Mitarbeitende der Justiz und Frau, die sich das Gesicht verdeckt, in Gerichtssaal Eingang des Landgerichts Stendal
Im Fall des toten Babys, das in einem Altkleidercontainer in Tangerhütte gefunden wurde, hat der Prozess gegen die Mutter am Dienstag am Landgericht Stendal begonnen. Bildrechte: MDR/Aud Merkel

Landgericht Stendal Totes Baby in Tangerhütte: Mutter gesteht vor Gericht

23. August 2023, 10:09 Uhr

Im März hatte der Fund eines toten Babys in einem Altkleidercontainer in Tangerhütte im Landkreis Stendal für Aufsehen gesorgt. Die Polizei nahm nach ersten Ermittlungen die Mutter des Kindes fest. Sie gestand die Tat und wurde wegen Totschlags angeklagt. Vor Gericht hat sie die Tat nun erneut gestanden.


Am Landgericht Stendal hat eine Mutter gestanden, ihr Neugeborenes im März in Tangerhütte (Landkreis Stendal) getötet und in einem Altkleidercontainer entsorgt zu haben. Die Frau, die vier weitere Kinder hat, erklärte am Dienstag, die Anklage der Staatsanwaltschaft sei korrekt. Demnach entband die Frau zu Hause ohne Hilfe, trennte die Nabelschnur durch und stach 16 Mal mit einem Taschenmesser auf das neugeborene Mädchen ein. Die Staatsanwaltschaft hat die Frau wegen Totschlags angeklagt.

Die 41-Jährige äußerte sich beim Prozessauftakt zunächst nicht ausführlich. Sie sei zu aufgeregt, sagte die Angeklagte. Immer wieder hielt sich die Frau die Hände vor das Gesicht. Auch zu ihrem Lebenslauf machte sie zunächst keine Angaben.

Nach Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT, ist die Angeklagte nach einem Betreuungsgutachten geistig eingeschränkt. Ihre seelische Reife sei mit der eines 12-jährigen Kindes vergleichbar. Im Alltag und im Haushalt gab es deshalb zwei Familienhelferinnen.

Eine Betreuerin, die der Frau über mehrere Jahre in Wohnungs- und Finanzangelegenheiten zur Seite gestellt war, berichtete vom letzten Treffen Mitte März dieses Jahres. Sie habe nicht bemerkt, dass die Frau schwanger gewesen sei. Allerdings habe sie festgestellt, dass sie sehr fahl, blass und müde aussah. Zwei der Kinder hätten in dem Haushalt gelebt, zwei andere in Einrichtungen für Kinder mit Beeinträchtigungen. Die Mutter sei kaum in der Lage gewesen, Probleme zu erkennen, zu analysieren und zu lösen, so die Betreuerin. 

Schwangerschaft blieb unbemerkt

Eine Zeugin, die seit 2016 als Familienhelferin eingesetzt war und unter anderem für einen geregelten Tagesablauf der Kinder sorgen sollte, bezeichnete die Frau als sehr liebevoll im Umgang mit ihren Söhnen. Insbesondere zu ihren zwei behinderten Kindern habe sie eine sehr innige Beziehung gehabt.

Die Betreuerin berichtete auch davon, dass die Angeklagte bereits eine Schwangerschaft verleugnet habe. Sie selbst habe die Schwangerschaftsanzeichen bemerkt und die Frau darauf angesprochen. Es sei dann zu einer Hausgeburt gekommen. Von der jüngsten Schwangerschaft habe sie aber nichts bemerkt, sagte die Betreuerin.

Einzig eine Krankenschwester, die einem der Kinder zu Hause Medikamente verabreichte, sagte als Zeugin, ihr sei Ende 2022 ein Schwangerschaftsbauch bei der Frau aufgefallen. Sie habe sie darauf angesprochen, aber zur Antwort bekommen, es gebe keine Schwangerschaft. Beim letzten Besuch in der Familie am 27. März, kurz bevor der tote Säugling im Altkleidercontainer gefunden wurde, habe die Mutter sehr schlecht ausgesehen, blass, und sei sehr ruhig gewesen. Die Zeugin schöpfte Verdacht und informierte die Kriminalpolizei.

Baby in Altkleidercontainer gefunden

Am Vormittag des 27. März 2023 hatte ein Mitarbeiter einer Entsorgungsfirma den toten Säugling beim Entleeren des Containers in der altmärkischen Kleinstadt gefunden. Die Polizei obduzierte daraufhin den Leichnam. Dabei kam heraus, dass der Säugling nach der Geburt noch lebte und durch Gewalteinwirkung starb.

Bereits während einer Wohnungsdurchsuchung bei der damals 40-jährigen Mutter und deren 33-jährigen Lebensgefährten gestand die Mutter die Tat. Sie habe dabei ausgesagt, ihre neugeborene Tochter allein in der Wohnung getötet zu haben, so die Polizei.

Mutter wegen Totschlag angeklagt

Nach dem Geständnis kam die Frau in Untersuchungshaft. Gegen die inzwischen 41-Jährige wurde wegen Totschlags ermittelt. Auch der Lebensgefährte wurde zunächst verhaftet, kam aber schnell wieder auf freien Fuß, weil laut Polizei eine Beteiligung an der Tat nicht nachweisbar war.

Das Gericht hat weitere Verhandlungstermine bis zum 20. September angesetzt. Zeugen und Gutachter sollen vernommen werden. Das Strafmaß wird von der zu erwartenden Schuldminderung abhängen.

dpa, MDR (Bernd-Volker Brahms, Sebastian Gall, Anne Gehn-Zeller, Aud Merkel) | Erstmals veröffentlicht am 22.08.2023

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 23. August 2023 | 07:30 Uhr

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