Illustration schnelles Internet.
Sieben Landkreise in Sachsen können wegen des Förderstopps keine Anträge mehr stellen, um das Breitbandbandnetz in ihren Gebieten auszubauen. Bildrechte: Colourbox.de

Digitalisierung Förderstopp: Breitband-Ausbau könnte für Sachsen jetzt teurer werden

21. Oktober 2022, 17:52 Uhr

Für die Digitalisierung des Alltags gilt der Breitbandausbau als elementar. Mit dem Bundesprogramm "Graue Flecken" wollte der Bund Gegenden an die Datenautobahn anschließen, die private Betreiber zu unattraktiv für ihr Geschäft fanden. Fördermittel sollten weiterhelfen. Doch plötzlich ist der Fördertopf leer. Das Bundesdigitalministerium kündigt zwar ein Nachfolgeprogramm an, aber der Sächsische Landkreistag warnt, dass das für Sachsen sehr viel teurer werden könnte.

Sachsens Kommunen erhalten keine Fördermittel vom Bund mehr für den Breitbandausbau. Über den Antragsstopp beim entsprechenden Förderprogramm wurden die Länder und die kommunalen Spitzenverbände in dieser Woche informiert. Völlig überraschend sei die Quasi-Beendigung der Gigabit-Förderung für schnelles Internet gekommen, kritisierte das sächsische Wirtschaftsministerium. Der Bund müsse einen Weg finden, allen Kommunen, die derzeit noch ihre Anträge vorbereiten, eine Antragstellung zu ermöglichen, verlangte Staatssekretärin Ines Fröhlich (SPD).

Bundesdigitalministerium erlebt Welle an Neuanträgen

Auf Anfrage von MDR SACHSEN teilte das Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit, dass das Programm wegen sehr vieler Neuanträge geschlossen werden musste. Innerhalb einer Woche seien Fördergelder in Höhe von 450 Millionen Euro beantragt worden. "Damit wurde das für das laufenden Jahr bereitstehende Gesamtvolumen von mehr als drei Milliarden Euro vollständig ausgeschöpft", sagte ein Sprecher des Ministeriums. Den Angaben zufolge wurden in Sachsen bisher 187 Projekte gefördert.

Sachsen müsste bei neuem Programm mehr bezahlen

Die offenen Projekte könnten jetzt nur zustande kommen, wenn der Bund Geld nachschießt. Danach sieht es aber derzeit nicht aus. Stattdessen soll es ein neues Breitband-Programm geben. "Da das aktuelle Förderprogramm bis Ende des Jahres befristet ist, bereitet die Bunderegierung zurzeit ein Nachfolgeprogramm vor", sagte der Ministeriumssprecher. Problematisch ist daran jedoch, dass Sachsen dann doppelt so viel Geld wie bisher geplant in die Hand nehmen müsste. Statt der vorgesehenen rund halben Milliarde Euro wäre es dann eine Milliarde, schätzt der Sächsische Landkreistag.

Wir fordern den Bund auf, allen Kommunen, die den aufwendigen Weg einer Antragsvorbereitung gegangen sind, eine Antragstellung zu ermöglichen, auch wenn eine Bewilligung erst im Jahr 2023 finanziell darstellbar ist.

Ines Fröhlich (SPD) Staatssekretärin im sächsischen Wirtschaftsministerium

Dulig warnte schon 2021 vor leerem Fördertopf

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) hatte bereits vor einem Jahr vor solch einem Szenario gewarnt. Damals mahnte er mit Blick auf die Kofinanzierung durch den Freistaat Sachsen eine schnelle Lösung an. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu spät entscheiden und der Topf auf einmal leer ist", sagte er im September 2021.

Hintergrund ist, dass das Programm nach dem sogenannten Windhundverfahren läuft. "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst." Gerade einige wirtschaftsstarke Länder hätten bereits entsprechende Anträge gestellt, sagte Dulig vor einem Jahr.

Allerdings brauchte Sachsens Regierungs-Koalition dann trotzdem noch einmal bis zum Juli 2022 bis die sächsische Förderrichtlinie mit einem Etat von 436,5 Millionen Euro für das Bundesprogramm zur Verfügung stand. In der Regierungskoalition konnte man sich zuvor offenbar nicht einigen, wieviel Geld man für die Kofinanzierung des Programms locker machen wollte.

Vor dieser Entscheidung hatte unter anderem der Landkreis Meißen Anfang 2022 Druck gemacht, weil die Bundesgelder nur beantragt werden können, wenn die Kofinanzierung durch das Land Sachsen steht.

Ein Mann und eine Frau vor einem Computer 2 min
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Sieben Landkreise von Förderstopp betroffen

Laut Sächsischem Landkreistag betrifft der Förderstopp sieben Landkreise, die derzeit noch ihre Markterkundungsverfahren durchführen. Diese sind Voraussetzung, um einen Förderantrag zu stellen. Nur Nordsachsen, Meißen und Görlitz hatten ihre Anträge rechtzeitig eingereicht.

Der Landrat des Landkreises Leipzig, Henry Graichen (CDU), sagte MDR SACHSEN, dass alle Kommunen im Landkreis Leipzig vom Förderstopp betroffen seien. Sie hätten den Bedarf angemeldet, an Internet mit schnellen Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 100 Megabit pro Sekunde angeschlossen zu werden.

Der Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetages Mischa Woitscheck.
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Von Bundesseite wurde immer betont, dass genügend Mittel für den geförderten Breitbandausbau zur Verfügung stehen. Darauf haben wir vertraut.

Mischa Woitscheck Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetages

Betrachtet man den Breitbandatlas der Bundesnetzagentur, dann wird deutlich, dass es in Sachsen regional spürbare Unterschiede bei der Verfügbarkeit von schnellem Internet gibt. Mit Geschwindigkeiten von gerade einmal 30 Megabit pro Sekunde müssen beispielsweise Ebersbach oder Lampertswalde im Landkreis Meißen oder Quitzdorf am See, Hohendubrau und Schöpstal im Landkreis Görlitz klarkommen. Fast alle Haushalte dort verfügen über keine höhere Internetgeschwindigkeit. Allerdings gibt es in den Landkreisen zumindet Hoffnung, da die Anträge für das "Graue Flecken"-Programm nach Angabe des Sächsischen Landkreistages rechtzeitig gestellt worden sind.

Auch ländliche Gemeinden in Sachsen mit Gigabit-Anschluss

Neben den Regionen mit besonders langsamem Internet gibt es auch diejenigen, die im Gigabitbereit, also mit mehr als 1.000 Megabit pro Sekunde, ins Netz gehen - und das nicht nur in den Großstädten. Dazu zählen im Landkreis Nordsachsen unter anderem Jesewitz, Oschatz, Bad Düben, Taucha und Torgau. Im Erzgebirgskreis geht es beispielsweise in Grünhainichen, in Aue Bad-Schlema und in Börnichen auf die Gigabit-Datenautobahn, während sich im Landkreis Bautzen Pulsnitz, Wilthen und Ohorn über besonder schnelles Internet freuen können. 1.000 Gigabit pro Sekunde liegen auch im Vogtlandkreis an, unter anderem in Auerbauch sowie in Rodewisch. Ein Großteil der Haushalte kann in den genannten Orten mit der hohen Geschwindigkeit im Internet surfen.

Städte- und Gemeindetag sieht Vertrauensverlust gegenüber dem Bund

Der Sächsische Städte- und Gemeindetag formulierte klare Kritik: "Von Bundesseite wurde immer betont, dass genügend Mittel für den geförderten Breitbandausbau zur Verfügung stehen. Darauf haben wir vertraut. Nun stoppt der Bund völlig überraschend den Ausbau der Hellgrauen Flecken, bevor er in Sachsen überhaupt richtig starten konnte", erklärte der Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, Mischa Woitscheck.

Wenn der Bund jetzt nicht unverzüglich Finanzmittel nachlegt, käme das sprichwörtlich einer Bankrotterklärung des Bundesdigitalisierungsministers gleich.

André Jacob geschäftsführendes Präsidialmitglied des Sächsischen Landkreistages

Landkreistag kritisiert fehlende Informationen

"Dem Bund kann nicht erst seit gestern klar sein, dass die Bundesmittel für den Breitbandausbau knapp werden. Der Freistaat und seine Kommunen sind im Vorfeld darüber nicht informiert worden. Wenn der Bund jetzt nicht unverzüglich Finanzmittel nachlegt, käme das sprichwörtlich einer Bankrotterklärung des Bundesdigitalisierungsministers gleich", betonte das geschäftsführende Präsidialmitglied des Sächsischen Landkreistages, André Jacob.

CDU-Landtagsfraktion: Entscheidung ist inakzeptabel

Unverständlich findet die Entscheidung auch der digitalpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Eric Dietrich: "Diese Entscheidung, so Knall auf Fall, ist völlig inakzeptabel! Damit gerät der landesweite Ausbau überall dort, wo aktuell noch keine 100 Megabit pro Sekunde anliegen, ins Stocken. Der Bund muss daher den Stopp der Gigabit-Förderung sofort wieder aufheben."

Grüne-Landtagsfraktion: Digitaler Ausbau muss weitergehen

Ähnlich sieht das der digitalpolitische Sprecher der Grünen, Daniel Gerber: "Es darf jetzt keine Vollbremsung für den Ausbau der digitalen Infrastruktur geben, vielmehr braucht es eine Beschleunigung. Es ist für mich unbegreiflich, wieso das zuständige Bundesministerium die Einstellung der Förderung erst bekanntgibt, als es bereits zu spät ist und noch dazu kein Nachfolgekonzept vorliegt."

MDR (sth/dka)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 20. Oktober 2022 | 17:00 Uhr

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