Podcast "digital leben" Landtagswahl: Das wünschen sich Sachsen-Anhalts Digitalexperten

13. Mai 2021, 17:22 Uhr

Für den MDR SACHSEN-ANHALT Podcast "digital leben" haben wir Sachsen-Anhalts Digital-Expertinnen und -Experten nach ihren Visionen für die nächsten Jahre gefragt. Im Podcast haben wir das mit den Wahlprogrammen der Parteien abgeglichen. Die Visionen aber stehen für sich, für ein spannenderes, besseres, lebenswertes – für ein digitaleres Sachsen-Anhalt.

Ein großer Mann mit Locken und Brille steht vor einer Betonwand.
Bildrechte: MDR/Viktoria Schackow

Digital leben

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Das große Ganze und das kleine Konkrete: All das kommt in den Visionen von Sachsen-Anhalts Digital-Expertinnen und -Experten zu Wort. Und es sind vor allem drei Themen, die alle ansprechen: die Internetversorgung, Schule und die Digitalisierung der Verwaltung.

Infrastruktur

Sie ist auch im Jahr 2021 der große Aufreger – die allzu oft noch fehlende Internetversorgung, sowohl kabelgebunden bis ins Haus als auch schneller Mobilfunk.

Die Visionen und Wünsche sind deshalb klar: "Schnelles und gutes Internet ist die Basis", sagt Alex Kuscher, der Magdeburger, der bei Google für ChromeOS verantwortlich ist. "Glasfaser für alle, egal ob auf dem Land oder der Stadt", fordert Anja Müller, die bei der Beschaffungsplattform Mercateo arbeitet.

Und Marian Kogler, Geschäftsführer der syret GmbH aus Halle, die IT-Sicherheits-Dienstleistungen anbietet, wünscht sich: "Fast in ganz Sachsen-Anhalt gibt es in den nächsten vier Jahren Gigabit-Internet und überall gibt es 5G."

Kogler zieht sogar einen großen Rahmen und sagt, wenn es überall schnelles Internet gibt, würden Kleinstädte nicht veröden "Dörfer profitieren und werden zu begehrten Wohnorten, weil man im großen und günstigen Haus sehr gut Home-Office machen kann."

Digitalisierung ist kein Selbstzweck

Überhaupt meinen alle Digital-Experten, dass Digitalisierung nicht um der Digitalisierung willen gemacht wird, sondern dass es darum geht, das Leben der Menschen zu verbessern.

Marco Langhof Chef des IT-Wirtschaftsverbandes: "Digitalisierung ist kein Selbstzweck Digitalisierung ist ein Hilfsmittel, vielleicht das einzige und das wichtigste, was wir haben, um in Sachsen-Anhalt erfolgreich zu werden." Langhof sagt, es geht um mehr, als nur Technik zu kaufen und Glasfaser zu verbuddeln. "Wir brauchen kluge Prozesse und Menschen, die innovativ denken, mitziehen und wissen, dass digitaler Erfolg etwas ist, was wir selbst produzieren müssen." Digital-Experten, die so sprechen, sind schnell bei ihrem zweiten großen Thema.

Bildung und Schule

Das bewegt Ines Bieler schon seit Jahren. Sie ist Lehrerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Projekt "DikoLa – digital kompetent im Lehramt" am Zentrum für Lehrer:innenbildung der Uni Halle und sie ist unter anderem aktiv beim Netzwerk Bildungspunks, einer Plattform, auf der sich Menschen über Bildung austauschen können.

Bieler hat fünf Punkte, mit der sie ihre Vision umreißt: Ausstattung für Lehrer, Schüler und Schulen, personalisierte Lehrer-Fortbildung, flachere Hierarchien im Bildungswesen, offene Bildungsmaterialien und sie wünscht sich, dass wir die Prüfungs- und Benotungskultur überdenken. "Ich glaube, sie ist das Einfallstor für die Weiterentwicklung im Bildungssystem, hin zu einem offenen Lernraum, längerem gemeinsamen Lernen auch mit außerschulischen Partnern." Ines Bieler spricht gern von einer Kultur der Digitalität, die alle verinnerlichen sollten.

Kultur der Digitalität an den Schulen

Die scheint wohl auch Marco Langhof verinnerlicht zu haben, wenn er sagt: "In meinem digital erfolgreichen Sachsen-Anhalt fällt nicht eine Unterrichtsstunde mehr aus, weil überall alles digital vertreten werden kann."

Sebastian Blanke, Gründer und Geschäftsführer des Legal-Tech-Start-Ups lawio aus Magdeburg wünscht sich an den Schulen so früh wie möglich Informatik-Unterricht und er sagt: "Es könnte ein Ziel sein, dass Hausaufgaben ab der Mittelstufe nur noch digital erledigt werden, um Schüler auf das digitale Arbeiten in der Zukunft vorzubereiten."

Am allermeisten wünsche ich mir, dass wir in fünf Jahren dieses furchtbare Wort 'Digitalisierung' nicht mehr aussprechen müssen, weil dann Digitalisierung in allen Bereichen des Lebens selbstverständlich ist.

Marco Langhof, IT-Wirtschaftsverband

Und Marin Kogler entwirft eine noch größere Vision für Sachsen-Anhalt: "Es gibt hier die deutschlandweit erste digitale Schule, an der die besten Lehrer Deutschlands, Europas und der Welt unterrichten." Kranke Kinder können auch im Krankenhaus unterrichtet werden, die digitale Schule trägt dem unterschiedlichem Lerntempo der Schüler Rechnung und bringt Menschen zusammen. "Wenn ein Amerikaner Deutsch lernen will und ein Schüler in Sachsen-Anhalt Englisch, dann bringt eine Plattform die beiden sie zusammen."

Digitale Verwaltung

Auch eine digital besser aufgestellte Verwaltung schimmert bei allen Digital-Expertinnen und -Experten durch: "Kein Bürger muss mehr aufs Amt, weil alle Verwaltungsvorgänge digital laufen" (Langhof) "Ausnahmslos alle Behördengänge in den nächsten fünf Jahren digital abbilden und online möglich machen" (Blanke) "Die Bürgerämter werden kaum mehr benötigt. Alle Dienstleistungen, die sie anbieten, können online durchgeführt werden" (Kogler).

Frederik Kramer, Geschäftsführer des Open-Source-IT-Unternehmens initOS in Magdeburg, wünscht sich einen CIO (Chief Information Officer), der dafür verantwortlich ist, Verwaltungsprozesse zu digitalisieren. "So können Unternehmensgründungen einfacher funktionieren, ein Führerschein effizienter und schneller neu ausgestellt werden. Und vor allem werden so viele von den verschrobenen Systemen und alten Fachverfahren abgelöst." und erneuert werden. Schlicht das Online-Zugangsgesetz in die Tat umgesetzt wird und dass der Staat in gutes Personal investiert.

Online-Zugangsgesetz kommt nicht voran

Bis Ende 2022 sollen in Deutschland 575 Verwaltungsdienstleistungen online angeboten werden, das schreibt das Online-Zugangsgesetz vor. In Sachsen-Anhalt sind das bisher drei Dienstleistungen vollständig umgesetzt: Sie betreffen alle BaFöG-Leistungen. Dass wir das wissen, dass solche Vorhaben transparent sind, ist auch Teil der Digitalisierung. Denn jeder kann den aktuellen Stand der Verwaltungsdigitalisierung in einem Dashboard online nachschauen.

Je weiter man vorne ist, desto eher profitiert man davon.

Zwei Visionen

So einleuchtend und spannend die Wünsche und Visionen von Sachsen-Anhalts Digital-Expertinnen und -Experten bleiben – bestehen bleibt die Befürchtung, dass politische Entscheidungsträger und ihre Verwaltung mit der digitalen Welt nicht Schritt halten können.

Aber die Experten sind zuversichtlich. Digital-Experte Kogler sagt sogar: "Das alles liegt nicht in ferner Zukunft, sondern wäre bei entsprechendem politischen Willen in den nächsten vier Jahren umsetzbar."

Daran glaubt auch Michael Ney, Projektleiter am Zukunftszentrum Digitale Arbeit Sachsen-Anhalt. Mit digitalisierten Unternehmen würde Sachsen-Anhalt ein noch lebenswerteres Land werden sei, sagt Ney. "Mein Fazit: In fünf Jahren werden wir völlig von Menschen überrannt, die unter dem Motto 'modern arbeiten' und 'modern leben' Sachsen-Anhalt zu einem Zuwanderungsland machen, das sich kaum vor Menschen retten kann, die bei uns leben wollen."

Ein großer Mann mit Locken und Brille steht vor einer Betonwand.
Bildrechte: MDR/Viktoria Schackow

Über den Autor Marcel Roth arbeitet seit 2008 als Redakteur und Reporter bei MDR SACHSEN-ANHALT. Nach seinem Abitur hat der gebürtige Magdeburger Zivildienst im Behindertenwohnheim gemacht, in Bochum studiert, in England unterrichtet und in München die Deutsche Journalistenschule absolviert. Anschließend arbeitete er für den Westdeutschen Rundfunk in Köln. Bei MDR SACHSEN-ANHALT berichtet er über Sprachassistenten und Virtual Reality, über Künstliche Intelligenz, Breitbandausbau, Fake News und IT-Angriffe. Außerdem ist er Gastgeber des MDR SACHSEN-ANHALT-Podcasts "Digital leben".

MDR/ Marcel Roth

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. Mai 2021 | 11:40 Uhr

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