Stahlarbeiter kommen zu einer Protest-Kundgebung von Beschäftigten der Thyssenkrupp-Stahlsparte.
Ein Investor soll schrittweise die Hälfte der Stahlsparte von Thyssenkrupp übernehmen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Federico Gambarini

Hörer machen Programm Verkauf eines Unternehmens: Wie viel Einfluss haben Betriebsräte?

03. Juni 2024, 09:30 Uhr

Im letzten Halbjahresbericht meldete Thyssenkrupp fast 400 Millionen Euro Verlust. In dieser Situation soll ein Investor einsteigen und schrittweise die Hälfte der Stahlsparte übernehmen. IG Metall und Betriebsräte fühlten sich vorab nicht ausreichend informiert. Eine MDR-AKTUELL-Hörerin aus Erfurt hat deshalb folgende Frage: "Ist der Konzern verpflichtet, das der Belegschaft mitzuteilen? Müssen auch kleinere Firmen ihre Belegschaft über solche Schritte informieren?

  • Thyssenkrupp hat seine Belegschaft nicht über den Einstieg eines Investors informiert.
  • Betriebsräte müssen über den Verkauf größerer oder aller Firmenanteile informiert werden.
  • Die IG Metall kritisiert das aktuelle Betriebsverfassungsgesetz

Die Wut der Betriebsräte war groß. Ganz still und leise hatte Thyssenkrupp-Chef Miguel Lopez in den vergangenen Monaten einen Investor für seinen Stahlkonzern gesucht. Und er hat ihn im tschechischen Milliardär Daniel Křetínský gefunden. Betriebsräte und IG Metall erfuhren davon aus den Medien. Und sie empörten sich darüber vorm Werkstor: "Die Art und Weise der Kommunikation mit der Mitbestimmung ist eine Sauerei sondergleichen. Das ist respektlos und eine Provokation gegenüber den Stahlbelegschaften."

Betriebsrat muss über Verkauf informiert werden

Gewerkschaftsmitglieder und Stahlarbeiter haben sich bei einer Protest-Kundgebung von Beschäftigten der Thyssenkrupp-Stahlsparte versammelt.
Der Thyssenkrupp-Deal sorgt für Proteste von IG Metall und Betriebsräten. Bildrechte: picture alliance/dpa | Federico Gambarini

Tatsächlich haben die Gewerkschafter das Recht auf ihrer Seite. Wenn es einen Betriebsrat gibt, muss dieser über einen geplanten Verkauf größerer oder aller Firmenanteile informiert werden. So sieht es das Betriebsverfassungsgesetz vor. Es handle sich um einen Auskunftsanspruch, sagt Oliver Stettes vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. "Es geht eigentlich bei dieser Information darum, den Betriebsräten zu ermöglichen, einen Eindruck zu gewinnen: Was könnte da auf uns zukommen? Entsprechende Vorkehrungen zu treffen für den Fall, dass ein Interessenausgleich verhandelt wird oder gegebenenfalls, wenn dann ein Nachteil für die Beschäftigten damit einhergeht, ein entsprechender Sozialplan ausgehandelt werden kann."

Betriebsrat darf mitreden

Wenn mit dem neuen Eigentümer Stellen gekürzt werden sollen oder sich das Geschäftsmodell ändert, dürfen Betriebsräte mitreden. Über die grundlegende Ausrichtung entscheidet am Ende aber immer der Unternehmer. Weitergehende Regeln gelten bei Aktiengesellschaften. Dort sitzen im Aufsichtsrat in der Regel auch Gewerkschafter. Und sie könnten dort Betriebsübernahmen auch , sagt Verena zu Dohna von der IG Metall. Bestimmte bedeutsame Geschäfte seien Zustimmungspflichtig. "Das ergibt sich dann aus der Satzung oder der Geschäftsordnung, die sich der Aufsichtsrat selbst gegeben hat. Das ist der Katalog der zustimmungspflichtigen Geschäfte. Und da gehört typischerweise der Verkauf oder Erwerb von Unternehmensanteilen ab einer bestimmten Größenordnung dazu", so Dohna.

IG Metall kritisert Betriebsverfassungsgesetz

Bei Thyssenkrupp haben die Gewerkschafter im Aufsichtsrat Ende Mai gegen den tschechischen Investor gestimmt. Ihr Stimmenanteil reichte aber nicht aus, um das Geschäft zu verhindern. Generell findet die IG Metall die Mitbestimmungsrechte zu gering. Das Betriebsverfassungsgesetz biete nicht ausreichend Möglichkeiten, in wirtschaftlichen Fragen mitzuentscheiden, kritisiert zu Dohna. "Wir wollen in diesen Fragen nicht am Katzentisch sitzen. Wir wollen Demokratie in Form von echter Teilhabe und deswegen haben die DGB-Gewerkschaften gemeinsam einen Gesetzentwurf vorgelegt zur Modernisierung der Betriebsverfassung. Weil wir glauben, dass die Herausforderungen: Transformation, Digitalisierung, Dekarbonisierung all diese großen Zukunftsthemen, dass die eben nur gemeinsam mit den Beschäftigten bewältigt werden können."

Wirtschaftsforscher Stettes sieht das anders: "Im Großen und Ganzen hat sich das Betriebsverfassungsgesetz bewährt. Ich warne ein bisschen davor, die Mitbestimmungsrechte auszuweiten." Stettes findet: Die aktuelle Rechtslage sei gut. In bestimmten Fragen dürften Betriebsräte mitreden. Über Grundsätzliches entscheide am Ende aber der Unternehmer.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 03. Juni 2024 | 06:20 Uhr

4 Kommentare

Wessi vor 22 Wochen

Es scheint so @ pepe79, daß der Aufsichtsrat wohl auch nicht informiert worden wäre, ansonsten müssten die Klagen des BR nicht angemessen sein.@ Nudel81...danke...manchmal ist das, auch vice versa, so.Und natürlich weiß ich, daß es Ihnen (im Gegensatz zu besonders einem unter mehreren Nicks auftretenden) nicht darum geht,Diskussionen kaputt zu machen.Sie wollen "nur" Recht haben...wie ich auch...!

pepe79 vor 22 Wochen

Die Frage ist wann der AufSIchtsrat über den Plan informiert wurde.
War es dem Aufsichtsrat schon länger bekannt sitzt da ja der Betriebsrat mit am Tisch und ist informiert. Im Artikel steht nur Abstimmung Ende Mai. Da erfolgt ja in der Regel vorher eine ausgibige Information über wirtschafliiche Lage und das für unf wider des Einstiegs/Verlkaufs. Kann mir nicht vorstellen das dies so Hals über Kopf geschah.

Wessi vor 22 Wochen

Thyssen-Krupp hat klar gegen das Gesetz gehandelt, in dem das Unternehmen der Auskunftspflicht nicht nachkam.Teile der Unternehmerschaft unterwandern die Mitbestimmung und gefährden damit den sozialen Frieden.Sie sind damit dann auch verantwortlich dafür, daß die Arbeitskämpfe härter, und die Kompromißbereitschaft der Gewerkschaften geringer werden.Dieses Handeln ist sehr kurzsichtig, denn der Erfolg der deutschen Wirtschaft liegt auch darin, daß man sich (im Gegensatz zu verglichbaren Ländern) meist sehr rational hat einigen können.

Mehr aus Wirtschaft

Mehr aus Deutschland

Nachrichten

Endlager für radioaktive Abfälle in Morsleben. 1 min
Bildrechte: IMAGO / photothek
1 min 04.11.2024 | 20:34 Uhr

Nach einem neuen Bericht der Bundesgesellschaft für Endlagerung kommen noch 44 Prozent der Fläch Deutschlands für ein Endlager in Frage.

Mo 04.11.2024 19:03Uhr 00:31 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/video-endlager-atommuell-standort-deutschland-mitteldeutschland100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video