Podcast "Digital leben" Landtagswahl: Die Digitalversprechen der Parteien
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13. Mai 2021, 15:26 Uhr
Was versprechen die Parteien den Wählerinnen und Wählern? Wie sieht die Digitalpolitik von CDU, SPD, Grünen, AfD, Linke und FDP aus? Wir haben die Wahlprogramme unter digitalen Gesichtspunkten ausgewertet.
Wahlprogramme lesen ist kein Vergnügen. Aber 2021 kann man sich beim Lesen auch von digitalen Mitteln helfen lassen. Man kann zum Beispiel sogenannte Wortwolken erstellen, die je nach Häufigkeit einzelner Begriffe diese unterschiedlich farbig und groß und in unterschiedlichen Formen darstellen: Als Wolke, Herz, Daumen oder als Hashtag. Das haben wir für die Programme von CDU (PDF), SPD, Grünen (PDF), AfD (PDF), Linke und FDP gemacht.
Man kann auch einfach ins Inhaltsverzeichnis schauen: Dem Thema Digitalisierung widmen sich die Parteien in ihren Programmen unterschiedlich ausführlich. CDU, Grüne und FDP haben ein eigenes Kapitel. Bei der CDU ist es das fünfte von insgesamt 17. Bei den Grünen ist es das siebte Kapitel von 23, nur die Kapitel zu Bildung und Mobilität sind länger; die Kapitel zu Klima, Energie, Umweltschutz und Landwirtschaft sind kürzer. Im SPD-Wahlprogramm ist das Thema ein Unterkapitel in den Kapiteln zu Bildung und Stadt und Land. Die AfD hat kein eigenes Kapitel zu Digitalisierung.
Die Wort-Statistik
Wer eine Wortwolke hat, hat auch eine lange Liste der häufigsten Wörter, kann sie sortieren und kann die Anzahl bestimmter Wörter vergleichen. Wie oft kommt zum Beispiel "digital" vor? Eine einfache Zählung, bei der aber Parteien mit umfangreichen Wahlprogrammen einen Vorteil haben. Denn wer ausführlich ist, bei dem kommen Wörter häufiger vor.
Das Wahlprogramm der Grünen hat die meisten Wörter (fast 58.300), das der AfD die wenigsten (fast 18.500). Deshalb lohnt es, die Anzahl der Begriffe auf die Gesamtzahl aller Wörter umzurechnen. Das haben wir sowohl für "digital" gemacht als auch für alle Wörter, die zur digitalen Infrastruktur gehören: Breitband, Gigabit, Glasfaser und 5G.
Infrastruktur
Was schreiben die Parteien nun konkret? Welche Internetgeschwindigkeiten versprechen sie den Sachsen-Anhalterinnen und Sachsen-Anhaltern? Die Vorstellungen sind teilweise konkret, teilweise eher schwammig.
Digitalisierung ist kein rein technischer Prozess, vielmehr bedeutet sie eine tiefgreifende allumfassende Änderung in allen ablauforganisatorischen Bereichen des Lebens.
Die CDU schreibt, sie setze sich für eine flächendeckende Breitband- und Mobilfunkinfrastruktur ein. Und sie hat diesen wenig konkreten (und offenbar nicht vollständigen) Satz in ihrem Programm stehen: "Wir wollen mit dem Ausbau der Breitband-Netze und der fortschrittlichsten mobilen Datenübertragungstechnik (zurzeit 5G) und zuverlässigen Internetverbindungen gewährleisten, die für eine digital vernetzte Wirtschaft und unsere Bürger wichtig sind" (Seite 16).
Was Breitband genau heißt, welche konkrete Internetgeschwindigkeit gemeint ist, gibt die CDU nicht an. Die SPD bleibt auch etwas unkonkret, schreibt an einer Stelle aber von Gigabit. Sie verspricht allen Bürgern Breitband bis spätestens 2025, will dafür finanzielle Mittel in dreistelliger Millionenhöhe bereitstellen und schlägt vor, dass mit dem Geld Kommunen selbst Leitungen verlegen können und dort danach kein privater Anbieter mehr Netze verlegen darf.
Deshalb brauchen wir insbesondere im ländlichen Raum die Einrichtung von Co-Working- und Co-Living-Spaces sowie die Arbeit der regionalen Digitalisierungszentren.
Die Grünen fordern eine Breitbandgarantie auf Glasfaserbasis für alle Haushalte, Unternehmen, Verwaltungen und Schulen. Bis spätestens 2030 soll überall eine Internetgeschwindigkeit von mindestens 1.000MBit/s (Gigabit-Netz) erreicht werden – sowohl im Download als auch im Upload. Auch Stadt- und Kreiswerke könnten Netze betreiben, wo Straßen erneuert werden, sollten gleichzeitig Glasfaserleitungen oder Leerrohre verlegt werden.
Die AfD will den Breitbandausbau vorantreiben und strebt einen 100-prozentigen Ausbau mit mindestens 50MBit/s an.
Die Linke setzt auf eine durchgehende Glasfasertechnologie, weil "nur diese in der Lage ist, die permanent steigenden Bedarfe an symmetrischen Down- und Upstreambandbreiten zu bewältigen." Im ländlichen Raum bevorzugt sie staatlich geförderte Glasfasernetze, die im öffentlichen oder genossenschaftlichen Eigentum bleiben, als Beispiel nennt die Linke den Zweckverband Altmark.
Wir wollen die Behörde des oder der Landesdatenschutzbeauftragten und Beauftragten für Informationsfreiheit finanziell und personell so ausstatten, dass alle festgelegten Aufgaben effektiv wahrgenommen werden können.
Die FDP hat das ambitionierteste Versprechen: Sie will ein flächendeckendes Gigabit-Netz mit Glasfaser bis 2025 und schlägt vor, dass das Land den Eigenanteil von finanzschwachen Kommunen übernimmt. Sie setzt auch auf neue Verlegemethoden wie das Micro-Trenching, bei dem Glasfaserkabel in nur wenige Zentimeter aufgefrästen Asphalt verlegt werden. Beim Bau von Mobilfunkmasten möchte die FDP Unternehmen fördern, die mit den wenigsten staatlichen Hilfen auskommen. Sie sollen die Masten dann an die Mobilfunkunternehmen vermieten dürfen.
Schulen und Bildung
Aber nicht nur Unternehmen und Privathaushalte brauchen eine schnelle und stabile Internetverbindung. Auch an Schulen gehört sie dazu. Grüne und Linke fordern explizit Glasfaser für Schulen. Die SPD setzt es voraus und die CDU schreibt, auf ihre Initiative wurde der Anschluss der Schulen "an das Breitbandnetz durch das Finanzministerium übernommen und mit dem Ausbau begonnen". Wo ein Breitbandausbau nicht schnell möglich sei, wäre auf Drängen der CDU das Programm "Funklochstopfer" ins Leben gerufen und Gelder für mobile Netzverbindungen bereitgestellt worden.
Und was ist mit Geräten für Schülerinnen und Schüler? Für Lehrerinnen und Lehrer? Ein Bundesprogramm, der sogenannte Digitalpakt, stellt für Laptops und Schul-Administratoren insgesamt 6,5 Milliarden Euro zur Verfügung, knapp 180 Millionen fließen dafür nach Sachsen-Anhalt. Aber nur die SPD schreibt explizit, sie wolle, dass jedes Kind ein mobiles Endgerät zur Verfügung hat und Schulgeräte angeschafft werden. Die Linke will sicherstellen, dass jeder Schüler ein internetfähiges Gerät und einen Internetzugang hat. Die Grünen betonen, es dürfe nicht von den Möglichkeiten der Eltern abhängen, ob Schüler Zugang zum digitalen Lernen haben. Sie wollen, dass die Schulträger halbjährlich darüber berichten, welche Erfahrungen sie mit Schülern machen, die ihre eigenen Geräte mitbringen. Wenn Schulträger Geräte beschaffen, sollten diese modular aufgebaut und langlebig sein. Bei CDU und AfD sind Geräte für Schüler und Lehrer kein Thema.
Digital gegen Unterrichtsausfall und Lehrer-Fortbildung
Digitales Lernen ist – in einem gewissen Maß und abhängig vom Alter der Schüler – auch ohne Lehrer möglich. Diese Chance der Digitalisierung will die FDP nutzen, um Unterrichtsausfall und Lehrermangel zu begegnen: "Wir wollen die technischen und didaktischen Voraussetzungen schaffen, um Unterrichtsstunden in allen Schulen auch digital wahrnehmen zu können." Dies würde dazu führen, dass Unterrichtsausfall vermieden werden könne und Schüler, die nicht in der Schule sein können, weniger Unterricht verpassen. Allen anderen Parteien fällt zum Lehrermangel und Unterrichtsausfall nur Herkömmliches ein: Mehr Personal (Linke, CDU), mehr Studienplätze (CDU, SPD, Linke), Quereinsteiger (CDU, SPD) und pensionierte Lehrer (AfD).
Die durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz entstehenden Produktivitätspotentiale wollen wir zum Nutzen aller freisetzen. Die Linke hält eine generelle Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden für möglich.
Damit Lehrerinnen und Lehrer auch bei digitalen Fragen mitreden können, wollen einige Parteien die Lehrer-Fortbildung verstärken. Bei SPD und FDP fällt in diesem Zusammenhang auch das Wort "verpflichtend". Die Grünen bieten den Lehrern zwei monatliche Ausgleichsstunden und wünschen sich Micro-Learnings. Die CDU wünscht sich, dass medienpädagogische Kompetenzen in der Lehrerweiterbildung einen "breiten Raum" einnehmen. AfD und Linke schreiben nichts zu Lehrer-Fortbildung. Die Linke möchte allerdings Erzieher, Übungsleiter und Trainer, Polizisten, Beschäftigte in der Justiz und Bergleute fortbilden.
Digitale Verwaltung
Die SPD schreibt in ihrem Wahlprogramm: Wir brauchen eine "digitale Verwaltung, in der bis 2022 alle Verwaltungsdienstleistungen von den Kommunen bis zum Land digital angeboten werden." Was keine der Regierungsparteien, sondern nur die Linke schreibt: Nach dem Online-Zugangsgesetz müssen Bund und Länder sowieso 575 Verwaltungsdienstleistungen digital anbieten – bis zum 31. Dezember 2022. Zu 100 Prozent sind in Sachsen-Anhalt bislang nur drei Dienstleistungen digital möglich: rund um das BaföG.
Unser Ziel ist es, dass man in Sachsen-Anhalt innerhalb von 48 Stunden seine eigene Firma gründen kann.
Die Grünen wollen den Bürgern bis 2030 alle Behördengänge ersparen und ein zentrales Internetportal anbieten. Darauf sollen Bürger und Unternehmen zugreifen, egal, ob sie etwas von ihrer Kommune, dem Landkreis, dem Land oder dem Bund wollen. Die AfD fordert, alle Verwaltungsdienstleistungen digital anzubieten. Die Vorgänge sollten nicht komplizierter sondern einfacher werden, Internetseiten benutzerfreundlich gestaltet sein und digital sollte eine Bearbeitung schneller gehen. Die FDP will die Pandemie und die Digitalisierung zum Anlass nehmen, die Bürokratie abzubauen.
Weitere "Digital"-Begriffe und wie häufig sie vorkommen
Datenschutz
Grüne (11) SPD (5) Linke (5) CDU (3) FDP (1) AfD (0)
"cyber"
CDU (6) SPD (5) Linke (2) Grüne (1) AfD (0) FDP (0)
Künstliche Intelligenz
Grüne (2) CDU (1) SPD (1) AfD (1) Linke (1) FDP (1)
Internet der Dinge
SPD (2) CDU (0) Grüne (0) AfD (0) Linke (0) FDP (0)
Co-Working
Grüne (8) SPD (2) Linke (1) FDP (1) CDU (0) AfD (0)
"smart"
Grüne (6) CDU (5) FDP (5) SPD (2) AfD (0) Linke (0)
Start-Ups, Open Source und Robotaxis
Es gibt auch einige digitale Besonderheiten, die bei manchen Wahlprogrammen ins Auge fallen. So will die CDU, dass Sachsen-Anhalt Technologieführer bei Robotaxis und autonomen Bürgerbussen wird. Die SPD will eine Initiative starten, die sich den Sorgen und Bedenken der Menschen rund um Digitaltechniken widmet. Sie will außerdem Betroffenen von Hass im Internet professionelle Beratung anbieten und ein Notfall-Eingreiftruppe beim LKA schaffen, die bei IT-Sicherheitsvorfällen reagieren kann. Die Grünen wollen, dass die IT in Sachsen-Anhalt bis 2030 mit erneuerbaren Energien betrieben wird.
SPD und Grüne sind außerdem Fan von Open Source. Beide Parteien wünschen sich, dass Code von Software, die im Auftrag des Landes entsteht, veröffentlicht wird und dass auch Bildungsmaterialien öffentlich sind. Die Grünen wollen auch, dass Fotos und Texte, die im Auftrag des Landes entstanden sind, unter eine offene Lizenz fallen. Außerdem wünschen sie sich Hackathons und Bug-Bounty-Programme, bei denen regionale Software-Experten belohnt werden, wenn sie einen Fehler in einer Software finden.
Die FDP zeigt sich als Freund der Makerspaces und Digitalwerkstätten und will sie an Schulen, Hochschulen und Bibliotheken etablieren.
Wir wollen die Wirtschaftsförderung umstrukturieren, weg von der modischen Fokussierung auf Start-ups, hin zu solchen Betrieben, die am meisten zur Sicherung vorhandener beziehungsweise Schaffung neuer Vollzeitarbeitsplätze beitragen.
Alle Parteien außer der AfD wollen Start-Ups stärker fördern. Die Grünen wünschen sich eine Landesförderung von Start-Ups von 25.000 Euro. Die FDP will Start-Ups in den ersten zwei Jahren von unnötigen Befragungen, Dokumentationspflichten und Zwangsmitgliedschaften ausnehmen und kann sich auch ein steuerfreies erste Jahr für Start-Ups vorstellen.
Digitalministerium: Übernehmen Sie!
Die Regierungsparteien CDU, SPD und Grüne wünschen sich in ihren Wahlprogrammen ein eigenständiges Digitalministerium. Kompetenzen für den digitalen Wandel und die IT-Infrastruktur müssten in einer Hand liegen, schreibt die SPD. Digitalisierungskompetenz müsse direkt mit am Kabinettstisch sitzen, schreiben die Grünen. Und die CDU: Das Digitalisierungsministerium soll eine innovative und flexible Organisationsstruktur haben und als aufzubauende Denkfabrik Konzeption und Umsetzung übernehmen.
Das Vorhaben eines Digitalministeriums kommt bei den Oppositionspartei AfD, Linke und FDP nicht vor. Auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT zeigen sich Linke und FDP aber offen. Die AfD lehnt ein neues Ministerium ab, das schaffe unnötige Wasserköpfe: "Gleichwohl müssen neue Zuordnungen erfolgen und die verschiedensten Referate, welche für Digitalisierung zuständig sind, besser koordiniert werden."
Die Linke kritisiert die derzeitige Zersplitterung der Zuständigkeit als wenig zielführend. Die Digitalisierung hänge nicht ausschließlich von einem Ministerium ab, es sei dringend ein beherztes Angehen erforderlich. "Ob dafür nun ein Ministerium geschaffen werden muss, das allein dafür zuständig wäre, halten wir für fraglich. Vielmehr müssten die Kompetenzen aus den Fachministerien auf das für Digitalisierung zuständige Ministerium verlagert und konzentriert werden."
Die FDP schreibt, es sei wichtig, dass das Thema Digitalpolitik stark vertreten wird. "Ein eigenständige Ministerium könnte dabei sinnvoll sein. Allerdings dürfte dies nicht zu einer weiteren Verwaltungsstruktur führen. In einer künftigen Landesregierung sollten die Kompetenzen aus einzelnen Ministerien gebündelt werden."
In den Wahlprogrammen finden sich also viele Ideen für Sachsen-Anhalts zukünftige Digitalpolitik. Wie realitätsnah, gut und sinnvoll sie sind, wird ihre Umsetzung und die Zeit zeigen.
Über den Autor Marcel Roth arbeitet seit 2008 als Redakteur und Reporter bei MDR SACHSEN-ANHALT. Nach seinem Abitur hat der gebürtige Magdeburger Zivildienst im Behindertenwohnheim gemacht, in Bochum studiert, in England unterrichtet und in München die Deutsche Journalistenschule absolviert. Anschließend arbeitete er für den Westdeutschen Rundfunk in Köln. Bei MDR SACHSEN-ANHALT berichtet er über Sprachassistenten und Virtual Reality, über Künstliche Intelligenz, Breitbandausbau, Fake News und IT-Angriffe. Außerdem ist er Gastgeber des MDR SACHSEN-ANHALT-Podcasts "Digital leben".
MDR/ Marcel Roth
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. Mai 2021 | 11:40 Uhr
Atheist am 15.05.2021
Bravo, hat man doch noch was gegen die AFD und für die Grünen gefunden.
Und wenn es nur eine leere Phrase ist, aber Hauptsache man hat was gefunden.
Was für eine „faire „ Berichterstattung.
Bleibt mal die Frage wie oft steht das Wort Deutschland bei Grünen im Wahlprogramm?
BauIng am 15.05.2021
Digitalisierung ist eine inhaltsleere Worthülse...zumal der Trend zur analogen Datenverarbeitung hin geht...die Zukunft ist nicht digital.
Parteien sollten konkrete Aussagen in den Programmen, wie papierlose Verwaltung und schnelle Datennetze, haben.
Wie das technisch gelöst wird, ist nicht Sache der politischen Parteien.
Im Übrigen ist ein kurz, knapp und prägnant formulierten Wahlprogramm das Beste.
100e von Seiten, Masse statt Klasse, liest sich kein Bürger durch.
Die Festlegung auf unzählige Kleinigkeiten behindert schon im Vorraus.
Frank 1 am 13.05.2021
Die inflationäre Verwendung von Wortblasen spricht nicht für die Qualität eines Wahlprogramms. Der nähere Einblick in die Programme bestätigt diesen Eindruck. Unverbindliche Absichtserklärungen......eben heiße Luft.