Infrastruktur A14-Nordverlängerung: Abgehängt in Arendsee

26. September 2018, 20:47 Uhr

Seit mehr als 20 Jahren soll die A14 ausgebaut werden. Die Menschen in der Altmark warten nach wie vor auf die Autobahn-Nordverlängerung. Ein Besuch in einer abgehängten Region.

Die Sonne brennt auf die vertrockneten Felder, leichter Wind weht übers Land. Eine Tankstelle an einer Straße. Ab und zu kommt ein Auto vorbei. Eine Szene wie aus einem Western. Nur, dass es damals noch keine Autos gab.

Von der Hektik unserer Zeit ist in Arendsee im Altmarkkreis Salzwedel wenig zu spüren. Seit fast 20 Jahren betreibt Alfred Landsberg hier eine Tankstelle. 60 Kilometer sind es bis zur nächsten Autobahnauffahrt. Seit 20 Jahren tut sich hier fast nichts.

Der 62-jährige Unternehmer mit dem grauen Haar und der rahmenlosen Brille geht mit forschem Schritt über das Gelände seiner Tanke und zeigt, warum er hier und dort immer nur vorsichtig investiert. Dabei hätte er gern alles viel moderner. "Wir haben hier zu wenig Kapazität, wenn Busse anreisen. Die Anzahl der Toiletten ist zu wenig, die Anzahl der Truckerduschen ist zu wenig. Wir haben keine Behindertentoilette, wir haben keinen Baby-Wickelraum. Alles, was auf einem Autohof, auf einer Raststätte, eigentlich Standard ist", sagt er und zeigt auf den leeren Asphalt.

Fünf Kilometer A14 in Sachsen-Anhalt

Schon lange warten die Menschen in Arendsee auf die versprochene A14, den Lückenschluss zwischen Magdeburg und Schwerin. In Mecklenburg-Vorpommern ist die Autobahn bereits fertig, in Brandenburg teilweise. In Sachsen-Anhalt besteht die Verlängerung bisher nur aus fünf Kilometern, von Wolmirstedt nach Colbitz. Und: Vor 2030 soll sie nicht fertig sein. Immerhin sind nun die nächsten 15 Kilometer im Bau.

Trotz der fehlenden Autobahn will Alfred Landsberg seine Tankstelle jetzt umbauen und modernisieren. 9.000 Autos fahren hier täglich. Immerhin doppelt so viele wie vor 20 Jahren. "Wir haben jetzt circa zwölf Lkw-Stellplätze, das wird erweitert auf 52 insgesamt. Die ganze Tanktechnik wird jetzt komplett modernisiert, es wird alles gestrichen", sagt er stolz.

"Wegziehen? Niemals!"

Die Kredite laufen bereits. Das Geld muss also wieder reinkommen. Mehr Kunden wären schön. Doch ohne die A14? Für die Autofahrer an der Tankstelle eine Farce. "Das ist einfach nur traurig. Ich weiß nicht, warum das nicht fertig wird", sagt ein Pendler. "Wenn ich in andere Länder gucke, die bauen Autobahnen innerhalb eines Jahres. Hier ist das nicht machbar. Deswegen habe ich meine Firma auch nicht in Arendsee, sondern in Magdeburg." So ist das.

Alfred Landsberg will trotzdem bleiben. Die Tankstelle aufgeben und wegziehen in eine Region mit besserer Infrastruktur? Nicht denkbar für ihn: "Diese Tankstelle ist mein Leben. Ich habe sie gegründet und ich möchte gern, dass sie als Familienbetrieb von meinen Kindern weitergeführt wird." Tochter Marie hat hier gerade mit der Ausbildung angefangen.

Ein Glücksfall, für Vater und Tochter. Denn Jugendliche haben rund um Arendsee sonst kaum eine Perspektive. Jedes Jahr verlassen etwa 100 junge Menschen die Region, belegen die Zahlen des Statistischen Landesamtes. Der Grund: ohne Autobahn keine Unternehmen. Ohne Unternehmen keine Jobs.

Schon 2004 hatte die Politik beschlossen, drei Fernstraßen in einer Hosenträgerform zu bauen, um die Altmark infrastrukturell zu erschließen: Die A39 nach Wolfsburg und die A14 zwischen Schwerin und Magdeburg. Dazwischen sollte die B190n verlaufen. Doch bis heute sind von den geplanten 260 Autobahnkilometern gerade einmal 50 Kilometer gebaut. Die B190n wurde sogar ganz aus dem Verkehrsplan gestrichen.

Dörfer bluten aus

Doch die Infrastruktur in Arendsee klemmt nicht nur in Sachen Autobahn. Seit 2004 fährt hier auch kein Zug mehr, der nächste Bahnhof ist 15 Kilometer entfernt. Eine Region blutet aus.

Walter Fiedler ist seit mehr als 40 Jahren Kommunalpolitiker in der Region. Ihn ärgert am meisten die Inkonsequenz der Landes- und Bundespolitiker. "Ich bin der Meinung, wenn man einmal zu einer Sache ja gesagt hat, dann muss man das auch machen", sagt er.

Fiedler ist sich sicher: Wenn es so weitergeht, dass die Altmark keine Infrastruktur hat, dann sind die Dörfer bald alle ausgestorben. Die meisten Menschen werden dann in die Städte gezogen sein. Er ergänzt: "Und in den Städten wird es so sein, dass wir einen Altersdurchschnitt von 65 Jahren haben. Die, die dann mit dem Rollator durch die Straßen ziehen, die brauchen dann keine Verkehrsanbindung mehr."

Quelle: MDR/as

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Exakt – So leben wir! | 26. September 2018 | 20:15 Uhr

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