Wind-an-Land-Gesetz Windenergie-Ausbau: Sachsen-Anhalt fordert Ausgleich für Betroffene

08. Juli 2022, 19:47 Uhr

Bei der Windenergie steht Sachsen-Anhalt besser da als manch anderes Bundesland. Doch nun sieht das am Freitag beschlossene neue Wind-an-Land-Gesetz vor, dass Sachsen-Anhalt auch künftig mehr Fläche für Windräder als der Bundesdurchschnitt zur Verfügung stellt. In der Landespolitik will man dafür kompensiert werden. Zudem wird um die Anerkennung alter Windparks gerungen.

Thomas Vorreyer
Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Innerhalb der nächsten zehn Jahre sollen in Deutschland zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie zur Verfügung gestellt werden. Das sieht das Wind-an-Land-Gesetz vor, das am Freitag nach dem Bundestag auch den Bundesrat passierte. Die einzelnen Bundesländer bekommen allerdings unterschiedliche Vorgaben. Sachsen-Anhalts Landesregierung und die Landtagsfraktionen von SPD und FDP haben deshalb weiteren Gesprächsbedarf angemeldet. 

So gehört Sachsen-Anhalt zusammen mit Thüringen zu insgesamt sieben Bundesländern, die mehr als der Bundesdurchschnitt von zwei Prozent der Landesfläche für Windräder ausweisen sollen. Konkret sind es 2,2 Prozent. Von Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland werden dagegen 1,8 Prozent erwartet.

Haseloff spricht von "gesellschaftlichem Sprengstoff"

Im Bundesrat stellte sich Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) am Freitag hinter den Ausbau der erneuerbaren Energien. Gerade der Süden und Westen Deutschlands müsste da nun nachziehen, sagte er. Das helfe schließlich mit, die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren, wenn so Erdgas bei der Gasverstromung eingespart werden könne.

Gleichzeitig forderte Haseloff weitere Anstrengungen bei der Erweiterung der Verteilernetze und der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Vor allem wandte er sich gegen unterschiedliche Flächenziele für die Bundesländer. Diese müssten "korrigiert oder ausgeglichen werden", so Haseloff. Er sprach von "gesellschaftlichem Sprengstoff", der in dieser Diskussion stecke.

Forderung nach Geld für Kommunen und niedrigere Strompreise

Die Forderungen nach einem solchen Ausgleich kommen von der SPD und der FDP im Land. Erst am Donnerstag hatte die SPD-Landtagsfraktion ein entsprechendes Positionspapier veröffentlicht. Darin fordern die Sozialdemokraten eine "direkte Reduzierung des Strompreises" für die Menschen vor Ort sowie Zahlungen an Kommunen, in denen Windkraftanlagen entstehen sollen. Ähnlich hatten sich CDU, SPD und FDP bereits in ihrem Koalitionsvertrag geäußert. Wind- und Sonnenenergie könnten so zu "Bürgerenergien" werden, hieß es damals.

Die FDP sieht vor allem eine Ungleichbehandlung, weil Sachsen-Anhalt bereits viel bei der Windenergie leiste. Landesinfrastrukturministerin Lydia Hüskens (FDP) kritisierte die neue Regelung vor dem Bundesrat. In ihrer Rede, die zu Protokoll gegeben wurde und dem MDR vorliegt, sagte Hüskens, es sei "ein vollkommen falsches Signal", wenn Länder, die in der Vergangenheit bereits viel für den Ausbau getan hätten, nun höhere Ziele erfüllen sollten. Damit würden jene Länder belohnt, "die bisher anderen die Arbeit überlassen haben", so Hüskens weiter.

Land und Bund suchen Lösung für veraltete Windkraftanlagen-Bestände

Allerdings zählte der Bund im Jahr 2020 in Sachsen-Anhalt nur 0,8 Prozent der Landesfläche als rechtswirksam ausgewiesene Flächen für Windenergie. Laut Landesumweltministerium sind es aktuell 1,08 Prozent. Auf weiteren rund 0,7 Prozent der Landesfläche Sachsen-Anhalts stehen sogenannte Altanlagen. Infrastrukturministerin Hüskens will, dass auch diese Flächen dem Land angerechnet werden.

Laut eines Sprechers des Landesumweltministerium suche man derzeit mit dem Bund nach einer Lösung. Das Ziel sei, einen "Großteil der Flächen" anerkannt zu bekommen. Auf diesen könnten alte Windkraftanlagen dann im sogenannten Repowering durch neue ersetzt werden. Dafür, so der Sprecher, seien "gesetzliche und planungstechnische Anpassungen" notwendig.

Diese versprach Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Bundesrat. Habeck richtete aber auch einen Appell an die Länder: "Die bessere Aufstellung von planerischen Prozessen ersetzt keine Leadership", mahnt er. Die Länder müssten nun mit "Hochdruck" am Ausbau erneuerbarer Energien zu arbeiten.

Sachsen-Anhalts Umweltminister Armin Willingmann (SPD) hatte zuletzt erklärt, er halte es für möglich, dass das Land die neuen Vorgaben erreicht. Man sei in einer guten Ausgangslage.

Woher kommen die 2,2 Prozent Flächenziel für Sachsen-Anhalt? Der Verteilungsschlüssel hinter dem Gesetz orientiert sich an einem Gutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums. Dieses weist für Sachsen-Anhalt theoretisch 3,9 Prozent, in einem anderen Szenario sogar 6,5 Prozent der Landesfläche als windkrafttauglich aus. Bei einer konservativeren Rechnung einer Forschungsgruppe der Leibniz Universität Hannover hat Sachsen-Anhalt wiederum das größte Ausbaupotenzial aller Bundesländer.

Drei Bundesländer haben derweil ihre Flächenziele für 2032 bereits fast erreicht. Das Saarland, Hessen und Schleswig-Holstein weisen nach eigenen Angaben schon jetzt zwischen 1,8 und zwei Prozent ihrer Landesfläche aus. Zum Vergleich: Thüringen steht bei 0,4 Prozent Landesfläche, Sachsen bei 0,3 Prozent, Baden-Württemberg sogar bei nur 0,2 Prozent. Die Zahlen hatte die dpa abgefragt.

Anteil Erneubarer am Stromverbrauch soll auf 80 Prozent steigen

Die jetzt diskutierten Vorgaben für die Bundesländer hätten kurzfristig nur geändert werden können, wenn ein Bundesland den gemeinsamen Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat angerufen hätte. Darauf hatte Sachsen-Anhalt verzichtet. Am Ende stimmte die Landesregierung für das gesamte Gesetzespaket, zu dem auch das Wind-an-Land-Gesetz gehört.

Das Paket mit Energiemaßnahmen wurde vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine und Klimaschutzzielen erarbeitet. Die Koalition im Bund will so den Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms bis 2030 auf mindestens 80 Prozent des Stromverbrauchs steigern. Derzeit liegt er bei knapp unter 50 Prozent.

Im bundesweiten Ranking der Windstromproduzenten belegte Sachsen-Anhalt 2021 Platz fünf. Seit rund fünf Jahren kommt aber kaum noch zusätzlicher Strom aus neuen Anlagen hinzu.

MDR (Thomas Vorreyer), dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 08. Juli 2022 | 11:00 Uhr

20 Kommentare

Anni22 am 10.07.2022

Das ist weil die Meisten "Strom" nicht verstehen. Die denken , dass ist wie ein Wasserbehälter, man füllt ein was gerade da ist und nimmt raus , was man braucht. Der Wasserstand ist also mal höher und mal niedriger. Bei Strom funktioniert das aber so nicht, der "Pegel" muss im Millimeterbereich konstant sein und zwar immer, jederzeit, sonst bricht der ganze Spaß zusammen. Deshalb wird einfach abgeregelt und bei Flaute muss die entsprechende Menge ziemlich konstant über andern Kraftwerke ausgeglichen werden. ES ist tasächlich sehr kompliziert ein Stromnetzt stabil zu halten! Da kann nicht mal soviel und mal soviel Strom ins Netz eingespeist sein. Vielleicht wird es so verständlicher?!

Kritiker am 10.07.2022

DaB: EINE RICHTIGE FESTSTELLUNG/ERWARTUNG das Windparks in der Nähe von Industriecentren und Ballungsräumen zu errichten sind. Die Begründung dazu sei nachvollziehbar! WÜRDE den Weg öffnen, dass zahlreiche private Haushalte als Eigentümer von Ein.- oder Zweifamilienhäuser samt Grundstücke sich gerade auf dem Lande für andere eigene Stromgewinnung und Nutzung entscheiden könnten und es auch würden. Nur würde dann der Energiewirtschaft eine große Anzahl zahlende Stromkunden verloren gehen. Das ist das Verwerfliche jeglicher Festschreibung, das Bürger ohne landesweite Energieversorgung (aller Energieverbraucher) und deren Bezahlung NICHT VERLOREN GEHEN DÜRFEN.

DER Beobachter am 09.07.2022

Interessantes Dokument des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vom 10.Februar 2021: "Regelungen des Mindestabstands von Windenergieanlagen zu
Wohngebieten in ausgewählten europäischen Staaten. Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 001/21. Abschluss der Arbeit: 10. Februar 2021. Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung"

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