Brennpunkt oder Ausgehparadies Geliebtes Sorgenkind: Wie sich der Hasselbachplatz in Magdeburg entwickelt

30. Oktober 2022, 11:48 Uhr

Der Hasselbachplatz in Magdeburg verändert sich seit Jahren rasant. Vom Vorzeige-Ausgehviertel mutierte er zum Sorgenkind der Stadt. Viele Bars und Restaurants schlossen, Schlägereien, Lärm und Dreck nahmen zu. Dann kam Corona. Ein Besuch offenbart: Um den "Hassel" ist es seitdem zwar ruhiger geworden, viele Probleme bleiben aber bestehen. Anwohner, Gastronomen und das Hasselmanagement versuchen, den Hassel gemäß ihren Vorstellungen zu verbessern.

Der Hasselbachplatz in Magdeburg hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Einst war der "Hassel", wie er im Volksmund heißt, die schillernde Ausgehmeile der Stadt. Dann schlossen immer mehr Bars und Restaurants, es kam zu Konflikten, Lärm und Pöbeleien. Einige Medien sprachen über den Hassel sogar als sozialen Brennpunkt.

Während der Corona-Pandemie ist es um den Hassel herum ruhiger geworden. Aber heißt das auch, dass sich die Lage gebessert hat? Ein Besuch zeigt, wie unterschiedlich verschiedene Akteure den Hasselbachplatz wahrnehmen.

Bar-Betreiber hat Lust hinzuschmeißen

Einer, dem die Entwicklung des Hasselbachplatzes überhaupt nicht gefällt, ist Marcel Koke. Koke ist seit fast 20 Jahren als Gastronom am Hasselbachplatz aktiv, betreibt hier die Bar "Kartell" und den Club "Downtown". Er hat die Entwicklungen des Hasselbachplatzes in den letzten Jahren miterlebt und ist hörbar frustriert. "Ich habe ehrlich gesagt langsam keine Lust mehr. Wenn jemand das Kartell kaufen will, soll er kommen und mir ein Angebot machen", sagt er.

Wie viele Menschen in Magdeburg trauert Koke der Zeit hinterher, in der der Hasselbachplatz als erste Adresse galt, wenn man in der Stadt ausgehen wollte. Die zahlreichen Bars und Restaurants, die Feste, Märkte und Live-Events hätten eine Atmosphäre kreiert, in der sich alle Menschen wohlgefühlt hätten. Heute sei das anders, besonders nach Corona sei es wieder schlimmer geworden.

Probleme durch Schlägereien und schließende Kneipen

Koke berichtet etwa von Problemen mit randalierenden Gruppen am Hasselbachplatz, die Anwohner störten und seine Gäste verschreckten. Die Polizei und das Ordnungsamt haben seiner Meinung nach zu wenig eingegriffen. "Oft stand donnerstags um 16 Uhr eine Streife da, aber nicht samstags um 23 Uhr, wenn wir eine gebraucht hätten", sagt Koke.

Zudem wünscht sich Koke ein noch diverseres Angebot an Läden am Hasselbachplatz. Der Platz sei mittlerweile überfrachtet mit Spätis, Barbershops und Shishabars. "Nichts gegen die Kollegen, von denen machen viele einen super Job. Aber wir brauchen einfach ein durchmischteres Angebot hier, um als Hasselbachplatz für alle attraktiv zu bleiben", sagt er.

Um den Hassel wieder attraktiver und sicherer zu machen, wünscht Koke sich mehr Polizeipräsenz und eine bessere Beleuchtung des Platzes. Auch ein Alkoholverbot oder Sicherheitskameras kann Koke sich als Maßnahmen vorstellen. Des Weiteren fordert er eine Regulation von Seiten der Stadt, damit sich ein diverseres Angebot an Läden am Hasselbachplatz ansiedelt. Gerade gehobenere Restaurants vermisst er dort.

Kriminalität am Hassel entgegen mancher Wahrnehmung gesunken

Laut der Polizei Magdeburg ist die Kriminalität am Hasselbachplatz im Jahr 2021 im Vergleich zu den beiden Vorjahren in vielen Bereichen zurückgegangen. Im Bereich Straßenkriminalität etwa wurde sogar ein Tiefstand erreicht. Ob dies im Zusammenhang mit polizeilicher Präsenz, der Corona-Pandemie oder anderen Faktoren steht, lässt sich laut Polizei aus den Zahlen nicht ableiten.

Hasselmanagerin sieht Entwicklung insgesamt positiv

Eine, die den Hassel deutlich positiver wahrnimmt als Marcel Koke ist Marianne Tritz. Sie ist seit fast zwei Jahren als "Hasselmanagerin" bei der Stadtmarketingfirma Pro M angestellt. In dieser Rolle hilft Tritz unter anderem beim Austausch zwischen Akteuren und der Stadt Magdeburg und organisiert verschiedene Veranstaltungen, die den Hassel beleben sollen. Zuletzt organisierte sie etwa ein Weinfest, Schachnachmittage, Führungen und einen Weihnachtsmarkt.

Obwohl ihr der Hassel gut gefällt, kennt auch sie das Problem randalierender Menschen, von dem Marcel Koke berichtet hat. Auch sie wünscht sich aus diesem Grund mehr Polizeipräsenz, aber auch mehr Angebote für die Menschen, um sich am Hassel wohlzufühlen und aufzuhalten. Als Brennpunkt oder Kriminalitätsschwerpunkt sieht sie den Hassel trotz der Randalen nicht.

Auch dass es weniger Kneipen und Bars am Hasselbachplatz gibt, ist Tritz bewusst. Grundsätzlich sagt sie, sei das aber eine Entwicklung, die deutschlandweit zu beobachten sei. Es gelte trotzdem, den Hassel lebendig und schön zu gestalten und die Chancen zu nutzen. So sei es zum Beispiel gelungen, die Bar "Hyde" im Sommer beim Aufstellen von Außengastronomie zu unterstützen.

Tempo-30-Zonen und Ideen der Menschen umsetzen

Um noch mehr positive Entwicklungen zu erreichen, möchte Tritz langfristig mehr Tempo-30-Zonen und verkehrsberuhigte Bereiche um den Hassel einführen. So könnten leichter Feste und Veranstaltungen organisiert und die Aufenthaltsqualität gesteigert werden, meint die Hasselmanagerin.

Ein solches Vorhaben sei in Magdeburg aber schwer umzusetzen. Trotzdem ist sie optimistisch, das sich der Hassel mit Hilfe der vielen Ideen und Aktionen von einzelnen Menschen am weiterhin positiv entwickeln werde. Einiges habe man schon umsetzen und positiv entwickeln können, und genau dort werde man weitermachen. Gerade zur Ansiedlung von Intel sei dies besonders wichtig.

Platz*machen will einen Platz für alle schaffen

Eine Gruppe, die versucht, den Hasselbachplatz selbstständig zu bereichern und sich nicht einfach mit der Situation abfindet, ist der Verein Platz*machen, der seit zwei Jahren in den Räumlichkeiten des ehemaligen Café Central in der Sternstraße einen Laden eröffnet hat. Mitten in der Pandemie eröffnet, ist "Platz*machen" mittlerweile für viele Menschen am Hasselbachplatz eine wichtige Anlaufstelle geworden.

Zum einen dient der Laden als sicherer und zentraler Ort für verschiedene Gruppen, die sich engagieren wollen und den Raum nutzen, um sich dort auszutauschen oder an Projekten zu arbeiten. Zum anderen bemühen sich die Mitglieder mit zahlreichen Aktionen, sich für das Miteinander in der Stadt und am Hasselbachplatz zu engagieren und den Hassel zu einem Ort für alle zu machen.

Ehrenamtliche organisieren Programme für den ganzen Hasselbachplatz

Die Ehrenamtlichen organisieren etwa regelmäßig Kulturveranstaltungen, Workshops, einen Barbetrieb, Spieleabende und Lesungen. Aber auch eine kostenlose Fahrradreparaturwerkstatt, ein Nachbarschaftscafé zum Austausch und Kuchenessen, eine selbstorganisierte Bibliothek, eine Küche für Alle und ein Kältebus werden durch engagierte Ehrenamtliche auf die Beine gestellt.

"Die Idee war immer, alle einzuladen und einen offenen Austausch zu haben", erzählt Ethan, der sich in mehreren Projekten von Platz*machen engagiert. Zwar erreiche man noch nicht alle Menschen am Hasselbachplatz mit den Angeboten, aber in der kurzen Zeit und nur mit ehrenamtlichem Engagement habe man doch schon sehr viel erreicht und zu einem besseren Miteinander beigetragen.

Tilman, der von Anfang an bei Platz*machen engagiert ist, hofft, dass sich dieses positive Miteinander weiter ausbreiten und verstärken wird und so der Hasselbachplatz statt durch Polizeimaßnahmen durch Gemeinschaftsarbeit zu einem besseren Platz für alle wird. Obwohl es auch Hürden gibt und er Probleme am Hasselbachplatz kennt, ist er stolz und dankbar, was "Platz*machen" bisher schon erreicht hat.

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MDR (Leonard Schubert)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | MDR SACHSEN-ANHALT | 01. November 2022 | 08:00 Uhr

6 Kommentare

EOM am 01.11.2022

Tun wir auch. Die Kriminalität geht seit Jahrzehnten zurück und erreicht jedes Jahr einen neuen Tiefpunkt. Wir sind auch noch unter den Top 10 der meist entwickeltsten Ländern. Unser BIP steigt trotz der Krise, in der wir sind. Also ja wir Leben im besten Deutschland aller Zeiten (natürlich müsste man die Sorgen der Krise, in der wir uns befinden, herausnehmen)

EOM am 30.10.2022

Ja weil die Fernsehstars natürlich alle kriminell sind. Lass mich raten, du hast keinen Kontakt mit diesen Fernsehstars, aber natürlich willst du mitreden :)

Es gibt dort definitiv ein Problem aber hör auf zu verallgemeinern. Wenn du diese Menschen kennenlernen würdest, würdest du verstehen, dass die meisten total normal sind.

Aber nein weißt du, bleib einfach in deiner Blase, verallgemeiner weiter und denk trotzdem weiter, dass du bescheid weißt. 👌

EOM am 30.10.2022

Wer den Hasselbachplatz als richtigen Kriminalitätsschwerpunkt sieht, der war da anscheinend nie wirklich. Das ist er vielleicht für Magdeburger Verhältnisse. Aber gegen richtigen Schwerpunkten wie der Kotti in Berlin ist er ein Witz. Ich war oft da und nein ich hab selten erlebt, dass es dort Kriminalität gibt. Alle, die auch sagen, dass sie dort nie aussteigen wollen würden, kann ich nicht ernstnehmen, denn dort braucht man keine Angst zu haben außer man ist ein Angsthase oder eine Frau.

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