Leipzig Ende einer Ära: 30 Jahre Sommertheater der Inselbühne in der Moritzbastei
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12. August 2024, 18:19 Uhr
Seit drei Jahrzehnten gibt es das Sommertheater der Inselbühne Leipzig. Und das erfolgreich: Alle Aufführungen der aktuellen Inszenierung "Playing Shakespeare – We lost in Confusion" sind ausverkauft. Doch jetzt soll Schluss sein. MDR KULTUR hat mit dem Leiter der freien Theatergruppe, Volker Insel, gesprochen.
- Vor 30 Jahren begannen die Sommertheater-Aufführungen der Inselbühne in der Moritzbastei Leipzig.
- In der aktuellen Produktion "Playing Shakespeare – We lost in Confusion" wird das Theater selbst zum Thema.
- Es besteht noch eine kleine Chance, dass das Sommertheater der Inselbühne in der Moritzbastei weitergeht.
Sommerschlussverkauf, oder: Alles muss raus – dieses saisonale Motto des Einzelhandels trifft jetzt offensichtlich auch eine sommerliche Kulturinstitution in Leipzig. Glaubt man der Ankündigung der Moritzbastei, des studentischen Kulturzentrums im Zentrum der Stadt, findet die aktuelle Sommertheaterproduktion der Inselbühne in diesem Jahr zum letzten Mal statt. Und das nach 30 erfolgreichen Jahren.
Für Volker Insel, den Namensgeber und Spiritus Rector dieser freien Theatergruppe, ist das trotz anfänglicher Enttäuschung offenbar kein Grund für einen Blick zurück im Zorn.
Wunderbares Theater an einem wunderbaren Ort
Als die damaligen Programm-Macher der Moritzbastei auf Insel zukamen und ihn fragten, ob er sich vorstellen könnte, hier eine Sommertheater-Produktion zu machen, war das der Beginn einer bis heute erfolgreichen Zusammenarbeit. Er war 1994 ein frisch mit dem Studium fertiggewordener Theaterwissenschaftler und Regisseur.
Für Insel ist die Inselbühne ein wunderbarer Ort, mitten in der Stadt. Er sagt: "Hier kommt täglich viel Laufpublikum und sieht, dass es am Abend Theater gibt." Und dann kämen die Menschen und machten die Hütte voll.
1995 ging es mit der spanischen Komödie "Donna Diana" los. Jetzt, knapp 25 Jahre später, soll alles ein Ende haben. Und das trotz nach wie vor ausverkauftem Haus.
Theater wird selbst zum Thema
"Playing Shakespeare – We lost in Confusion" heißt die aktuelle Produktion. Sie ist eine komödiantische Verquickung von Shakespeares "Komödie der Irrungen" mit einer selbsterfundenen Rahmenhandlung.
Das fünfköpfige Spielensemble kommt in bester Feierlaune an und guckt sich gleich einen Anspielpartner im Publikum aus: Onkel Hans-Heinrich. Der wird, egal wie alt er wirklich ist, just 75 und bekommt von seinen Verwandten eine Laienspiel-Variante der "Kömödie der Irrungen" geschenkt. Weil dieser Hans-Heinrich Shakespeare liebt und die notorisch klamme oder grundsätzlich gierige Verwandtschaft auf das Erbe des Onkels scharf ist.
Das Prinzip heißt also "Spiel im Spiel", das Theater selbst wird zum Thema – eine dieser Insel'schen Grundideen, die sich seit 30 Jahren wie ein roter Faden durchs Programm ziehen. "Rollator und Julia" hieß eine Variante dieses Liebes-Klassikers, die 2017 in einem Altenheim spielte. Don Carlos wurde auch schon mal auf dem Arbeitsamt gespielt. Die Zauberflöte gab's komplett – aber von hinten. Will heißen: aus der Garderobenatmosphäre.
Volker Insel liefert die Spielidee, schreibt den Text, nimmt im Regiestuhl Platz und setzt auf die freie kreative Entfaltung des Ensembles. Da kann die ursprüngliche Idee schon mal die eine oder andere Metamorphose erfahren. Theater als gelebtes Teamwork, auch unter Mitwirkung von Spezialkräften aus anderen Bühnenbereichen.
Altherrenhumor am Puls der Zeit
So wirkt in der aktuellen Produktion mit Maroush Boleyn sogar eine Burleske-Tänzerin mit. Die junge Frau, die noch nicht geboren war, als Insel in der Moritzbastei das erste Mal Sommertheater inszenierte, sorgt mit ihrer Kunst für bei Shakespeare nicht erwartete spezielle Höhepunkte. Lachend unterstellt sie Insel "ein bisschen Altherren-Humor" – aber einen guten, wie sie findet.
Schauspielkollege Brian Völker geht da noch ein Stückchen weiter und gibt zu Protokoll: "Volker Insel versteht sein Handwerk wie kein zweiter. Ich würde behaupten, es gibt kaum einen, der Komödie so gut bauen kann, wie er. Er lotet genau aus, wo die Überraschungseffekte sitzen und wie weh Komödie auch mal tun darf." Dabei, so der Schauspieler weiter, sei Insel am Puls der Zeit und an seinem Publikum dran, wie auch an den Bedürfnissen der Spielenden auf der Bühne.
Er lotet genau aus, wo die Überraschungseffekte sitzen und wie weh Komödie auch mal tun darf.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Warum dann Schluss nach 30 erfolgreichen Jahren und mit einem treuen Publikum, das gerne immer wieder kommt? Das Problem: "Die Leute sind mit uns älter geworden und die Moritzbastei hat erklärt, dass man als studentisches Kulturzentrum hier einen Verjüngungsprozess anstoßen will", so Insel.
Er ist aber offensichtlich noch nicht ganz raus aus dem Spiel. "Das ist keine Altersdiskriminierung, ich darf mich auch wieder bewerben", weiß er inzwischen. Und wir hoffen das Beste.
Quelle: MDR KULTUR (Wolfgang Schilling)
Redaktionelle Bearbeitung: op
Weitere Informationen
"Playing Shakespeare – We lost in Confusion"
Moritzbastei-Sommertheater der Inselbühne
Es spielen: Kristin Becker, Susanne Bolf, Stephan Fiedler und Brian Völkner
Special Guest: Maroush Boleyn
Regie: Volker Insel
Premiere am 26. Juli, bis 14. August
Laut Veranstalter sind alle Vorstellungen ausverkauft.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 12. August 2024 | 16:19 Uhr