Home-Office Was vom Arbeitsalltag in der Corona-Pandemie bleibt
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12. März 2023, 15:15 Uhr
Heimarbeit statt Büro – der Corona-Lockdown war auch eine Revolution des Arbeitsalltags vieler Büroangestellter. Arbeitgeber haben Mitarbeitende nach Hause geschickt. Das Home-Office war zeitweise sogar Pflicht. Inzwischen haben Firmen ihre Angestellten wieder ins Büro geholt. Für andere gehört Home-Office zum Arbeitsalltag. Drei Jahre Home-Office: Eine Bestandsaufnahme.
- Arbeiten abseits des angestammten Arbeitsplatzes – diese Entwicklung hat die Corona-Pandemie beschleunigt.
- Während der Pandemie gab es sogar eine Home-Office-Pflicht, inzwischen rücken Arbeitgeber davon wieder ab.
- Viele Arbeitnehmer haben im Home-Office gute Erfahrungen gemacht, zeigt eine aktuelle Studie.
Jens Kirchhoff gehört als IT-Spezialist zu den Leuten, von denen man sagt, sie könnten eigentlich überall arbeiten – so lange es nur einen Internetanschluss gibt. Er ist als Sachgebietsleiter bei der Kreisverwaltung des Salzlandkreises dafür zuständig, dass die 850 Mitarbeiter Computerprogramme nutzen können. "Wir haben circa 330 Anwendungen im Salzlandkreis, die installiert sind", sagt er.
Und so arbeitet Jens Kirchhoff in der Kreisverwaltung des Salzlandkreises in Bernburg und zuhause in Barby – und mitunter auch in einem Büro im Depot der Feuerwehr. Denn Jens Kirchhoff ist im Ehrenamt Ortswehrleiter.
Arbeitstage wie im Büro
Seine Arbeitstage in Barby laufen im gleichen Takt wie sonst auch im Büro. Morgens schaltet er den Rechner ein. Seine Kollegen sehen, dass er online ist. Mit ihnen kommuniziert er auch über ein Chatprogramm. Was für ihn wegfällt, ist die Fahrstrecke – fast eine halbe Stunde braucht er mit dem Auto von Barby nach Bernburg. Wenn er nicht ins Büro muss, spart er also eine Stunde Zeit am Tag. Aber, nicht jeden Tag. "Meine Frau führt ebenfalls Telearbeit durch. Und wir haben wir uns so abgestimmt, dass wir das nicht am selben Tag machen." Wegen der Lautstärke und wegen Terminabstimmungen.
Home-Office vs. Telearbeiten
Arbeiten in den eigenen vier Wänden, Home-Office, heißt bei der Kreisverwaltung, wie auch bei vielen anderen Arbeitgebern, Telearbeiten. Dafür gibt es einen rechtlichen Grund. Telearbeit ist in der Arbeitsstättenverordnung gesetzlich geregelt. Sie ist an einen Ort und an feste Zeiten gebunden. Und dann gibt es noch das Mobile Arbeiten. Die Konditionen regeln Arbeitgeber und Arbeitnehmer über Betriebsvereinbarungen oder Absprachen. Wer mobil arbeitet, kann das in der Bahn, im Hotel, an einem Einsatzort oder eben zuhause.
In der Corona-Pandemie gab es zeitweise eine Home-Office-Pflicht. Arbeitgeber mussten ihren Angestellten die Möglichkeit geben, von zuhause aus zu arbeiten, wenn das möglich war. 56 Prozent der Arbeitsplätze könnten zumindest teilweise ins Home-Office verlagert werden, hatte die Bundesabeitsagentur damals geschätzt.
In Telearbeit gehen konnten Mitarbeitende der Verwaltung des Salzlandkreises schon vor Corona. Die Corona-Pandemie habe die Entwicklung aber beflügelt, sagt Landrat Markus Bauer (SPD). 400 der 850 Mitarbeitenden der Kreisverwaltung hätten teilweise Telearbeit genehmigt bekommen. 100 Prozent von Zuhause arbeitet hier aber niemand. Die Leistungen der Beschäftigten wären nicht gesunken. Im Gegenteil: Familie und Beruf würden sich besser vereinbaren lassen.
Richtige Vorbereitung ist entscheidend
Die Kreisverwaltung hat sich vorbereitet. Arbeitsabläufe, Prozesse dokumentiert, sich die Stellenbeschreibungen angesehen. "Ist die Stelle überhaupt für Telearbeit geeignet? Wie werden Aufgaben übertragen?", sagt Markus Bauer. "Wie gehe ich dann mit dem Raum um, der dann frei ist, der freigezogen wird, weil der Mitarbeiter ja in einem anderen Umfeld arbeitet?" Strom, Heizung, Raumreinigung – das alles mitzudenken, gehöre zur Strategie. Quasi nebenbei spart das Telearbeiten auch Kohlenstoffdioxid. Rund 14,7 Prozent hat die Kreisverwaltung im Januar eingespart, das steht auf der Homepage des Salzlandkreises.
Allerdings: das Büro der Zukunft liegt nicht Zuhause. Jedenfalls nicht die ganze Woche über. "Was wir auf alle Fälle geregelt haben ist, dass die Dienstberatungen und die Absprachen physisch zu erfolgen haben." Videokonferenzen würden nicht alles ersetzen. Und Führungskräfte hätten erhöhte Verantwortung, sagt Markus Bauer. Sie müssten Ergebnisse einfordern, Aufgaben lenken.
Vernetztes Arbeiten in der Wirtschaft
Mit vernetztem Arbeiten beschäftigt sich auch Marco Langhof, Geschäftsführer der Teleport-GmbH. Einer Firma, die digitale Infrastruktur für Unternehmen und Verwaltungen konzipiert, errichtet und betreibt. Videokonferenzen sind für ihn Alltag. Schon vor Corona hat der IT-Unternehmer versucht, Arbeitsprozesse in seiner Firma so zu organisieren, dass sie von jedem Punkt der Welt zu jeder Zeit erledigt werden können. Das lasse sich allerdings nicht verallgemeinern.
"Es gibt Situationen, wo Menschen im Home-Office produktiver sind. Ich gucke da gern, wenn ich in mein eigenes Unternehmen schaue, auf die Programmierer, die gern ungestört in einer für sie absolut passenden Umgebung arbeiten. Da haben wir tatsächlich Home-Office-Quoten von bis zu 80 Prozent.", sagt Marco Langhof. Etwas grundsätzliches ist ihm wichtig: Zuhause arbeiten ist nicht für jeden Arbeitnehmer gleichermaßen geeignet. Für Familien mit Kindern wäre Zuhause zu arbeiten gar nicht so einfach. Da hätten Arbeitgeber auch eine Verantwortung.
Marco Langhof ist auch Präsident des Arbeitgeberverbandes - und fordert flexiblere Regelungen zur Arbeitszeit. Das Denken in der Politik sei noch immer von Zeiten geprägt, in denen die Fabriksirene irgendwo getutet habe und die Leute durchs Tor gegangen seien. Das Arbeitsrecht sei sehr starr in Bezug auf die maximale Arbeitszeit und auf bestimmte Zeitperioden, in denen überhaupt nicht gearbeitert werden dürfe. Das habe mit der heutigen Bürowelt nichts mehr zu tun.
Die Grenzen des Büroalltags Zuhause
Doch drei Jahre nach dem ersten Lockdown sind vielerorts die Büros wieder voller. Mitarbeiter wieder in die Firma geholt hat zum Beispiel ein Dienstleister für die Baubranche aus dem Salzlandkreis. Ein kleines Unternehmen, dessen Eigentümer seinen Namen und den Namen der Firma nicht im Internet lesen möchte. "Dass eine Frau mit ein, zwei, drei Kindern nicht einfach so von zu Hause arbeiten kann und da acht Stunden ihren Dienst tut, da ist klar, dass das nicht einfach so funktioniert."
Und das sei dann genauso schwierig für den Arbeitgeber. Vertrauen ist ein großes Thema. Messbare Arbeitsergebnisse zu erreichen aber auch. Der Arbeitnehmer habe das Gefühl: Mein Chef traut mir nicht. Und als Geschäftsführer habe man immer bedenken, was der oder diejenige gerade zuhause macht. "Es ist schwer, damit umzugehen."
Und dann gebe es noch die Kollegen, die im Büro arbeiten müssten, die nicht die Möglichkeit hätten, ins Home-Office zu gehen. "Dann entstehenden Spannungsverhältnisse, die man sich eigentlich nicht wünscht, für sein Team.", sagt der Unternehmer. "Wenn es irgendwie geht, sind wir hier in der Firma." Alles in allem sei das eher belastend, als eine dauerhafte Lösung. "Ich würde niemals auf die Idee kommen, in Zukunft dauerhaft Mitarbeiter von Zuhause aus arbeiten zu lassen."
Home-Office kommt mit Einschränkungen gut an
Der überwiegende Teil der Arbeitnehmer scheint allerdings ganz gute Erfahrungen mit der Arbeit von Zuhause aus zu haben. Eine Umfrage der Kaufmännischen Krankenkasse KKH hat ergeben, dass 61 Prozent der Arbeitnehmer, die ihren Bürojob schon einmal von Zuhause aus erledigt haben, überwiegend positive Erfahrungen damit gemacht haben. Die Studie hat allerdings auch gezeigt: bei jedem fünften Berufstätigen schlägt das Home-Office aufs Gemüt. Niedergeschlagenheit und Depression haben zugenommen. Der größte Pluspunkt des Arbeitens Zuhause aber: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Und auch die Vereinbarkeit von Beruf und Ehrenamt kann einen Mehrwert bringen. Für die Allgemeinheit. IT-Spezialist Jens Kirchhoff kann an seinen Telearbeitstagen auch als Feuerwehrmann an seinem Wohnort zum Einsatz gerufen werden. Vor kurzem konnte die Feuerwehr in Barby die Landung eines Rettungshubschraubers absichern. Zu diesem Einsatz hätte er wohl nicht ausrücken können, wenn er nicht zuhause gearbeitet hätte. Jens Kirchhoff wünscht sich, dass die Regelungen seines Arbeitgebers dauerhaft beibehalten werden.
Weniger Zeit im Home-Office
Allerdings arbeiten inzwischen Menschen weniger im Home-Office, als noch während der Corona-Pandemie. Bis zu 35 Prozent der Menschen haben damals zuhause gearbeitet. 2022 ging der Anteil auf etwa 28 Prozent zurück. Das ist das Ergebnis einer Studie der Barmer-Krankenkasse und der Universität St. Gallen. Zugleich würden hybride Arbeitsmeetings an Bedeutung gewinnen. Also, Besprechungen, bei denen einige Teilnehmer im Büro sitzen und andere per Videokonferenz zugeschaltet werden. Arbeit insgesamt dürfte hybrider werden. Also, on- und offline stattfinden.
MDR (Tom Gräbe)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 12. März 2023 | 12:00 Uhr
Shantuma am 12.03.2023
So manchmal frage ich mich ob in Zusammenhängen denken irgendwie verloren gegangen ist.
Die Milchmädchen-Rechnung mit dem geringeren Energieverbrauch bei der Verwaltung mag stimmen, doch wird diese Energie dann woanders verbraucht.
Für eine Firma ist gut funktionierendes Home-Office durchaus lohnenswert, da man so auch Energiekosten "senken", besser gesagt verteilen, kann.