitteln weiter erlaubt bleiben soll.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 29. Dezember 2023 | 06:48 Uhr

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