Fahrgäste in einer Bahn.
Nur wenige MDRfragt-Mitglieder setzen bei ihren alltäglichen Strecken auf den ÖPNV. Bildrechte: IMAGO / Michael Gstettenbauer

MDRfragt Schlechte Verbindung größtes Hindernis für Nutzung von Bus und Bahn

24. April 2023, 15:55 Uhr

Bus und Bahn werden von einem Großteil der Menschen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wenig bis gar nicht genutzt – und das liegt vor allem an fehlenden oder schlechten Verbindungen auf wichtigen Alltagsstrecken. So lassen sich zentrale Ergebnisse einer nicht-repräsentativen, aber gewichteten Befragung von MDRfragt unter rund 16.000 Menschen aus Mitteldeutschland zusammenfassen.

Viele Menschen in Mitteldeutschland schrecken vor einer regelmäßigen Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zurück. Das zeigen auch aktuelle Ergebnisse des Meinungsbarometers MDRfragt. Demnach gab nur rund jeder vierte Befragte an, regelmäßig auf Bus, Bahn und Co. zu setzen.

Unter den MDRfragt-Mitgliedern, die in ländlich geprägten Gebieten wohnen, ist der Anteil derjenigen, die tendenziell regelmäßig in öffentliche Verkehrsmittel steigen, noch niedriger als bei jenen, die in Städten leben.

Regelmäßige Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Am meisten bemängelt: schlechte oder keine sinnvolle Verbindung mit Bus und Bahn

Die MDRfragt-Mitglieder nennen verschiedene Gründe, warum sie öffentliche Verkehrsmittel meiden: überfüllte Züge, viele Verspätungen und Probleme oder auch das Gefühl, es sei zu kompliziert oder unkomfortabel, mit Bus und Bahn zum Ziel zu kommen. Doch ein Grund wird so oft genannt, wie kein anderer: Fast drei Viertel der Befragten gaben an, dass es keine oder zu schlechte Verbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Strecken gibt, die sie im Alltag regelmäßig zurücklegen. MDRfragt-Mitglieder aus dem ländlichen Raum gaben diesen Hinderungsgrund noch häufiger an (79 Prozent) als jene, die in der Stadt wohnen (59 Prozent).

"Der ÖPNV ist fast nur auf Schüler ausgerichtet"

Dabei beschrieben viele MDRfragt-Mitglieder auch, was schlechte Verbindungen in der Praxis für sie bedeuten. Eine Befragte – Antje, Jahrgang 1973, aus dem Erzgebirgskreis – beschrieb ihre persönliche Situation so: Mit dem Auto brauche sie 25 Minuten zur Arbeit und könne um 6 Uhr anfangen – wenn sie mit dem Bus zur Arbeit fahren will, kann sie frühestens 6.10 Uhr mit dem ersten Bus des Tages starten – und sei erst 7.45 Uhr auf Arbeit. Zudem verweist sie darauf, dass es an Wochenenden de facto unmöglich ist, auf Bus und Bahn zu setzen: "Am Wochenende fährt bei uns gar nichts. Der ÖPNV ist fast nur auf Schüler ausgerichtet."

Das ist nicht nur Realität für diese MDRfragt-Teilnehmerin: In zahlreichen Orten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen richtet sich die Bus-Anbindung nach dem Schülerverkehr – und fährt abends gar kein öffentliches Verkehrsmittel mehr, wie eine aktuelle Auswertung des MDR-Data-Teams zeigt.

Und auch für Menschen, die städtisch wohnen, ist der Alltag nicht automatisch auch gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bestreiten. So beschreibt die 40 Jahre alte Janine aus Chemnitz: Es sei schlicht komfortabler, ein Auto zu haben. Schon allein, um die Einkäufe nicht von der Haltestelle bis nach Hause tragen zu müssen. "Ein Ersatz des Pkw durch den ÖPNV ist für mich nicht vorstellbar, durch ungünstige Streckenführung und mehrfaches Umsteigen finde ich: Die Nachteile überwiegen."

Neue Lösungen für den ÖPNV gewünscht

Für andere MDRfragt-Mitglieder überwiegen hingegen die Vorteile öffentlicher Verkehrsmittel als Alternative zum Auto. Marco aus Dresden nutzt nach eigenen Angaben so gut wie täglich öffentliche Verkehrsmittel und begründet das so:

Wir versuchen das Fahren mit dem Auto so gering wie nötig zu halten, da das Fahren von vollen Straßen, Staus und Parkplatzsuche geprägt ist.

Marco, 50 Jahre, Dresden

Und es gibt auch Kommentatorinnen und Kommentatoren in der MDRfragt-Gemeinschaft, die eine grundsätzlich andere Herangehensweise fordern:

Bei der Ausgestaltung des ÖPNV sollte man sich mehr Gedanken über neue Lösungen machen. Selbstfahrende Systeme (auch mit Hilfe von KI) wären da eine Überlegung wert.

K.D. 67 Jahre, Dresden

Die 38 Jahre alte Sandy aus Leipzig forderte, dass Autofahren dort teurer werden sollte, wo es einen gut ausgebauten Nahverkehr gibt. So könnten mehr Menschen zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel bewegt werden. In Städten wie Leipzig brauche man eigentlich kein Auto und daher sollte Autofahren dort teurer sein als Bus und Bahn zu nutzen:

Personen, die auf dem Land wohnen und auf Auto angewiesen sind, sollten dafür nicht bestraft werden. Daher sollte auf dem Land das Auto erschwinglich bleiben.

Sandy, 38 Jahre, Leipzig

Mehr Verkehr auf die Schiene

Obwohl ein Großteil der beteiligten MDRfragt-Mitglieder tendenziell keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzt, ist die Community trotzdem mehrheitlich dafür, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern.

Mehr Verkehr auf die Schiene
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Dabei haben zahlreiche MDRfragt-Mitglieder jedoch weniger den Personenverkehr im Blick, wie zahlreiche Kommentare zeigen:

Im Gütertransport sollte viel mehr auf Schiff und Schiene. Wir haben nicht zu wenig Lkw-Fahrer, sondern zu viele Lkw.

Detlef, 66 Jahre, Magdeburg

Die höchste Priorität sollte beim Lkw auf die Schiene gelegt werden, es würde für wenig Staus und Abgase sorgen.

Birgit, 67 Jahre, Erzgebirgskreis

Ich bin für mehr Güterzüge und weniger Lkws auf der Straße, mehr elektrifizierte Bahnstrecken für Güterzüge. Die Lkws auf den Autobahnen und Bundesstraßen nehmen immer mehr zu, den Diesel kann man sparen.

Michael, 54 Jahre, Erfurt

Mehrheit findet Ausbau des Angebotes wichtiger als günstigere Fahrpreise

Wenn sich die MDRfragt-Mitglieder entscheiden müssten, welches Problem man zuerst bei den öffentlichen Verkehrsmitteln angehen sollte, fällt die Entscheidung deutlich aus: Vier von fünf Befragten würden die Priorität auf eine bessere Infrastruktur legen, also auf den Netzausbau, auf eine bessere Taktung und auf mehr Personal (82 Prozent). Nur 13 Prozent fänden es wichtiger, die Ticketpreise zu senken.

Was ist wichtiger bei der Finanzierung öffentlicher Verkehrsmittel?
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Diese Priorisierung zeigt sich unabhängig davon, ob die MDRfragt-Mitglieder in der Stadt oder auf dem Land wohnen – oder ob sie selbst regelmäßig Bus und Bahn fahren oder nicht.

Begründet wird das von MDRfragt-Mitgliedern unter anderem so:

Günstigere Tickets bringen niemanden an sein Ziel. Hierzu braucht es Verbindungen mit entsprechender Infrastruktur.

Stefan, 48 Jahre, Halle (Saale)

Der beste Preis nutzt nichts, wenn ich zu spät zur Arbeit komme, weil der Anschlussbus nicht gewartet hat oder auch mal ein Bus einfach so ausfällt oder ich nicht mehr zurückfahren kann, wenn mal Überstunden notwendig sind, weil dann der letzte Bus weg ist.

Michael, 59 Jahre, Erzgebirgskreis

Wenn ich für mein Geld nicht bekomme, was ich brauche, dann ist auch geschenkt noch zu teuer! Die meisten Bahnhöfe (außer in großen Städten) sind runtergekommene Ruinen und schäbige Gelände, wo man sich weder sicher noch willkommen noch wohlfühlt!

Siegfried, 57 Jahre, Saale-Holzland-Kreis

Mehrere Befragte wiesen aber auch darauf hin, dass es eine schwierige Abwägungsfrage bleibt – und gute Infrastruktur allein auch keine Lösung ist. So gab auch die 68 Jahre alte MDRfragt-Teilnehmerin Ursula aus Halle (Saale) an, dass es zunächst darum gehen müsse, das Netz und die Infrastruktur auszubauen. Der Ticketpreis dürfe jedoch auch nicht außer Acht gelassen werden, meint sie. Ansonsten nutze keiner den ausgebauten Nahverkehr.

Diskussion bei "Fakt ist!" aus Magdeburg

Mit Blick auf den Start des bundesweit gültigen Nahverkehrsangebotes namens Deutschland-Ticket, seines Preises wegen auch oft 49-Euro-Ticket genannt, stellt sich die Frage noch einmal neu: Niedriger Preis oder gute Infrastruktur – was braucht es zuerst, um öffentliche Verkehrsmittel für mehr Menschen zu einer Alternative zum Auto zu machen? Darüber wurde am Montagabend im "Fakt-ist!"-Studio in Magdeburg gesprochen. Unter dem Motto "Mitgenommen oder abgehängt? Der ÖPNV in Mitteldeutschland" wurde auch über die Frage diskutiert, ob die Politik beim Thema (Nah-)Verkehr die richtigen Prioritäten setzt. Neben Sachsen-Anhalts Verkehrsministerin Lydia Hüskens (FDP) oder dem Chef der Bahngewerkschaft GDL, Claus Weselsky, sind auch Mitglieder der MDRfragt-Gemeinschaft zu Wort gekommen.

Über diese Befragung Die Befragung vom 14.04. - 17.04.2023 stand unter der Überschrift:

Künstliche Intelligenz - Fluch oder Segen? Darin haben wir auch Fragen zum ÖPNV und dem 49-Euro-Ticket gestellt.

Insgesamt sind bei MDRfragt 65.388 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 17.04.2023, 16.00 Uhr).

15.996 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.

Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 223 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 2.489 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 8.335 Teilnehmende
65+: 9.486 Teilnehmende

Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 10.678 (52 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 4.978 (24 Prozent)
Thüringen: 4.877 (24 Prozent)

Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 8.638 (42 Prozent)
Männlich: 11.840 (58 Prozent)
Divers: 55 (0,2 Prozent)

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.

Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist! | 24. April 2023 | 22:10 Uhr