Das Wort Wahlkampf steht auf einer Tastatur
Zur Landtagswahl in Thüringen bringen sich nicht nur Parteien ein. Vereine und Lobbygruppen wollen Wähler zum Beispiel im Internet oder mit Zeitungen überzeugen. Bildrechte: PantherMedia/Karsten Ehlers

Wahlkampf in Thüringen Vereine und Lobbygruppen wollen Einfluss auf Landtagswahl nehmen

24. Oktober 2019, 05:00 Uhr

In Thüringen wird am Sonntag ein neuer Landtag gewählt. Die Parteien kämpfen auf den letzten Metern um jede Stimmen. Doch nicht nur sie versuchen, Wählerinnen und Wähler für sich zu gewinnen: Auch Vereine und Lobbygruppen sind im Wahlkampf aktiv.

Danie und Ralf stehen an einem sonnigen Strand. Der Wind fährt dem netten jungen Paar durch die Haare und das Wellenrauschen ist zu hören. Beide berichten von ihrer Weltreise, auf der sie sich gerade in Australien befinden. Sie erzählen davon, wie herzlich sie in fremden Ländern als Gäste aufgenommen wurden. Doch ihre Heimat Thüringen, aus der beide nämlich kommen, mache ihnen derzeit Sorgen. Es gehe um die Miesepeter im Land, die alles schlecht redeten, Hass und Hetze verbreiteten. Sie selber könnten zwar nicht wählen gehen, weil sie derzeit keinen Wohnsitz in Deutschland haben. Aber die Zuschauer ihres kleinen Videos könnten das, also sollten sie zur Wahl gehen und sich für ein weltoffenes Thüringen einsetzen.

Kampagne von Campact zur Landtagswahl in Thüringen

Der kurze Spot wird derzeit tausendfach in die Timelines von Facebook- und Instagram-Nutzern eingespeist. Wer nicht genau hinschaut, übersieht, dass es sich um einen sogenannten gesponserten Beitrag handelt. Sprich: Jemand hat dafür bei Facebook und Co. für die Ausspielung gezahlt. Hinter der Aktion steckt einer der aktivsten Kampagnen-Vereine in Deutschland: Campact e.V.. Mit einem Millionen-Jahresbudget ausgestattet, setzt sich Campact vor allem für den Klimaschutz ein. In der Zentrale in Berlin sitzen Spezialisten, die innerhalb nur weniger Tage eine bundesweite Kampagne für oder gegen etwas in Gang setzen können. Unterstützt werden sie dabei von Zehntausenden Spendern, die dafür die Mittel bereitstellen können.

Screenshot eines Videos von Campact mit Danie und Ralf zur Landtagswahl in Thüringen
Screenshot des von Campact finanzierten Spots von "Danie und Ralf" zur Landtagswahl in Thüringen. Bildrechte: Campact e.V.

Campact legt seine Kosten offen

Für die Internetaktion zur Landtagswahl wurden nach Angaben von Campact bisher 12.000 Euro ausgegeben. Es gebe derzeit sechs kleine Videos, die allesamt von freiwilligen Campact-Unterstützern aus Thüringen gedreht worden seien. Das Ziel der Kampagne sei zum einen, eine hohe Wahlbeteiligung zu erreichen und zum anderen einen Rechtsruck zu verhindern. Im Klartext: viele Menschen zur Stimmabgabe für alle Parteien zu bewegen, die nicht rechtspopulistisch, nicht rechtsradikal oder nicht rechtsextrem sind.

Campact wird eine politische Nähe ins links-grüne Lager nachgesagt. Der Verein selbst sieht sich unabhängig, auch wenn es bei seinen Aktionen inhaltliche Schnittmengen mit Parteien wie den Grünen oder Linken gibt. Doch die aktuellen kleinen Wahlfilme vermeiden eine Empfehlung für eine bestimmte Partei. Lediglich in einem Testspot lobte ein Mann die Umweltpolitik der Thüringer Grünen. Auf MDR THÜRINGEN-Nachfrage erklären die Thüringer Grünen, dass sie keinen Anteil an der Campact-Kampagne hätten. So sei weder Geld gezahlt, noch sei inhaltlich an den Spots mitgearbeitet worden. Auch die Thüringer Linken gaben an, mit der Aktion nichts zu tun haben.

Doch über dem Himmel von Campact sind dunkle Wolken aufgezogen. Denn das Berliner Finanzamt hat dem Verein die Gemeinnützigkeit aberkannt. Damit können Spender ihre Zahlung nicht mehr steuerlich geltend machen. Was für Campact ein herber Schlag sein dürfte, denn damit sinkt der Anreiz zu spenden und damit könnte Geld in der Kasse für künftige Kampagnen wie die in Thüringen fehlen.

"Neues Gera" - wer bezahlt für die AfD-Wahlkampf-Anzeigen?

Dieses Problem hat Harald Frank nicht. Denn ihm gehört das Anzeigenblatt "Neues Gera", in dem die AfD seit Wochen mit prominent platzierten Anzeigen auftaucht. Bislang unklar allerdings ist, wer für die AfD-Werbung in der kostenlosen Wochenzeitung, die nach eigenen Angaben "rund 50.000 Haushalte" in Gera erreicht, bezahlt hat. In dieser und in der vergangenen Woche erschien das Anzeigenblatt mit mehrseitigen "Verlagssonderveröffentlichungen" zur Thüringer Landtagswahl. In der Ausgabe Nummer 41 vom 16. Oktober 2019 finden sich auf diesen Wahl-Sonderseiten insgesamt neun Anzeigen, die für die AfD werben. In Ausgabe Nummer 42 sind es sieben. Mit den teilweise ganzseitigen Anzeigen werben auch die Geraer AfD-Kandidaten zur Landtagswahl Dieter Laudenbach und Wolfgang Lauerwald für ihre Politik.

Ein Blick auf die "Preisliste" der Verlag Dr. Frank GmbH gibt einen Eindruck davon, welchen Wert die Veröffentlichungen der insgesamt 16 AfD-Anzeigen in den vergangenen beiden Ausgaben in etwa haben könnten. Allein der "Grundpreis" für die ganzseitige Wahlkampf-Anzeige, mit der Laudenbach und Lauerwald für sich werben, beträgt 3.173,40 Euro. Dazu müssten der zehnprozentige Aufpreis für die Platzierung sowie der Aufpreis für den Mehrfarbdruck kommen.

Thüringer Landes-AfD hat keine Anzeige geschaltet

Dabei scheint unklar, ob die AfD für die AfD-Anzeigen in den vergangenen beiden "Neues Gera"-Ausgaben bezahlt hat. Auf Anfrage von MDR THÜRINGEN teilte Landesvorstandsmitglied Torben Braga mit: "Der Landesverband Thüringen der AfD hat im laufenden Landtagswahlkampf und in den Monaten davor keine Anzeigen in 'Neues Gera' geschaltet bzw. in Auftrag gegeben. Zwischen dem Herausgeber der Zeitung 'Neues Gera' und dem Landesverband Thüringen der AfD gibt es keine 'Absprachen'". Der Stadtverband der AfD in Gera, dessen Vorsitzender und stellvertretender Vorsitzender die Landtagswahlkandidaten Lauerwald und Laudenbach sind, sowie die Verlag Dr. Frank GmbH reagierten auf mehrfache Anfragen von MDR THÜRINGEN hingegen nicht. Fragen danach, wer die AfD-Anzeigen schaltete, wer sie bezahlte, wie teuer sie waren, zu welchen finanziellen Konditionen sie veröffentlicht wurden, ob es Zahlungsbelege oder Quittungen dafür gibt, oder ob es dazu Absprachen zwischen der Verlag Dr. Frank GmbH und der AfD gab, blieben unbeantwortet.

Andere Parteien dagegen wie etwa die Linke in Gera geben durchaus Auskunft über ihre Landtagswahlkampf-Werbemittel. So teilte der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Geraer Stadtrat, Andreas Schubert, mit Blick auf eine auf der Titelseite der Nummer 41 durch seinen Stadtverband geschaltete Anzeige mit: "Die Anzeige letzte Woche kostete 279,65 Euro."

Harald Frank: Herausgeber, Publizist, AfD-Stadtrat

Unternehmer Harald Frank, der die kostenlose Wochenzeitung "Neues Gera" herausgibt, engagiert sich in Gera gleichzeitig als AfD-Stadtrat. Dass Frank selbst der AfD angehört, ist für die Leser der Wochenzeitung allerdings nicht sofort ersichtlich. Im Impressum ist davon keine Rede. Ein denkbares "Vorwort des Herausgebers", in dem Franks Doppelrolle als Herausgeber und AfD-Politiker thematisiert werden könnte, gibt es nicht. Allein in seinen eigenen Texten, die der gelernte Chemiker für die Wochenzeitung unter der Überschrift "Nachgestochen" verfasst, gibt er sich als AfD-Mandatsträger zu erkennen. In seinen Meinungsbeiträgen bedient sich Harald Frank allerlei verbaler Spitzen ("Pöbelfraktion der Linken" / "Schäbige Demonstration der Macht", beide Nummer 37).

Auch die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld schreibt in Harald Franks Wochenzeitung. Ihre Texte tragen Überschriften wie "Mit FFF in die Ökodiktatur" (Nummer 41). Wegen solcher Inhalte hat sich der Geraer Stadtverband von Bündnis90/Die Grünen inzwischen dazu entschlossen, keine Anzeigen mehr - für die die Partei in der Vergangenheit bezahlt hatte - in der Wochenzeitung "Neues Gera" zu veröffentlichen. Als Grund dafür nannte der Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Nils Fröhlich, auf Anfrage: "AfD-Lastigkeit". Harald Frank selbst nahm auf mehrfache Anfrage von MDR Thüringen nicht zu seiner Mehrfachrolle als Herausgeber, Publizist und AfD-Mandatsträger Stellung. Ebenfalls unbeantwortet ließ der Unternehmer mit Parteibuch die Frage, welche politischen Ziele er mit seiner publizistischen Tätigkeit verfolge.

"Der Wahlhelfer": Verein will Einfluss nehmen

Überhaupt ist Vera Lengsfeld im laufenden Thüringer Wahlkampf sehr umtriebig. Sie schreibt nicht nur im "Neuen Gera", sondern gibt gemeinsam mit anderen auch ein eigenes Blatt heraus. Es nennt sich "Der Wahlhelfer" und wurde in Thüringen bisher eine halbe Million Mal in Briefkästen verteilt. Interessant ist, dass im Impressum steht, dass die Zeitung nicht für Wahlkampfzwecke verwendet werden darf, obwohl sie sich "Der Wahlhelfer" nennt und sich nur mit Themen beschäftigt, die bei dieser Landtagswahl wichtig sind. Vor allem aber machen sich die Blattmacher, die zur "Vereinigung Freier Medien" gehören, für eine künftige Koalition zwischen der Thüringer CDU und der AfD stark. Und sie wissen, wie das Tabu und die Vorbehalte bei der Thüringer Union ausgeräumt werden könnten: Björn Höcke müsse sich zurückziehen, schreiben sie. Er sei das Hindernis für ein solches Bündnis.

Der Wahlhelfer Zeitung Landtagswahl Thüringen
Im "Wahlhelfer" wird unter anderem für eine Koalition aus CDU und AfD geworben. Bildrechte: MDR/Der Wahlhelfer

Finanziert von Gönnern

"Der Wahlhelfer" ist im Gegensatz zu "Neues Gera" keine Anzeigenzeitung, die regelmäßig erscheint. Hanno Vollenweider, einer der Initiatoren, sagte MDR THÜRINGEN, in erster Linie soll auf diesem direkten Weg in die Briefkästen die Arbeit der Vereinsmitglieder bekannter gemacht werden, die vor allem Blogger und freie Autoren seien. Die AfD-Ausrichtung des Blattes ist aber deutlich zu erkennen, denn unter anderem schreibt mit Matthias Wohlfahrt der Vorgänger von Björn Höcke als AfD-Landeschef. Trotzdem sehe man sich nicht als ein Parteiorgan der AfD, erklärt Vollenweider. Die AfD habe weder einen inhaltlichen noch einen finanziellen Anteil an dem Blatt. So habe es auch keine Exemplare an die AfD zur Verteilung im Wahlkampf gegeben. Gefragt nach der Finanzierung heißt es, sie werde getragen durch die Vereinsmitglieder und Gönnern - keine weiteren Auskünfte. Die AfD Thüringen erklärte auf Anfrage, dass es keine Beteiligung an dem Blatt in irgendeiner Form gegeben habe.

Anmerkung der Redaktion vom 25. Oktober 2019: Gegen "Der Wahlhelfer" ist eine einstweilige Verfügung erlassen worden. Hier mehr dazu erfahren.

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 24. Oktober 2019 | 06:00 Uhr

37 Kommentare

JanoschausLE am 25.10.2019

Tja Jens, wie Sie schon schreiben "die anderen (jaja, immer die anderen) Parteien und werden ganz offen...", sowas nennt man in der Demokratie "Transparenz", und die lässt die AfD vermissen, sogar Illegale Parteispenden haben die. Und dann, als es aufliegt, erstmal abstreiten, dann "aber die Anderen...", dann kommt raus, dass Strohmänner als spender angegeben werden. Die Saubermannpartei ist eben nicht sauber, Wahlkampf hin, Wahlkampf her. Ich bin kein Freund von dieser Spenderei, ist aber legal.Und die AfD machts dann trotzdem noch illegal.Also, wenn ich ne Partei ins Rennen schicken würde, ich würde es so machen, dass nichts angreifbar wäre, gerade Finanzen.Da hilft auch nicht "wir sind eine junge Partei",könnte ja ein Fahranfänger auch sagen"ich wüsste noch nicht, dass ich keine Flasche Wein vorm Fahren trinken darf". Unter Lucke gab's das nicht. Geht Vereinen und Gewerkschaften nicht anders.Die müssen auch sauber sein. Die GDL ist auch eine recht junge Gewerkschaft, Null Skandale

Stealer am 25.10.2019

@Rico Marbach: Ich bin steuerzahlender Bürger und Ihre "Alternative" ist nicht die meine. Im übrigen ist die AfD in guten Teilen reaktionär und nicht konservativ, und ein großer Teil der Wähler im Osten ist keines von beiden, da sie überwiegend aus Protest und einigen wenigen Punkten (Asyldebatte z.B.) gewählt wird. Das Wirtschaftsmodell der AfD ist deutlich neoliberal und nützt uns hier im Osten rein garnichts. Falls diese Partei in Regierungsverantwortung gerät, werden wir immer noch keine Tarifverträge haben, stattdessen werden Sozialprogramme gestrichen. Und selbst wenn kein einziger Flüchtling hier lebt, wird man sich andere "Feinde" suchen - die EU, den Westen, das Ausland, Minderheiten, Arbeitslose, Künstler, Journalisten, Linke, Grüne, Liberale, Christen, nicht genug Konservative... . Diese Vorhergehensweise ist nicht neu und führt in den Abgrund.

Stealer am 25.10.2019

@Udo: Doch, doch - das wurde durch die AfD aufgekündigt. Zum Beispiel (eines von vielen) wenn alle anderen Parteien als "Schande für jedes deutsche Parlament" (Brandner) bezeichnet werden.

Das sich die angesprochenen Parteien gegen Beleidigungen, Verunglimpfungen, Diffamierungen und die platte Lügenpropaganda - in der die Kritik an der Verbreitung von Unwahrheiten und Hetze als Zeichen fehlender Meinungsfreiheit gebrandmarkt wird - dieser Partei wehren und sie ausgrenzen ist ja wohl logisch. Dass sich die Afd und ihre Anhänger dann weinerlich als Opfer darstellen ist halt ihre Methode. Man sieht es an Ihnen.

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