Ein Mann und ein Junge an einem Webstuhl in einem Textilbetrieb in Bangladesh
Das Lieferkettengesetz soll die Menschenrechte schützen, vor allem auch die von Kindern. Bildrechte: imago images / Pacific Press Agency

Menschenrechte und faire Löhne Was mit dem Lieferkettengesetz erreicht werden soll

01. März 2021, 16:08 Uhr

Nach monatelangem Ringen hat sich die Bundesregierung auf einen Entwurf des Lieferkettengesetzes geeinigt. Das Gesetz soll große deutsche Unternehmen dazu verpflichten, auch bei ausländischen Zulieferern auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten. Was heißt das konkret?

Was ist das Ziel des Gesetzes?

Mit dem Gesetz will die Bundesregierung größere deutsche Unternehmen zwingen, Menschenrechte und Umweltvorgaben in ihren Lieferketten weltweit einzuhalten. Kinder- und Zwangsarbeit, unfaire Löhne oder umweltschädliche Arbeits- und Produktionsbedingungen sollen damit verhindert werden.

Was sind die Kernpunkte?

Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften sollen bei Menschenrechtsverletzungen im Ausland vor deutschen Gerichten klagen können. Bisher konnten nur die Geschädigten selbst klagen, was aber in der Praxis an den Lebensumständen scheiterte.

Werden Sorgfaltsverletzungen von Unternehmen vor Ort gemeldet, muss das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle dem als staatliche Kontrollbehörde nachgehen. Das Bundesamt kann Zwangs- und Bußgelder verhängen. Bei Verstößen sollen Unternehmen bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden. Die Sorgfaltspflicht gilt für unmittelbare Zulieferer. Falls ein Unternehmen aber Kenntnis von Verstößen bei mittelbaren Zulieferern bekommt, muss es auch dort tätig werden und das Bundesamt informieren.

Unmittelbare und mittelbare Zulieferer Die fiktive Dresdner Firma Schmidt stellt Schränke her. Die Spezialschrauben, die dafür benötigt werden, lässt sie sich von einer schwedischen Firma anfertigen und zuliefern. Diese schwedische Firma ist also ein unmittelbarer Zulieferer, weil beide in direktem Kontakt stehen. Die schwedische Firma wiederum braucht für die Fertigung der Schrauben Einzelteile, die von einer dritten Firma kommen. Diese Firma ist für Schmidt aus Dresden ein mittelbarer Zulieferer, weil zwar indirekt eine Zulieferung stattfindet, aber kein direkter Kontakt besteht.

Seit wann wird an dem Gesetz gearbeitet?

Der Gesetzentwurf geht zurück auf die UN-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten aus dem Jahr 2011, wonach Staaten zum Schutz von Menschenrechten und Arbeitsnormen verpflichtet sind. Weiter heißt es, Unternehmen müssten ebenfalls angemessene Vorkehrungen treffen, damit es nicht zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Infolgedessen beschloss Deutschland 2016 den  "Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte", der auch im Koalitionsvertrag von Union und SPD bekräftigt worden ist.

Der Aktionsplan sah vor, dass weitere Maßnahmen geprüft werden, wenn bis 2020 weniger als die Hälfte der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen. Es hat sich herausgestellt, dass noch nicht einmal ein Fünftel der rund 7.400 Unternehmen die Anforderungen erfüllte. Deshalb wird nun am neuen Lieferkettengesetz gearbeitet.

Ab wann soll das Gesetz gelten und für wen?

Wenn das Gesetz wie geplant vor der Sommerpause von Bundesregierung und Bundestag beschlossen wird, tritt es am 1. Januar 2022 in Kraft. Gelten soll es aber erst ab 2023 und vorerst nur für Firmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten. Ein Jahr später sollen noch Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten dazukommen. Mittelständische Unternehmen sind somit von dem Gesetz ausgenommen.

Was sagen die Befürworter des Gesetzes?

Die zuständigen Minister zeigten sich zunächst zufrieden mit dem errungenen Kompromiss. "Es wird vielen Menschen mehr Rechte geben", sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der die Federführung für den Gesetzentwurf übernimmt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach von einem "vernünftigen Kompromiss". Sein Ziel sei gewesen, den bürokratischen Aufwand und die Belastungen für Firmen vor allem in der Corona-Pandemie zu begrenzen und den Mittelstand auszunehmen.

Auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) zeigte sich erleichtert: "Das Lieferkettengesetz kommt." Es sei ein Signal für eine gerechte Globalisierung. "Made in Germany"  stehe in Zukunft auch für globale Verantwortung und faire Produktion.

Kurz, nachdem die Einigung zum Lieferkettengesetz verkündet wurde, kam es aber schon zum Streit innerhalb der Bundesregierung. Das Wirtschaftsministerium warf dem Arbeitsministerium unter anderem vor, dass der nun erstellte Gesetzentwurf "zumindest in zwei Punkten nicht den Vereinbarungen des Spitzengesprächs" zwischen den drei beteiligten Ministerien entspreche. Welche Folgen das für das weitere Gesetzgebungsverfahren hat, ist noch nicht absehbar.

Was sagen die Kritiker?

Kinder werden zum Zerkleinern von Steinen beschäftigt Mädchen 6 und 7 Jahre, Junge 11 Jahre alt, Khasi Hills im Bundesstaat Meghalaya, Indien
Hilfsorganisationen geht das Gesetz nicht weit genug. Bildrechte: imago images/Friedrich Stark

Kritik am Gesetzentwurf kommt sowohl von Hilfsorganisationen als auch von Wirtschaftsvertretern. Die Hilfsorganisationen sehen in dem Gesetz einen ersten wichtigen Schritt, aber auch Verbesserungspotential. Einer der Hauptkritikpunkte ist, dass keine Regelungen zur zivilrechtlichen Unternehmenshaftung und Entschädigung der Opfer von Menschenrechtsverletzungen vorgesehen sind.

Hilfsorganisationen und Kirchen fordern außerdem, dass die Sorgfaltspflichten auch bei Klima- und Umweltschutz bestehen, mittelständische Unternehmen einbezogen und alle Zulieferer in den Blick genommen werden.

Vertreter aus der Wirtschaft betonen zwar, wie wichtig die Achtung von Menschenrechten sei, weisen die Verantwortung jedoch von sich. Unternehmen sollten nicht für Menschenrechtsverletzungen im Ausland haften müssen, die sie nicht beeinflussen könnten, heißt es von Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hingegen erklärte, ein Gesetz zur Regulierung der menschenrechtlichen Verantwortung sei überflüssig, weil deutsche Firmen schon jetzt für höhere Standards im Ausland sorgten.

Quelle: Mit Material von epd

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 12. Februar 2021 | 12:00 Uhr

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