Hinweisschild vor einem Krankenhaus mit den Richtungsangaben zur Notfallaufnahme, Krankenhaus und Altenpflegeheim.
Der Weg zur nächsten Klinik ist vor allem in der Altmark häufig weit. Bildrechte: IMAGO / photothek

Zukunft der Krankenhäuser Zu viele Betten, zu wenig Personal: Gutachten sieht Reformbedarf bei Kliniken

04. April 2023, 20:11 Uhr

Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne hat ein Gutachten zur Situation der Krankenhausversorgung vorgestellt. Darin wird eine stärkere Spezialisierung der Kliniken empfohlen. Es fehlt an Personal, die wirtschaftliche Lage ist angespannt. Außerdem wird für den Norden Sachsen-Anhalts eine medizinische Unterversorgung auch bei Basisangeboten festgestellt.

Sachsen-Anhalts Bevölkerung ist mit den 54 Krankenhausstandorten und 45 Kliniken im Land gut mit medizinischen Leistungen versorgt. Das ist nach Agaben der Staatskanzlei eines der Ergebnisse eines Gutachtens zur Zukunft der Krankenhauslandschaft in Sachsen-Anhalt. Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) hat erste Resultate des Gutachtens am Dienstag vorgestellt.

Weiter heißt es: Während die Situation in den Ballungszentren sehr gut sei, sei die Altmark dagegen medizinisch unterversorgt. Im nördlichen Sachsen-Anhalt habe man unter anderem teilweise lange Fahrzeiten – auch bei Angeboten der Basisversorgung.

Zu viele Betten, zu wenig Personal

Die Gutachter kommen zum Ergebnis, dass der Mangel an medizinischem Fachpersonal in den nächsten Jahren dazu führen werde, dass bestimmte Leistungen in Kliniken nicht mehr angeboten werden können. Dies betreffe beispielsweise einige Kinderkliniken oder Geburtsabteilungen.

2021 standen in Sachsen-Anhalt rund 14.600 Betten in Kliniken für die vollstationäre Versorgung zur Verfügung. Bezogen auf die Einwohnerzahl stellen die Gutachter eine überdurchschnittliche Kapazität fest. Aufgrund demografischer Faktoren und der Tatsache, dass immer mehr Leistungen ambulant erbracht werden, könnten bis 2035 rund 2.000 bis 4.000 Betten abgebaut werden. "Das Hauptproblem ist der Fachkräftemangel, das Geld ist im Zweifel da", sagte Gutachter Matthias Schatz.

Gutachten zur Krankenhausversorgung Mit dem Gutachten hat die Koalition aus CDU, SPD und FDP den Zustand der Kliniken in Sachsen-Anhalt umfassend untersuchen lassen. Begutachtet werden die Strukturen inklusive Notfallversorgung und Fachkräftebedarf bis zum Jahr 2035.

Jetzt wurden erste Ergebnisse des Gutachtens vorgestellt. In den kommenden Wochen soll es abgeschlossen werden. Dann auch unter Berücksichtigung der Krankenhausreform des Bundes, die Grundlage für die weiteren Planungen im Land sein soll.

Das Projekt hatte monatelang für Diskussionen gesorgt. Einigkeit herrschte in der Regierungskoalition aber darüber, alle Klinikstandorte zur medizinischen Versorgung zu erhalten. Insgesamt gibt es in Sachsen-Anhalt aktuell 45 Krankenhäuser.

Eine Basisversorgung mit internistischen und chirurgischen Leistungen solle auch weiterhin wohnortnah möglich sein, heißt es. Je spezialisierter die Eingriffe sind, desto stärker sollten diese aber an großen Krankenhäusern und Universitätskliniken konzentriert werden.

Im Bereich der Kardiologie und der Schlaganfallversorgung stellen die Gutachter Defizite fest. Es würden zu viele Patientinnen und Patienten in Kliniken behandelt, die dafür nicht geeignet sind, weil beispielsweise die entsprechende Ausstattung fehle. Es sei eine bessere Steuerung notwendig, damit bereits Verdachtsfälle in die geeigneten Krankenhäuser kämen.

Über das Gutachten Mit der Erstellung des Gutachtens wurde die PD – Berater der öffentlichen Hand GmbH mit Sitz in Berlin beauftragt. Die Gesellschaft ist ein Beratungsunternehmen für Bund, Länder, Kommunen sowie andere öffentliche Körperschaften und Einrichtungen und zu 100 Prozent in öffentlicher Hand. Das Land Sachsen-Anhalt ist wie andere Länder auch selbst Gesellschafter.

Quelle: Staatskanzlei Sachsen-Anhalt

Finanzielle Situation der Kliniken

Vor der Vorstellung des Gutachtens hat der Lobbyverband der Kliniken Kritik geübt. Die wirtschaftliche Lage der Kliniken sei so schlecht wie nie, so das Fazit der Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt (KGSAN) in ihrer neuesten Umfrage.

71 Prozent der 24 befragten Kliniken bewerteten ihre aktuelle wirtschaftliche Lage als schlecht beziehungsweise eher schlecht, vier Prozent sogar als sehr schlecht. Mehr als die Hälfte der Krankenhäuser erwarte für das abgelaufene Jahr erhebliche finanzielle Verluste. Lediglich ein Viertel der Klinken rechne noch mit einem ausgeglichenen Ergebnis.

Kliniken warten vergebens auf Soforthilfen

"Das alles ist alarmierend", warnt der KGSAN-Vorsitzende Wolfgang Schütte und erklärt weiter: "Die wirtschaftliche Lage wird sich weiter zuspitzen". Es müsse gegengesteuert werden, man könne nicht auf eine Reform warten. Erforderliche Soforthilfen müssten jetzt fließen. Im Jahr 2022 klaffte landesweit laut der Gesellschaft eine Finanzlücke von 194 Millionen Euro. Das Defizit werde sich im laufenden Jahr voraussichtlich auf rund 450 Millionen Euro mehr als verdoppeln.

Wer ist die KGSAN? Die Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt ist der freiwillige Zusammenschluss der Träger der Krankenhäuser, ihrer medizinischen Versorgungszentren und ihrer Verbände im Land. In Sachsen-Anhalt sind insgesamt 45 Krankenhäuser an 54 Standorten für die medizinische Versorgung der Bevölkerung zuständig. Jährlich werden mehr als eine halbe Million Bürgerinnen und Bürger stationär oder ambulant behandelt.

Grund seien die allgemein gestiegenen Preise für Energie und Lebensmittel sowie die wachsenden Personalkosten. Zudem komme die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) versprochene Entlastung für die massiv gestiegenen Energiepreise bei den Krankenhäusern nicht an, weil unter anderem die bürokratischen Hürden zu hoch seien.

Flankiert wird die Debatte in Sachsen-Anhalt von Reform-Plänen des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) für die Krankenhäuser. Sie sehen unter anderem vor, Behandlungen mehr ambulant statt stationär stattfinden zu lassen, Kliniken mehr zu spezialisieren und die Abrechnungsmodalitäten zu ändern, die vor allem auf der Zahl der Patienten fußen. Einige Bundesländer laufen gegen die Reformpläne Sturm, weil sie sich nicht in ihre eigene Krankenhausplanung reinregieren lassen wollen.

dpa, MDR (Jörg Wunram, Uli Wittstock, André Plaul, Hannes Leonard)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 04. April 2023 | 16:00 Uhr

13 Kommentare

Wagner am 05.04.2023

Überbelegung gibt es in den seltensten Fällen.Auch zu Corona gab es keine Überbelegung.Da wurden „normale“Behandlungen abgesagt bzw verschoben. Hätte es Überbelegung gegeben,wäre die Diskussion um Ausgleiche vollkommen fehl am Platz gewesen.

AlexLeipzig am 05.04.2023

"gehen?Etliche Ärzte sind Naturfreunde,haben Pferde ,reiten usw..Da ist das doch attraktiv". Naja, ich fürchte, wenn der Arzt alle 3 Tage 24h-Schichten wegen Personalmangel "schrubbt", hat er nicht mehr so viel davon...

AlexLeipzig am 05.04.2023

Die Anzahl der Betten und damit auch des Personals nach der durchschnittlichen Belegung zu planen finde ich allerdings unzureichend. Gibt es doch, wie wir in letzter Zeit immer wieder vor Augen geführt bekommen haben, immer wieder Infeltionswellen und andere nicht planbare Einflüsse, die zu einem zeitweise erhöhten Patientenaufkommen führen. Dann kann so eine nach durchschnittlicher Belegung geplante Station sehr schnell "volllaufen", also überlastet werden. Wenn im Schnitt 75% der Betten belegt sind, heißt das nicht, daß es nicht Zeiten mit 100% Belegung oder gar Überbelegung gibt. Dann werden Patienten zum Teil auf fachfremde Stationen mit entsprechend fachfremden Personal verlegt, was nicht im Sinne der Qualität ist.

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