Tierarzt impft Kühe
In der Landwirtschaft fehlt es immer mehr an Nutztierärzten (Symbolbild). Bildrechte: Colourbox.de

Viehzucht Tarifvertrag gegen den Mangel an Nutztierärzten

02. Januar 2024, 10:44 Uhr

Vielerorts fehlen Nutztierärzte. Immer weniger Tiermediziner wollen in diesem Bereich arbeiten. Rufe werden laut, die Gesundheit von Rindern und Schweinen sei in Gefahr. Anreize, als Nutztierarzt zu arbeiten, könnte ein Tarifvertrag bringen.

Michael Polster ist Landwirt. Er und die etwa 3.000 Rinder auf seinem Betrieb Multi-Agrar Clausnitz sind auf regelmäßige Tierarztbesuche angewiesen. Er kommt für tägliche Routineuntersuchungen, Behandlung von erkrankten Kühen oder auch, um bei Schwierigkeiten Geburtshilfe zu leisten. Polster sagte: "Wenn der Tierarzt hier eine Stunde ist oder eineinhalb Stunden, ist der ja schon kurz angebunden. Er muss zum nächsten Stall, er kriegt einen Anruf rein, irgendwo ist wieder ein Notfall, da muss er bald hin. Also man hat nicht so die langen Zeitfenster, um auch da mal einen größeren Austausch miteinander zu machen."

Verband: Tierarztmangel gefährdet Gesundheit der Nutztiere

Noch kann der Tierarzt aus der Umgebung das Wichtigste abdecken, doch das wird deutschlandweit immer schwieriger. Es fehlen Tierärztinnen in allen Bereichen. Der Verband der Tierärzte sieht daher die Tiergesundheit in akuter Gefahr. Die wenigen, die sich für eine Arbeit in der Landwirtschaft entscheiden, bleiben oft nicht lange.

Die psychische Belastung sei hoch, das Arbeitsumfeld mitunter unattraktiv, sagt Dr. Juliane Munzel, Nutztierärztin in Crimmitschau: "Wenn dann noch die finanzielle Wertschätzung fehlt, das Geld nicht reicht, nicht mehr wird, man nicht bezahlt wird für Extradienste, für Rufbereitschaften, für Notdienste, dann fällt der Schritt oft recht leicht, die Praxis zu verlassen und sich ins Veterinäramt oder in die Industrie, Pharmaindustrie, Futtermittelindustrie zu orientieren."

Im Jahr 2022 lag das Einstiegsgehalt einer angestellten Tierärztin bei etwa 3.000 Euro. Zum Vergleich: In der Humanmedizin waren es 1.500 Euro mehr. Nicht nur die Löhne unterscheiden sich in Tier- und Humanmedizin. Das für Tierärzte geltende Arbeitszeitgesetz erweist sich in einem Beruf, der von Flexibilität geprägt ist, als unpraktisch.

BAT wirbt für Tarifvertrag mit geregelten Zuschlägen

Ein Tarifvertrag für Tiermediziner könnte helfen, sagt Juliane Munzel vom Bund angestellter Tierärzte (BAT): "Ein Tarifvertrag kann dafür sorgen, dass die Schichten, die gearbeitet werden, länger sind. Zwölf Stunden zum Beispiel. Oder ein Bereitschaftsdienst über 24 Stunden."

Das passiere jetzt schon alles, sagt Munzel. Aber es sei nicht legal: "Aber mit einem Tarifvertrag wäre es legal und gleichzeitig würde die Angestellte genau sehen, was sie verdient, was sie für einen Zuschlag bekommt am Sonntag, was sie für einen Zuschlag in der Nacht bekommt. Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, ganz verrückte Sachen." Ein Großteil der Studierenden im Bereich Veterinärmedizin ist weiblich. Statistiken zufolge lag der Anteil der Frauen im Jahr 2022 bei mehr als 85 Prozent. Ähnlich hoch war er in den Jahren zuvor.

Über die Vorteile eines Tarifvertrages auch für Arbeitgeber bemüht sich der BAT aufzuklären. Ines Leidel führt eine Praxis für Nutztiere im sächsischen Naundorf. Sie kann Mitarbeiterinnen noch sehr gut finden und auch halten. Das liege einerseits an ihrer räumlichen Nähe zur tiermedizinischen Fakultät Leipzig. Andererseits bemüht sie sich um eine gute Planung der Routinearbeiten sowie eine genaue Arbeitszeiterfassung.

Tierärzten fehlt Arbeitgeberverband als Verhandlungspartner

Dennoch sieht auch Leidel die Vorteile, die ein Tarifvertrag für ihre Praxis bringen könnte: "Also wir sind nun mal Tiermediziner und unterscheiden uns da an den Anforderungen und Bedürfnissen nun wirklich nicht großartig von der Humanmedizin. Das sollte dann auch darin mit erfasst werden im Tarifvertrag, sodass eben auch die Möglichkeit gegeben ist, bestimmte Arbeitszeiten dann zusammenzufassen, zu komprimieren und einfach freier zu gestalten, dass dann eben auch ein bisschen abgefahrene Arbeitszeitmodelle gefahren werden können."

Der BAT hat einen Tarifvertrag ausgearbeitet. Dieser beinhaltet etwa 700 Euro mehr, geregelte Zuschläge und flexiblere Arbeitszeiten. Das Problem: Es gibt keinen Arbeitgeberverband in der Nutztierpraxis, mit dem verhandelt werden kann. Solange das so bleibt, kann der BAT nur einzelnen Arbeitgebern sogenannte Haustarifverträge anbieten. Die Verhandlungen mit einem Arbeitgeberverband zu führen, wäre für beide Seiten bequemer. Einen solchen zu gründen, liegt in der Hand der Praxisinhaberinnen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 02. Januar 2024 | 08:18 Uhr

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