Pro und Contra Brockenstammtisch: Diskussion über Windkraftanlagen im Harz
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21. Oktober 2024, 16:36 Uhr
Der Harz war bisher für Windkraftanlagen tabu – wegen seiner großen Bedeutung für den Tourismus und seiner Natur, und weil Windräder in Wäldern in Sachsen-Anhalt nicht gestattet waren. Doch das Verbot wurde aufgehoben. Auch der Harzkreis muss nun gesetzliche Forderungen nach Vorhalteflächen für Windkraftanlagen erfüllen. Doch es gibt schon jetzt viel Widerstand dagegen. Das war Diskussionsthema beim traditionellen Brockenstammtisch.
Die Hosenbeine flattern. Schützend werden Hände vor die Gesichter gehalten. Die kurze Strecke vom Brockenbahnhof zum Tagungsort in der Gipfelgaststätte reicht, um die Teilnehmer am Brockenstammtisch ordentlich durchzupusten. Wer es bisher nicht wusste, weiß es jetzt: Auf den Harzer Gipfeln weht der Wind besonders kräftig.
Dieses Potential soll künftig genutzt werden, nicht auf dem Brocken, denn der gehört zum Nationalpark und ist so besonders geschützt. Doch jenseits der Nationalparkgrenzen sollen Windräder auch in dem Mittelgebirge errichtet werden können. So will es die Landesregierung. Sie hat im Sommer das Waldgesetz entsprechend geändert. Es müssen nun Flächen für Windradstandorte ausgewiesen werden.
Harz: 1,6 Prozent der Fläche für Windkraft nutzen
Nur 1,6 Prozent der Fläche seien es im Landkreis Harz, im Gegensatz zu den 2,3 Prozent, die die anderen regionalen Planungsgemeinschaften in Sachsen-Anhalt bis Ende 2032 ausweisen müssten, gibt Armin Willingmann zu bedenken. Damit seien die besondere Topografie und die besondere Funktion des Harzes als Erholungs- und Tourismusstandort berücksichtigt, so der Minister für Umwelt und Energie des Landes Sachsen-Anhalt.
Der SPD-Politiker ist zum Brockenstammtisch gekommen, um für Akzeptanz für diese Windenergiestrategie zu werben. Auf der Veranstaltung scheint ihm das ganz gut zu gelingen. Der Minister erhält nur wenig Widerspruch. Nichts zu tun, sei der falsche Weg, sagt etwa der CDU-Landrat des Landkreises Harz, Thomas Balcerowski. Er plädiert dafür, dass die Kommunen Flächen für Windkraftanlagen ausweisen. Damit könnten sie den Bau der Anlagen steuern, sonst könnten theoretisch überall Windräder gebaut werden. Das wäre ein Desaster, so der Landrat.
Das Land Sachsen-Anhalt plant bis zum 31. Dezember 2027 mindestens 1,8 Prozent der Landesfläche für den Ausbau von Windkraft ein – mindestens 2,2 Prozent sollen es bis zum 31. Dezember 2032 sein. Um diese Ziele umzusetzen, wird das Landesentwicklungsgesetz angepasst und darin diese Planungsregionen mit ihren regionalen Teilflächenzielen notiert:
Planungsregion | Teilflächenziel bis 31.12.2027 in Prozent | Teilflächenziel bis 31.12.2032 in Prozent | Fläche der Planungsregion in Quadratkilometer |
---|---|---|---|
Altmark | 1,9 | 2,3 | 4.718,84 |
Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg | 1,9 | 2,3 | 3.633,40 |
Halle | 1,9 | 2,3 | 3.711,07 |
Harz | 1,2 | 1,6 | 2.826,16 |
Magdeburg | 1,9 | 2,3 | 5.574,55 |
Uneinigkeit bei Tourismusverband und Waldbesitzern
Beim Harzer Tourismusverband, dessen Geschäftsführerin zum Stammtisch gekommen ist, wolle man lieber kein Statement abgeben. Zu uneinig seien die Mitglieder in der Frage. Auch beim Landesverband Sachsen-Anhalt der Waldbesitzer ist es ähnlich. Thorsten Nothwehr aus Wienrode, Mitglied im Landesvorstand, erklärt, die Hälfte der Mitglieder sei für solche Anlagen. Die anderen rund 50 Prozent würden aber sagen: Das kommt gar nicht infrage. Vor allem Besitzer stark geschädigter Flächen würden die in Aussicht stehenden Einnahmen aus der Windenergieerzeugung gut gebrauchen können, um die Wiederaufforstung finanzieren zu können.
Windkraft-Kritiker wurden nicht eingeladen
Doch richtig Contra gibt auf dem Brocken niemand. Die eigentlichen Kritiker der Windradpläne sind auch nicht eingeladen.
Der Brockenstammtisch ist ein regelmäßiges Treffen von regionalen Verbandsvertretern und Landes- und Kommunalpolitikern. So ist es auch diesmal.
Er wäre gern dabei gewesen, um seine Argumente anzubringen, sagt zum Beispiel Axel Schmelzer. Der Mann aus Schielo, einem Ortsteil von Harzgerode im Unterharz, engagiert sich in der Bürgerinitiative "Harzgerode windkraftfrei". Rund um Harzgerode sollen Flächen für Windräder ausgewiesen werden. Ihm gehe es darum, den Naturraum zu erhalten. Schmelzer kommentiert: "Wir können doch nicht etwas einsetzen, um die Natur zu erhalten, und sie gleichzeitig damit zerstören. Das ist für uns nicht nachvollziehbar."
Auch wenige Kilometer weiter westlich regt sich Widerstand gegen Windradpläne. Im kleinen Ort Breitenstein demonstrierten im Frühjahr dieses Jahres Anwohner gegen Windradpläne. Nahe des Ortsrandes sollen 18 riesige Windräder aufgestellt werden. Das sei landschaftszerstörend, sagt Bernd Ohlendorf, der die Bürgerinitiative "Pro Südharz" mitgegründet hat. "Wald soll Wald bleiben. Mit solchen Anlagen schädigt man den Wald", so der Fledermausexperte. Er verweist auf Fledermäuse, die Schaden nehmen würden und zeigt zum Himmel. Dort ziehen gerade Kraniche im Tiefflug durch. Nicht weit entfernt ist der Stausee von Kelbra, ein großer Rastplatz für diese Zugvögel.
Landesregierung will Anreize für Windräder und Solaranlagen schaffen
Doch auch der Harz müsse seinen Beitrag zur Windenergieerzeugung leisten, so Minister Armin Willingmann auf dem Brockenstammtisch, auf jeden Fall, wie er betont. Die Landesregierung will dafür Anreize schaffen: mit einem Beteiligungsgesetz. Kommunen, auf deren Flächen Windkraft- oder Solaranlagen gebaut werden, sollen jedes Jahr feste Summen von den Betreibern erhalten.
Landkreis Harz: Vergangene und zukünftige Situation
Bisher gab es im Landkreis Harz eine Besonderheit, denn er ist ein Zusammenschluss der früheren Landkreise Quedlinburg, Wernigerode und Halberstadt. Während im Landkreis Halberstadt zahlreiche Windkraftanlagen entstanden, beschlossen bereits in den 1990er Jahren die damaligen Kreistage in Quedlinburg und Wernigerode, in ihren Landkreisen keine Windräder zu gestatten, wegen der Natur und weil der Harz Tourismusziel ist, so die damalige Begründung. Doch nun muss auch der Harzkreis gesetzliche Forderungen nach Flächen für Windkraftanlagen erfüllen.
1,2 Prozent der Flächen im Landkreis Harz sollen in spätestens zweieinhalb Jahren für Windräder ausgewiesen sein. Bis Ende 2032 sollen es besagte 1,6 Prozent sein. Bisher stehen Windparks nur in großem Abstand zum Gebirge. Geht es nach dem Willen der inzwischen zahlreichen Anti-Windradinitiativen, soll das auch so bleiben.
MDR (Carsten Reuß, Johanna Daher) | Erstmals veröffentlicht am 20.10.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 18. Oktober 2024 | 19:00 Uhr
Basstian vor 7 Wochen
WederVverbrennen von fossilen Energieträgern noch Windräder sind die Lösung, sonder mit weniger auskommen = Energiesparen. E-Panzer mit 150 kW und mehr, ICE´s mit 250 oder 300 km/h oder Riesenfernseher mit > 1 m Bildschirmdiagonale sind schlichtweg stromfressender Luxus.
Basstian vor 7 Wochen
Ich weiß nur von Niedersachsen, daß es dort wohl reicht, wenn sie mindestens 1 m mit Erde überdeckt sind. Das reicht für den Ackerbau. Aller Beton, der tiefer als 1 m ist, darf drinbleiben.
Basstian vor 7 Wochen
Ja, selbst das "Wasserschloß Europas", Vorarlberg, das gebirgig und mit Wasserkraftwerken gespickt ist, importiert in Summe Strom. Unglaublich. Weil sie so viel verschwenden, z. B. für künstliche Beschneiung, und im Rheintal ist eine extreme Lichtverschmutzung. Eine Stadt mit 20000 Einwohnern sieht dort von oben hinsichtlich Beleuchtung wie eine Großstadt aus. Die haben ja genug Strom (denken sie zumindest). Immerhin sind Windräder hier verhaßt, und es gibt kein einziges Großwindrad im österreichischen Wirtschafts-Musterländle. Selbst die wirtschaftsvernarrte stockkonservative Landesregierung tut sich mit Windmühlen schwer. Mir ists recht.