Paar vor einem mit Gitter gesicherten Geschäft Mitte Dezember in Nürnberg
Wegen der Corona-Einschärnkungen mussten diverse Geschäfte, Kulturstätten und Gaststätten schließen. Bildrechte: imago images / IPA Photo

Bundesverwaltungsgericht Urteil zu Corona-Beschränkungen am 22. November

10. November 2022, 09:23 Uhr

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat sich erstmals mit der Rechtmäßigkeit einschneidender Kontakt- und Ausgangsverbote in der ersten Corona-Welle 2020 befasst. Bei der Verhandlung ging es um die Verhältnismäßig und damit Zulässigkeit entsprechender Maßnahmen in Sachsen und Bayern. Am 22. November will das Gericht sein Urteil verkünden.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat sich erstmals mit der Rechtmäßigkeit einschneidender Corona-Maßnahmen in der ersten Pandemiewelle befasst. Nach der mündlichen Verhandlung am Mittwoch kündigte das Gericht ein Urteil für den 22. November an.

Es geht um Regelungen in den Corona-Schutzverordnungen in Sachsen (Az. 3 CN 1.21) und Bayern (Az. 3 CN 2.21) aus dem Frühjahr 2020. Konkret geprüft wird, ob es damals rechtmäßg war, Kontakt- beziehungsweise Ausgangsbeschränkungen einzuführen sowie Sportstätten und Gastronomiebetriebe zu schließen. In Sachsen erklärte das zuständige Oberverwaltungsgericht die Regelungen in erster Instanz für rechtmäßig. In Bayern erklärter der Verwaltungsgerichtshof Ausgangsbeschränkungen für nicht rechtmäßig.

Zu den Verordnungen allgemein sagte die Leipziger Richterin Renate Philipp, dass die Landesbehörden "ein Ermessen bei der Auswahl der Mittel zur Bekämpfung der Corona-Pandemie" hätten. "Wir als Gericht überprüfen, ob das Ermessen verhältnismäßig ausgeübt wurde."

OVG Bautzen: Schutzmaßnahmen zu Pandemiebeginn rechtmäßig

In sächsischen Fall geht es um die Frage, ob die Schließung von Gastronomiebetrieben und Sportstätten sowie die Kontaktbeschränkungen für den Aufenthalt im öffentlichen Raum zu Beginn der Pandemie unrechtmäßig gewesen sind. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen hatte den Normenkontrollantrag eines Rechtsanwalts mit Urteil vom 15. Oktober 2021 abgewiesen. Die ergriffenen Maßnahmen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes hätten verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprochen und seien rechtmäßig gewesen.

Weiter verwies das Bautzener Oberverwaltungsgericht damals auf die herrschende Unsicherheit über die Gefährlichkeit, die Übertragungswege und die Auswirkungen einer Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. Zudem habe es keine Medikamente zur Behandlung von COVID-19 und auch keine Impfstoffe gegeben. Der Freistaat Sachsen habe sich auf das Robert Koch-Institut als vorgesehene sachkundige Stelle gestützt und seinen Ermessensspielraum nicht überschritten.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof: Ausgangsbeschränkungen zu eng gefasst

Im bayrischen Fall wenden sich zwei Antragsteller gegen die im März 2020 erlassene Ausgangsbeschränkungen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gab den Antragsstellern mit Beschluss vom 4. Oktober 2021 Recht. Das Gericht stellte fest, dass die Ausgangsbeschränkung unwirksam war.

Der Freistaat Bayern habe damals den Ausnahmetatbestand der "triftigen Gründe", die zum Verlassen der eigenen Wohnung berechtigten, zu eng gefasst. Im Ergebnis sei die Ausgangsbeschränkung unverhältnismäßig gewesen. Auch alleine im Freien zu verweilen sei etwa eingeschränkt worden. Das Gericht konnte nicht erkennen, wieso das zur Hemmung der Übertragung des Coronavirus erforderlich gewesen sein sollte.

Die meisten verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zu den teils umstrittenen Corona-Schutzmaßnahmen sind bislang nur in Eilverfahren ergangen. Diese enden stets beim Obergericht des jeweiligen Bundeslandes, weil eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht möglich ist.

"Bundesnotbremse" und berufsbezogene Impfpflichten rechtmäßig

Gleichwohl entschieden die höchsten deutschen Gerichte bereits über eine zentrale Fragen der Corona-Politik. So scheiterte vor rund einem Jahr eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die sogenannte Bundesnotbremse. Die "Notbremse" galt von Ende April bis Ende Juli 2021 und sah unter anderem bundesweite Kontaktbeschränkungen, nächtliche Ausgangssperren und Schulschließungen vor. Die Karlsruher Richterinnen und Richter urteilten, dass die Vorgaben "in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie" mit dem Grundgesetz vereinbar gewesen seien.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte ebenfalls die Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitsbereich für rechtens. Der Schutz gefährdeter Gruppen, also von Alten und Kranken, wiege verfassungsrechtlich schwerer als der Grundrechtseingriff für Mitarbeitende im Pflege- und Gesundheitsbereich, begründete das Gericht seinerzeit die Entscheidung.

Das Bundesverwaltungsgericht wiederum entschied im Juli, dass die Imfpflicht bei der Bundeswehr rechtmäßig sei. Soldatinnen und Soldaten seien besonders verpflichtet, ihre Einsatzfähigkeit zu erhalten und müssten daher Maßnahmen gegen übertragbare Krankheiten dulden, so die Begründung in diesem Verfahren.

Bundesverwaltungs- und Bundesverfassungsgericht

  • Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ist oberstes Gericht des Bundes und letzte (Revisions-)Instanz auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts beziehungsweise des Verwaltungsrechts. Die Richterinnen und Richter prüfen die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns.
  • Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist im Gegensatz zum BverwG ein eigenständiges Verfassungsorgan. Es ist das höchste deutsche Gericht und wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes. Das gilt vor allem für die Durchsetzung der Grundrechte. Kommt es dabei zum Streit, kann das BVerfG angerufen werden. Seine Entscheidung ist unanfechtbar. An seine Rechtsprechung sind alle übrigen Staatsorgane gebunden.

Weitere Beschwerden offen

Auch mit der für den 22. November angekündigten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Corona-Pandemie juristisch noch lange nicht aufgearbeitet. Wie das Bundesverfassungsgericht auf Anfrage von MDR AKTUELL mitteilte, sind dort derzeit noch 22 Verfahren zum Thema anhängig.

Bei einem dieser Verfahren handelt es sich um eine Vorlage des Thüringer Verfassungsgerichtshofs an das Verfassungsgericht (1 BvN 1/21). Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob das Infektionsschutzgesetz zu Beginn der Pandemie als rechtliche Basis ausgereicht hat, um die Eindämmungsmaßnahmen zu beschließen oder ob es hier früher eines Beschlusses des Bundestages bedurft hätte. Die AfD hatte das entsprechende Normkontrollverfahren in Thüringen eingereicht. Hier will das Gericht noch 2022 einen Beschluss fassen.

Darüber hinaus finden sich beim Bundesverfassungsgericht außerdem 1.184 Verfahren zum Thema Corona im Allgemeinen Register. Dabei handelt es sich um Verfahren, die nach Ansicht des Gerichts offensichtlich unzulässig sind oder keine Aussicht auf Erfolg haben.

dpa/AFP/MDR (ala/dni)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 09. November 2022 | 06:00 Uhr

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