Baustelle 2 min
Gestiegene Preise und Zinsen gefährden private wie staatliche Bauprojekte. Mehr dazu im Video. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Wirtschaft Kurzfristige Steuererhöhungen: Wie der Bau in die Krise rutscht

07. Januar 2024, 12:08 Uhr

Noch wird auf den Thüringer Baustellen bei gutem Wetter fleißig gearbeitet. Doch in einigen Monaten ist bei vielen Firmen das Auftragspolster abgearbeitet. Es kommen immer weniger Aufträge nach, egal, ob vom Staat, von Unternehmen oder Privatpersonen. Kurzarbeit droht. Doch einen kleinen Lichtblick gibt es.

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Wer sich die Konjunkturperspektiven des Müncher Ifo-Instituts ansieht, der findet auf Seite 15 sehr viel rote Farbe und fast kein Grün mehr. Hier werden Umfragedaten aus allen Teilen der Baubranche zusammengeführt. Beim Wohnungsbau ist in den vergangenen Monaten fast nur noch rot zu sehen, beim Tiefbau ist es nicht ganz so schlimm. Aber praktisch überall sind die Erwartungen niedrig, die Auslastung der befragten Unternehmen sinkt langsam.

Weniger Kredite und Ausschreibungen für den Bau

Den Trend bestätigt Colette Boos-John bei der Visite auf der Baustelle ihrer Bauer-Unternehmensgruppe in Erfurt. Ein paar Arbeiter werkeln mit Maschinen am Bau der Fundamente für ein Parkhaus. Das Projekt hat ein Volumen von insgesamt mehreren Millionen Euro über alle Gewerke hinweg. "Aber tatsächlich ist es so, dass wir schon seit 2022 merken, dass die Ausschreibungen weniger werden. Vom Bund, von den Ländern und Kommunen", sagt die Unternehmerin, die auch Vizepräsidentin der IHK Erfurt ist.

Luftbilder Erfurt, an der Neuwerkstrasse entsteht ein neues Wohn- und Geschaeftshaus
Großprojekte wie hier der Bau eines Wohn- und Geschäftshauses in der Erfurter Innenstadt werden seltener. Bildrechte: IMAGO/Karina Hessland

Die Haushalte hätten zu wenig Geld für Investitionen in Infrastruktur im Plan. Und die Baupreise sind gestiegen. "Das Gleiche passiert im gewerblichen und privaten Bereich", berichtet Boos-John. Dass es hier klemmt, bestätigt auch die Sparkasse Mittelthüringen mit Blick auf die Vergabe von Baukrediten seit Beginn des Ukraine-Kriegs. "Wir reden von Rückgängen um 50 Prozent und mehr. Weil die Zinsen gestiegen sind und die Baupreise auch", sagt Patrick Schmidt, Bereichsleiter Privatkunden.

30 Prozent weniger Genehmigungen

Zudem habe sich auch manches Unternehmen jetzt sehr genau überlegt, ob gerade gebaut werden muss. Wegen der angespannten wirtschaftlichen Lage liegen Bauprojekte auf Eis. Unterm Strich werden dann weniger Baugenehmigungen beantragt und erteilt. Das Landesamt für Statistik verbuchte in diesem Jahr von Januar bis Oktober - aktuellere Daten liegen bisher nicht vor - etwa 2.800 Baugenehmigungen quer durch alle Bereiche. Im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor waren es noch etwa 4.000. Das ist ein Minus von etwa 30 Prozent.

Und was nicht beantragt und genehmigt ist, kann auch nicht so schnell gebaut werden. Der Hauptgeschäftsführer des Thüringer Handwerkstags, Thomas Malcherek, hatte kurz vor Ende des Jahres 2023 gesagt, ab Ostern könne es deshalb Kurzarbeit geben in Betrieben des Bauhandwerks. Immerhin - etwas besser ist die Lage bei Modernisierungen. Maler, Sanitärunternehmen oder Elektrotechniker hätten derzeit noch reichlich zu tun.

CO2-Steuer steigt

Die Bauunternehmerin hingegen sieht auch die zum Jahreswechsel steigenden Kosten. Dass die CO2-Steuer praktisch ohne Vorankündigung nicht nur von 30 auf 40, sondern auf 45 Euro steigt, sei mehr als ärgerlich. Ein Großteil des CO2 in Deutschland werde auf dem Bau ausgestoßen, zum Beispiel bei der Herstellung von Beton. Und für Baumaschinen wird der Sprit teurer als gedacht.

"Bei laufenden Projekten ist das aber gar nicht einkalkuliert", sagte Boos-John MDR THÜRINGEN. Auf diesen Mehrkosten blieben die Unternehmen dann in der Regel sitzen. Dass es demnächst besser wird, damit rechnet sie nicht. Dafür gebe es keine Zeichen. "Im Gegenteil. Wir sehen keine Planbarkeit." Die sei aber das A und O. "Wir können mit Veränderungen umgehen. Aber wenn ich lange Zeiträume kalkulieren muss, brauche ich langen Vorlauf." Deswegen seien Preisgleit-Klauseln wieder nötig, fordert sie. Auf diese Weise müssten Auftraggeber mehr zahlen, wenn außerplanmäßig Kosten bei einem Bauprojekt steigen.

Sinkende Steuer und geringere Zinsen könnten Nachfrage ankurbeln

Immerhin sieht die Sparkasse Mittelthüringen etwas Licht am Horizont. Zum Jahresende 2023 hätten einige Kunden ihr Bauprojekt etwas aufgeschoben, um von der zum Jahreswechsel gesunkenen Grunderwerbsteuer zu profitieren. "Fünf Prozent statt 6,5 Prozent, das macht bei einem Projekt mit oft mehreren Hunderttausend Euro Umfang schon was aus", sagt Sparkassen-Mann Patrick Schmidt. Zudem würden die Zinsen sehr wahrscheinlich nicht weiter steigen. Die Bank erwarte eher ein leicht sinkendes Niveau. Und sollten private Bauprojekte so wieder erschwinglicher werden, könnten wieder mehr Menschen versucht sein, neu zu bauen.

MDR (fg/dr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 05. Januar 2024 | 19:00 Uhr

103 Kommentare

MDR-Team vor 18 Wochen

Kurz und knapp: Die Netzfrequenz ist lediglich ein Indikator für lastbedingte Probleme. Weicht sie ab, ist es ein Zeichen für Probleme. Mehr hier: https://www.interconnector.de/wissen/netzfrequenz/

wo geht es hin vor 18 Wochen

"Und dieses Gleichgewicht musste schon immer ständig nachgeregelt werden."
Na Sie haben es doch begriffen! Warum eiern Sie dann so rum, indem Sie hier suggerieren, daß der Strom aus "Erneuerbaren" gleichmäßig und IMMER zur Verfügung steht? Das tut er nämlich nicht und belastet die Stromnetze dermaßen, daß ständig die Gefahr besteht, die 50 HZ - Grenze nach oben oder unten zu reissen. Um das zu verhindern, braucht man herkömmliche, GRUNDLASTFÄHIGE Kraftwerke, die das können. Und DAS sind nun mal KEINE Windräder oder Solaranlagen. DIE sorgen nur regelmäßig dafür, daß ständig mehr Redispatchmaßnahmen getroffen werden müssen, um das Netz einigermaßen stabil zu halten.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.
PS: Eine Netzfrequenzmessung ist zwar immer sinnvoll und auch notwendig, aber nicht die Erklärung dafür, daß Flatterstrom nach Ihrer Vorstellung grundlastfähig sein soll. Ist er aber nicht.

wo geht es hin vor 18 Wochen

Mit den 50 HZ meine ich die Frequenz, die zwingend notwendig ist, um das Netz stabil zu halten. Da "erneuerbare Energien" die dumme Eigenschaft haben, nicht gleichmäßig zur Verfügung zu stehen (volatil sind), ist es notwendig, diese (teils enormen) Schwankungen mit herkömmlichen Kraftwerken (Atom, Kohle, Gas) auszugleichen und zu stabilisieren. Wenn die 50 HZ - Marke nur ein klein wenig nach oben oder unten überschritten wird, droht die Gefahr eines Brownoutes oder im schlimmsten Fall sogar der Blackout. Aber das habe ich weiter oben eigentlich schon kurz und knapp beschrieben.

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