Gerüstbau und Wärmedämmung am Einfamilienhaus.
Gerüstbau und Wärmedämmung an einem Einfamilienhaus. Bildrechte: picture alliance / Westend61 | Maria Maar

Klimaziele im Gebäudesektor Experte: Teure Energiestandards könnten Kaltmieten bis 2050 verdoppeln

19. November 2024, 05:00 Uhr

Wenn es um die energieeffiziente Sanierung von Gebäuden geht, geraten Klimaexperten und Wohnungswirtschaft aneinander. Ein Freiburger Ingenieur warnt davor, dass sich hohe Sanierungskosten auf die Kaltmieten auswirken. Wirtschaftsforscher lesen aus den bisherigen Entwicklungen, dass es deutlich mehr Investitionen bräuchte, um die Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen.

Raja Kraus, Autorin, Reporterin
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Axel Gedaschko will den "Effizienzpfad" verlassen. Der sei zu teuer und nicht so erfolgreich wie erhofft, sagt der Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. "Und deshalb müssen wir den sogenannten Klimapfad beschreiten. Das bedeutet, dass wir andere Dinge machen, die auch mehr auf CO2 einzahlen, dabei auch günstiger sind und unterm Strich uns schneller zu den Klimazielen führen, ohne, dass die Mieter überfordert werden."

Axel Gedaschko
Der Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, Alex Gedaschko, fordert, dass Energiestandards zur Gebäudesanierung herabgesetzt werden, da diese zu teuer und weniger erfolgreich seien, als erhofft. Bildrechte: IMAGO/Funke Foto Services

Es sei unbezahlbar, alle Gebäude auf den vom Bund vorgegebenen Energiestandard zu bringen, sagt Gedaschko. Die Kosten seien bei gleichbleibender Sanierungsquote in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen, sagt Gedaschko. Er fordert weniger strenge Energieeffizienzvorgaben beim Sanieren: "Vielfach ist es eigentlich auch so, dass viele Häuser schon in der Lage sind, nur mit geringen Verbesserungen diesen geringeren Effizienzstandard zu erreichen."

Und der reiche oft schon, um eine Wärmepumpe sinnvoll zu betreiben. Auch auf Solar will er setzen und auf "digitale Nutzerunterstützung". Systeme, die zum Beispiel erkennen, wenn das Fenster aufgemacht wird und dann die Heizung automatisch runterregeln.

Gebäudesanierung kann Mietkosten in die Höhe treiben

Barbara Metz ärgert sich über die Debatte. Sie ist die Geschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe und wirft der Wohnungswirtschaft Strategie im nahenden Wahlkampf vor. "Wir erreichen die Klimaziele im Gebäudesektor schon zum vierten Mal nicht und voraussichtlich auch im nächsten Jahr nicht. Insofern ist das sicherlich nicht der richtige Appell, jetzt zu sagen, wir brauchen keine Energieeffizienz."

Timo Leukefeld ist Energieexperte und plant mit seinem Ingenieurbüro in Freiberg fast energieautarke Häuser. Bei 100 Prozent würden die Mietpreise zu hoch, sagt er, und verweist auf Studien sächsischer Wohnungsgenossenschaften. Hiernach würden sich bei einer Komplettsanierung des Gebäudebestands bis 2050 nach den derzeit geltenden Vorgaben die Kaltmieten verdoppeln. Daher müsse man abwägen, ob diese hohen Preise zumutbar für die Bevölkerung seien. "Oder wären nicht vielleicht 70 Prozent der Maßnahmen, man nennt das auch die niedrig hängenden Früchte, dass man die erstmal aberntet, um auch beim bezahlbaren Wohnen zu bleiben."

Auch die Energieeinsparung nehme mit zunehmendem Sanierungsgrad ab, erklärt er: Bei der Dämmung seien die ersten sechs Zentimeter am wirkungsvollsten.

Wirtschaftsforscher: Es wird noch zu wenig investiert in Sanierung

Martin Gornig dagegen findet: Wenn man ein Gebäude anfasst, dann bitte auch richtig. Er ist Forschungsdirektor für Industriepolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Es werde immer noch viel zu wenig investiert, um die Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen. Man müsse langfristig denken. "Ein Gebäude hat eine ganz lange Laufzeit und auch Dämmung hält extrem lange. Und entsprechend zahlt es sich eigentlich immer aus" – wenn auch nur über sehr lange Zeit. Gornig gibt zu, dass man jetzt viel investieren müsse und sich die Erträge in gesparter Energie erst in 10 oder 20 Jahren finanziell bemerkbar machten.

Er plädiert für eine Priorisierung bei der Sanierung: Also erst dort loslegen, wo auch noch sehr viel Energie verloren geht. Das sagt auch Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe. Am schlechtesten stehen die Ein- und Zweifamilienhäuser da.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 19. November 2024 | 06:50 Uhr

57 Kommentare

Stabhoch vor 7 Wochen

Natürlich geht das. Nur leidet die Effizienz einer WP bei nicht gut gedämmten Häusern enorm. Und somit ist die WP keine optimale Sache für diese Häuser. In Norwegen geht das, da dort die Strompreise so niedrig sind und meist Hybrid geheizt wird. Für die langen saisonalen Übergänge ist die super geeignet.
Hinzu kommt bei uns, dass in den weniger gut energetisch aufgestellten Häusern Menschen wohnen, die a) so eine Heizung nicht bezahlen können und b) höhere Stromkosten haben, als Menschen mit größerem Geldsäckel in besseren Häusern.
Das ist ja auch der Vorwurf an Habeck, dass er gar keinen Überblick hat, wen diese Heizungsart hart treffen würde.
Dass Wohlhabende damit kein Problem haben, ist doch klar.
Deshalb finde ich das Verweisen auf Norwegen, ohne die entsprechenden Rahmenbedingungen zu erwähnen, zu einseitig.

ElBuffo vor 7 Wochen

Alles richtig, nur hört man von den hiesigen Dagegenseiern nur, dass das in weniger gut energetisch sanierten Häusern gar nicht geht. Nun geht es in Norwegen, wo es im Durchschnitt durchaus kälter ist und die Häuser nicht ganz so energieeffizient sind. CO2-Abgabe wird auf den recht CO2-frei erzeugten Strom kaum anfallen. Da sind die offenbar etwas weiter.

ElBuffo vor 7 Wochen

Einen Wertverlust gibt es erst, wenn die Mieter ausziehen und keiner mehr einzieht. Danach sieht es eher nicht aus. Somit kann man auch mit gesparter Sanierung hohe Renditen erzielen. Und die machen den Wert aus.

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