Kirche in Bukarest rebelliert gegen Büro-Neubau Papst Franziskus besucht orthodoxes Rumänien

31. Mai 2019, 17:26 Uhr

Papst Franziskus ist von Freitag an auf Besuch im mehrheitlich orthodox geprägten Rumänien. In der katholischen Bukarester Bischofskirche Sankt Josef will er am Nachmittag eine Messe feiern. Die Gemeinde des Gotteshauses sorgt seit Jahren für Schlagzeilen mit ihrem Kampf gegen ein Immobilienunternehmen. Der Papst kennt den Streit.

Vor zehn Jahren schlug die katholische Gemeinde der Bischofskirche Sankt Josef in Bukarest auf ungewöhnliche Weise Alarm. Sie ließ stundenlang die Kirchenglocken läuten, um sich gegen den Bau eines Bürogebäudes in der Nachbarschaft zu wehren. Genützt hat der Protest wenig.

Optischer Kontrast in Bukarester Zentrum

Nur gut zehn Meter von der Bischofskirche entfernt, steht heute ein Neubau aus Stahl und Glas – er ist mehr als drei Mal so hoch wie die über 100 Jahre alte Backstein-Kathedrale. Der Name des Hochhauses mag in den Ohren vieler Gläubigen zynisch klingen: Cathedrala Plaza haben es die Investoren getauft, weil er neben dem Gotteshaus steht. Der römisch-katholische Erzbischof und Metropolit von Bukarest, Ioan Robu, betet regelmäßig, dass der Bukarester Oberbürgermeister das Hochhaus von nebenan abreißen lässt. So erzählte es Robu vor Jahren der rumänischen Nachrichtenagentur Agerpres. Ob der bis heute leer stehende Neubau wirklich wieder verschwinden soll, beschäftigt seit Jahren rumänische und europäische Gerichte.

neben der katholischen Kathedrale Sankt Josef steht ein 19-etagiges Bürogebäude
Hinten links im Bild das Büro-Hochaus - 75 Meter ist es hoch. Die katholische Sankt-Josef-Kathedrale kommt nebenan auf 22 Meter Höhe. Bildrechte: Annett Müller-Heinze

Geistlicher fühlt sich getäuscht

Der Bukarester Erzbischof Ioan Robu wehrt sich seit Jahren gegen den Büro-Neubau. Ursprünglich hatte der Geistliche eine ganz andere Meinung. Noch im November 1999 gab er in einem Schreiben an das Bukarester Kulturministerium sein prinzipielles Einverständnis für ein Bürogebäude. Heute sieht sich Robu rumänischen Medienberichten zufolge von den Architekten des Nachbar-Baus getäuscht. Er habe mit einem Fünf-Etagen-Neubau gerechnet - die zugelassene Bauhöhe in der Gegend. In Wirklichkeit erreicht das Hochhaus heute das Vierfache. Es stellt die Kirche buchstäblich in den Schatten. Doch nicht nur der optische Kontrast stört den Geistlichen, vielmehr klagt er über Risse im Gotteshaus, befürchtet, dass es bei einem schweren Erdbeben unter dem Neubau begraben wird.

Behörden unter Korruptionsverdacht

In Rumäniens Hauptstadt tobt seit langem ein Kampf um Grundstücke und Immobilien. Ausländische Investmentfonds haben sich Filetstücke in bester Innenstadtlage gesichert, um darauf Bürogebäude bauen zu lassen. Sie konnten sich dabei in der Vergangenheit gut auf den Bukarester Stadtrat verlassen, der zahlreiche Ausnahmen im Bebauungsplan für die millionenschweren Investoren erließ.

Der Bukarester Nicusor Dan hat mehrfach dagegen prozessiert und vor Gericht auch Recht bekommen. "In nur wenigen Fällen ließ sich nachweisen, dass auch Schmiergeld geflossen ist. Doch die einzige Erklärung für diese Phänomen kann nur die Korruption in den Behörden sein", sagt Dan MDR AKTUELL über die windigen Machenschaften früherer Stadträte. Der einstigen NGO-Aktivist ist durch seinen engagierten Kampf gegen die Behörden und Immobilienhaie landesweit so bekannt geworden, dass er inzwischen als unabhängiger Abgeordneter im rumänischen Parlament sitzt.     

Millionenschwere Prozessgegner

Auch der römisch-katholische Bukarester Erzbischof Robu zog bei Baubeginn 2006 umgehend Gericht. Doch der Eigentümer des Büro-Komplexes ist ein schwieriger Prozessgegner, dem es an Kapital für gute Anwälte nicht fehlt. So gehört das Bukarester Grundstück dem in den USA ansässigen Immobilieninvestmentfonds Miller Global, Eigentümer des Bürobaus ist inzwischen der millionenschwere griechische Unternehmer Ioannis Papalekas - einem der größten Investoren auf dem rumänischen Immobilienmarkt.

Auf der Website des Projektes wird damit geworben, dass die Stadtverwaltung monatlich über 500.000 Euro an Steuern einnehmen könnte, würde das Hochhaus endlich in Betrieb genommen. Seit 2010 sind die Bauarbeiten abgeschlossen, doch noch läuft der Rechtsstreit, ob das Haus bezogen werden darf oder nicht.

Komplexes Baurecht in Rumänien

Stadtansicht von Bukarest, großflächige Werbung an Häusern
Dieses Haus in Bukarest müsste renoviert werden. Da das Geld fehlt, dient das Haus seit Jahren als Werbefläche. Bildrechte: Annett Müller-Heinze

Vor Jahren sah sich die katholische Gemeinde der Sankt-Josef-Kathedrale schon am Ziel. So urteilte 2010 ein rumänisches Gericht, das die von einem Bukarest Stadtteil-Bürgermeisteramt ausgegebene Baugenehmigung nicht rechtens sei, der Neubau wäre damit auf illegale Weise entstanden.

Zwei andere Gerichte entschieden später, dass das Hochhaus von der Stadtverwaltung abgerissen werden müsse. Doch das rumänische Baurecht ist komplex und vielfach interpretierbar. Investoren, die keine Baugenehmigung nachweisen können, können sie sich auch nachträglich bei der Stadt einholen. Genau darauf pocht jetzt der Hochhaus-Betreiber, die Millenium Building Development S.R.L., in einem Bukarester Gerichtsprozess.

Muss das Hochhaus abgerissen werden?

Haben damit die Investoren nicht die besseren Karten? Nein, meint Abgeordneter Dan, der glaubt, dass das Unternehmen dennoch den Prozess verlieren wird. So hat nach Ansicht von Dan die Millenium Building Development S.R.L. in einer ausgewiesenen Schutzzone der Hauptstadt gebaut, in der strenge Auflagen für die Bauhöhe der Häuser gelten. Fünf Etagen sind in der Gegend erlaubt, nicht aber 19 Etagen wie beim Bürohochhaus.

Sollten die Bukarester Richter das auch so sehen, müsste laut einem älteren Urteil das Hochhaus abgerissen werden. Es wäre ein rumänienweit einmaliger Vorgang. Fest steht bislang nur, dass das Oberbürgermeisteramt für den Rückbau verantwortlich ist. Laut Stadtverwaltung wird der Abriss mehrere Millionen Euro kosten. Ob eine solche Ausgabe berechtigt sei, sollen dann die Bürger entscheiden, heißt es schon jetzt von der Verwaltung.

(amue)

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Papst-Besuch in Rumänien Rumänien pflegt als mehrheitlich orthodox geprägtes Land enge ökumenische Kontakte zum Vatikan. Dass Papst Franziskus in den kommenden drei Tagen durchs Land touren wird, ist damit auch für viele orthodoxe Gläubige ein Highlight. Das römisch-katholische Oberhaupt will am Freitag in der Bukarester Bischofskirche Sankt Josef eine Messe feiern. Bei seiner Ankunft wird der Papst auch am umstrittenen Bürohochhaus vorbeikommen, das in der katholischen Gemeinde in Bukarest für viel Ärger sorgt. Mehr als 80 Prozent der Rumänen bekennen sich zur rumänisch-orthodoxen Kirche. Knapp sechs Prozent der Bevölkerung sind Katholiken.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 01. Juni 2019 | 05:13 Uhr

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