Statistik Millionen Beschäftigte machen unbezahlte Überstunden

06. Juli 2022, 11:47 Uhr

4,5 Millionen Menschen haben vergangenes Jahr im Schnitt Überstunden geleistet – Männer etwas häufiger als Frauen. Knapp ein Drittel der Betroffenen leistete sogar mindestens 15 Stunden Mehrarbeit pro Woche.

Mehr als jeder zehnte Arbeitnehmer in Deutschland hat im vergangenen Jahr mehr gearbeitet als im Vertrag vereinbart. Das teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit. Insgesamt hätten im Schnitt 4,5 Millionen der insgesamt 37,8 Millionen erwerbstätigen Menschen Überstunden geleistet.

Mehrarbeit besonders im Finanz- und Versicherungswesen

Am weitesten verbreitet war demnach Mehrarbeit im Bereich des Finanz- und Versicherungswesens. Hier sei fast jeder fünfte Arbeitnehmer davon betroffen gewesen, gefolgt von Beschäftigten in der Energieversorgung. Im Gastgewerbe lag der Anteil mit sechs Prozent am niedrigsten, in der Kunst- und Unterhaltungsbranche waren es acht Prozent. Grund dafür dürften insbesondere die pandemiebedingten Beschränkungen gewesen sein.

Mit einem Anteil von 14 Prozent leisteten Männer etwas häufiger Überstunden als Frauen (zehn Prozent). Insgesamt war die Mehrarbeit meist auf wenige Stunden pro Woche beschränkt. 29 Prozent der Betroffenen machte aber mindestens 15 Überstunden pro Woche.

Expertin nennt Ausmaß beunruhigend

Knapp 22 Prozent derjenigen, die mehr arbeiteten als vertraglich vereinbart, leisteten der Statistik zufolge unbezahlte Überstunden. Knapp 18 Prozent wurden für ihre Mehrarbeit bezahlt. 72 Prozent nutzten ein Arbeitszeitkonto, durch das sie die Überstunden zu anderen Zeiten mit mehr Freizeit ausgleichen können. Manche Beschäftigten leisteten die Mehrarbeit damit über eine Kombination der drei Formen.

Vor diesem Hintergrund wird noch einmal deutlich, wie unnötig und kontraproduktiv Diskussionen über eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit sind.

Bettina Kohlrausch Hans-Böckler-Stiftung

Die wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung, Bettina Kohlrausch, nannte die Zahlen beunruhigend. "Vor diesem Hintergrund wird noch einemal deutlich, wie unnötig und kontraproduktiv Diskussionen über eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit sind", sagte sie.

Wer Fachkräfte halten wolle, müsse sich um attraktive Arbeitsbedingungen kümmern. Als Beispiel nannte Kohlrausch Arbeitszeitarrangements, die "Spielräume für eine bessere Vereinbarkeit für Arbeit und Leben lassen".

MDR, dpa, epd, AFP (rnm)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 06. Juli 2022 | 10:30 Uhr

8 Kommentare

Niemann am 08.07.2022

Das ist die Zeitenwende wirklich. Zu DDR-Zeiten hieß es NAW (Nationales Aufbauwerk) und heute könnten unbezahlte Überstunden doch IAW (Internationales Aufbauwerk) heißen, arbeiten für die ganze Welt, nur nicht für sich selbst, denn schließlich werden die erarbeiteten Milliarden in alle Welt verschleudert. Eigentlich sollten unbezahlte Überstunden ein Thema für die Gewerkschaften sein, doch die halten sich vornehmen zurück, schließlich darf die Kungelei mit den Arbeitgebern nicht belastet werden. Und Gewerkschaften kämpfen lieber gegen Rääächts, Gendern und rufen zu Waffenlieferungen auf und bilden Front gegen Andersdenkende, sind eben sooo solidarisch. Ich bin übrigens seit langen aus der Gewerkschaft ausgetreten weil sie meine Interessen als Arbeitnehmer gröblichst verletzt hat. Was kann man noch kurz dazu sagen? Den DAX freuts, den Max nicht, und die Dummen sind immer die Selben.

MDR-Team am 07.07.2022

Unbezahlte Überstunden darf der Arbeitgeber normalerweise nur dann anordnen, soweit dies durch Arbeitsvertrag oder durch einen Tarifvertrag ausdrücklich vorgesehen ist. Im Falle einer vertraglichen Regelung muss dann auch geprüft werden, ob diese zulässig ist. So gesehen kann es durchaus "verboten" sein umsonst zu arbeiten - weil es aus Sicht des Arbeitsgebers arbeitsrechtlich eben fragwürdig ist.

Eulenspiegel am 07.07.2022

Ja das sind immer die selben die gegen die Gewerkschaft wettern. Sich aber dann von der Betriebsleitung leicht gegeneinander ausspielen lassen. Und zu allem ja und amen sagen was von der Betriebsleitung kommt. Auch wenn im Tarifvertrag was anderes steht.
Dazu kann man nur sagen es ist nicht verboten für umsonst zu arbeite. Wer spaß daran hat.

Mehr aus Wirtschaft

Das Gelände der Westsächsischen Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft von oben. 1 min
Bildrechte: MDR/Tim Schulz
1 min 25.04.2024 | 21:13 Uhr

Was aus Biomüll gemacht werden kann, zeigt eine Anlage südlich von Leipzig. Auf der Zentraldeponie Cröbern entsteht aus Biomüll neben Komposterde grüner Strom für 3.000 Menschen.

Mi 13.09.2023 11:15Uhr 01:00 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/wirtschaft/video-biogas-strom-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Mehr aus Deutschland

Volker Wissing spricht von Erfolgen in seiner Arbeit 1 min
Volker Wissing spricht von Erfolgen in seiner Arbeit Bildrechte: ARD
1 min 26.04.2024 | 13:57 Uhr

Bundesverkehrsminister Volker Wissing verteidigt die Änderung des Klimaschutzgesetzes – und sich selbst. Die Erzählung vom Verkehrsminister, der nichts tue, stimme nicht.

Fr 26.04.2024 13:27Uhr 00:31 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/video-wissing-verkehr-klima100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video