Moderne Arbeitswelt Flexiblere Arbeitszeitmodelle statt starrer Wochenarbeitszeit
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16. September 2024, 12:33 Uhr
Immer mehr Menschen arbeiten in Teilzeit. Das belegen Statistiken. Experten argumentieren immer wieder, dass das der Wirtschaft schadet. Der Wirtschaftskolumnist des "Handelsblatts", Bert Rürup, schreibt etwa, mit wachsendem Wohlstand würden die Freizeitpräferenzen ausgeprägter – und der Preis seien Wachstumseinbußen bei der Wirtschaft. Doch nicht alle Experten sehen das so.
- In Deutschland liegt die Zahl der insgesamt geleisteten Arbeitsstunden auf einem Rekordhoch – auch weil viele Menschen in Teilzeit arbeiten.
- IW-Expertin Stefanie Seele schlägt flexible Wochenarbeitsstunden vor.
- Ein flexibles Arbeitsmodell bietet Vorteile etwa für eine bessere Work-Life-Balance, Kinderbetreuung oder auch Minijobber.
Die Zahl der Menschen in Deutschland, die arbeiten, steigt. Und auch die derer, die einen Teilzeit-Job haben – das sind aktuell etwa 40 Prozent. Die Zahl kommt vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit, kurz IAB.
Enzo Weber, der dort den Bereich Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen leitet, ordnet ein: "Insgesamt haben wir die niedrigste Arbeitszeit pro Kopf, die wir jemals gesehen haben." Das liege vor allem daran, dass über die Zeit sehr viele Teilzeitbeschäftigte, vor allem Frauen, dazugekommen seien. "Wenn wir aber alle geleisteten Arbeitsstunden von allen Beschäftigten zusammennehmen, dann ist dieses Arbeitsvolumen so hoch wie noch nie. Also: Einzeln arbeiten wir so wenig wie noch nie, zusammen aber so viel wie noch nie", erklärt Weber.
Wir brauchen ja alle Fachkräfte im deutschen Arbeitsmarkt, um den Wohlstand zu sichern.
Problem: Sinkende Stundenproduktivität
Stefanie Seele, Arbeitsmarktexpertin beim arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln, sieht darin ein Problem: "Die wirtschaftliche Folge von dieser sinkenden Arbeitszeit pro Kopf ist, dass die Stundenproduktivität im zweiten Jahr in Folge wahrscheinlich auch 2024 zurückgeht."
Aus ihrer Sicht wäre es sinnvoll, höhere Stundenumfänge attraktiver zu machen: "Einfach aus dem Grund, weil das auch die Engpässe auf dem Arbeitsmarkt dämpfen würde, die ja jetzt durch die demografische Alterung, durch den Renteneintritt der Babyboomer verschärft werden, und wir brauchen ja alle Fachkräfte im deutschen Arbeitsmarkt, um den Wohlstand zu sichern, die wir kriegen können."
Teilzeit vor allem wegen der Kinderbetreuung
Aber aus welchen Gründen gehen die Menschen in Teilzeit? Ein Großteil sind Frauen, die die Arbeit mit anderen Aufgaben verbinden müssen, Kinder betreuen oder Angehörige pflegen. Ihnen geht es nicht um mehr Freizeit, und für sie ist das starre deutsche Teilzeit-Modell meist nicht einmal die erste Wahl, wie Arbeitsmarktexpertin Michaela Hermann von der Bertelsmann-Stiftung in einer Studie herausgefunden hat: "Es sind tatsächlich knapp 50 Prozent der befragten Mütter mit jungen Kindern, die gerne stattdessen im Stundenumfang variabler agieren würden." Das könnte etwa ein Vertrag mit einer Wochenarbeitszeit zwischen 30 und 37 Stunden sein. Aber auch bei Männern, unabhängig von der Haushaltssituation, seien diese etwas flexibler ausübbaren Stellen die beliebteren, sagt Michaela Hermann.
Flexiblere Arbeitsmodelle attraktiv für alle
Auch Enzo Weber vom IAB bestätigt, dass der Wunsch, weniger zu arbeiten, größer wird – wenn auch in moderatem Umfang, es gehe um etwa zwei Stunden die Woche. Zusammengefasst kann man sagen: Teilzeit führt dazu, dass manche weniger arbeiten, um mehr Freizeit zu haben zum Beispiel – Potential fällt weg. Auf der anderen Seite kommt Potential dazu – überwiegend Frauen, die Vollzeit nicht schaffen würden und sonst gar nicht arbeiten würden.
Welcher Effekt stärker wirkt, lässt sich empirisch nicht nachweisen. Fest steht, dass sich Unternehmen heutzutage mit flexiblen Arbeitszeitmodellen attraktiv machen können, um alle zu erreichen: Die, die mehr Freizeit wollen, die, die mit verschiedenen Aufgaben jonglieren müssen, und noch eine weitere Gruppe: Minijobber. Unter denen würde nämlich dem IAB zufolge etwa die Hälfte gerne mehr arbeiten.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 16. September 2024 | 06:00 Uhr
ErichPedal vor 2 Wochen
@Shantuma:
Ein Angebot alleine wird nicht angenommen, wenn es nicht gelebt wird. Hier haben die jeweiligen Vorgesetzten eine Vorbildfunktion – Leben sie diese Einstellung und nutzen Homeoffice, dann folgen dem mehr Angestellte. Dazu kommt das Vertrauen in die Mitarbeiter und der Mitarbeiter untereinander.
ElBuffo vor 2 Wochen
Im Osten tummelt sich also ein Haufen empathieloses Volk, weil Mama ja in der größten und schönsten DDR aller Zeiten und weltweit Vollzeit arbeiten war? Steile These. Es scheint eine Mehrheit zu geben, die das toll fand und dorthin zurück will.
ElBuffo vor 2 Wochen
Nö, dann sind Zigtausende da, die auf den Markt drängen, weswegen denen dann deren neue Arbeitgeber nicht so sehr entgegen kommen brauchen. Und dann fallen wahrscheinlich auch die ganzen Subventionen für diese Branche weg. Das Arbeitsplatzargument zieht dann schließlich nicht mehr.