Geschäftsführender Ministerpräsident Streit um mögliche Minderheitsregierung in Thüringen

21. Oktober 2019, 18:40 Uhr

In Thüringen gibt es Streit um eine mögliche rot-rot-grüne Minderheitsregierung nach der Wahl. Dabei geht es darum, in welchem Umfang das bisherige Kabinett einfach weiter regieren kann. Anlass sind Äußerungen von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). In einem Zeitungsinterview hatte Ramelow bestritten, in diesem Fall lediglich geschäftsführend im Amt zu sein. Diese Aussage hatte CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring heftig kritisiert. Doch wie ist die Verfassungslage?

Die Wellen schlagen hoch. In einem Interview mit "Thüringer Allgemeine" und "Thüringischer Landeszeitung" hatte Ramelow erklärt: "Ich bin nicht geschäftsführend im Amt. Ich bin einfach im Amt." Eine Aussage, die CDU-Chef Mike Mohring auf die Palme bringt. "Die Absicht, trotz Abwahl einfach sitzen zu bleiben, spottet allen demokratischen Grundregeln Hohn." Empörung auch bei der AfD. Deren Landessprecher Stefan Möller warf Ramelow vor, auf die demokratische Legitimation durch den Landtag zu pfeifen. Dafür gebühre ihm die Rote Karte vom Wähler.

Thüringens Verfassung regelt Geschäftsführung des Ministerpräsidenten

Die Thüringer Verfassungslage ist eigentlich relativ klar. In Artikel 75 heißt es: "Die Amtszeit der Mitglieder der Landesregierung endet mit dem Zusammentritt eines neuen Landtags [...]." So weit, so gut. Ergänzend heißt es aber auch: "Der Ministerpräsident und auf sein Ersuchen die Minister sind verpflichtet, die Geschäfte bis zum Amtsantritt ihrer Nachfolger fortzuführen." Wichtig: Die Verfassung nennt keine Frist, bis zu der ein neuer Ministerpräsident gewählt werden muss. Theoretisch könnte Ramelow also eine gesamte Legislaturperiode und - falls es dann keine klare Mehrheit gibt - auch darüber hinaus weiter amtieren. Einziger Unterschied zu einem gewählten Ministerpräsidenten: Nach dem Ausscheiden eines Ministers aus dem Kabinett darf der Thüringer Regierungschef nicht einfach einen Nachfolger berufen. Er müsste vielmehr einen anderen Minister beauftragen, auch die Geschäfte dieses Ressorts zu führen.

Geschäftsführende Ministerpräsidenten in Thüringen nicht neu

In jedem Fall wäre Ramelow nicht der erste Thüringer Ministerpräsident, der geschäftsführend im Amt bleibt. Dies war auch schon bei den Übergängen von Dieter Althaus (CDU) zu Christine Lieberknecht (CDU) und beim Amtswechsel zwischen Lieberknecht und Ramelow so. Allerdings mit kleinen Nuancen. Althaus war wenige Tage nach der Landtagswahl und dem Verlust seiner absoluten Mehrheit Hals über Kopf als Ministerpräsident zurückgetreten, noch bevor sich der neu gewählte Landtag konstituierte. Auch damals wurde schnell klar, dass Althaus ungeachtet seiner Rücktrittserklärung zunächst weiter im Amt bleiben musste. Er blieb es, bis zwei Monate später Lieberknecht zur Ministerpräsidentin gewählt wurde.

Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht
Die Rolle der Ministerpräsidentin nach einer Wahl beschäftigte auch schon Christine Lieberknecht von der CDU. (Archivfoto) Bildrechte: MDR/ Lina Jünger

2014 schließlich kokettierten Lieberknecht und ihr Umfeld ebenso mit der Möglichkeit, dass es im Landtag aufgrund von Abweichlern nicht zu einer Mehrheit der neuen rot-rot-grünen Koalition für Ramelow reichen könnte und die CDU-Frau dann einfach mit ihrem CDU-SPD-Kabinett im Amt geblieben wäre. Besonderheit damals: Neben Rot-Rot-Grün hätte auch Schwarz-Rot im Landtag weiter eine Mehrheit gehabt. Da Ramelow aber knapp drei Monate nach der Wahl vom Landtag zum Ministerpräsidenten gekürt wurde, hatten sich auch diese Gedankenspiele letztlich erledigt.

Fristen zur Wahl des Ministerpräsidenten in Sachsen und Bayern

Blickt man über die Thüringer Landesgrenzen hinaus, so haben manche Nachbarländer durchaus Fristen für die Wahl des Ministerpräsidenten in ihre Verfassung geschrieben. Den engsten Zeitrahmen hat Bayern. Hier muss sich der neugewählte Landtag drei Wochen nach der Wahl konstituieren und binnen einer weiteren Woche einen Ministerpräsidenten wählen. Gelingt die Neuwahl binnen vier Wochen nicht, so muss der Landtag aufgelöst werden. Nicht ganz so eng ist der Zeitkorridor in Sachsen. Hier kommt es zwingend zu Neuwahlen, wenn sich der Landtag vier Monate nach der Wahl noch nicht auf einen neuen Ministerpräsidenten geeinigt hat.

Im Gegensatz zu den beiden anderen Freistaaten hat Hessen eine ähnliche Rechtslage wie Thüringen. Hier muss eine Regierung nach einer Landtagswahl zwingend zurücktreten, bleibt aber bis zu einer Neuwahl des Ministerpräsidenten geschäftsführend im Amt. Wie in Thüringen ist diese Zeit der geschäftsführenden Regierung nicht zeitlich begrenzt. Und in Hessen hat es diesen Fall auch schon einmal gegeben.

Roland Koch in Hessen ein Jahr geschäftsführend im Amt

Nach der Wahl im Januar 2008 hatte die CDU unter Roland Koch ihre absolute Mehrheit verloren und auch keine Mehrheit gemeinsam mit der FDP. Andererseits hatte aber auch SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti zunächst keine Mehrheit, da sie vor der Wahl eine Zusammenarbeit mit der Linken ausgeschlossen hatte. Die von ihr zunächst angestrebte rot-grüne Koalition hatte aber ebenso wie Schwarz-Gelb nicht die für eine Ministerpräsidentenwahl nötige Zahl der Mandate. Koch blieb daher ein Jahr geschäftsführend im Amt. Als der Versuch Ypsilantis scheiterte, doch mit Hilfe der Linken eine Regierung zu bilden, gab es Neuwahlen. Diese ergaben dann im Januar 2009 eine Mehrheit für CDU und FDP, sodass Koch schließlich erneut zum Ministerpräsidenten gewählt wurde.

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 21. Oktober 2019 | 18:00 Uhr

29 Kommentare

Realist2014 am 22.10.2019

„Und Herrn Mohring liegt bekanntlich die Verkehrssicherheit so sehr am Herzen, dass er mit 180 km/h über die Landstraße brettert.“ Aha, passt ja voll zum Thema. Ich hatte heute übrigens Spaghetti zum Mittag.

martin am 22.10.2019

Ich bin zwar weder Breakpoint noch sein Pressesprecher: Aber weshalb "FakeNews" verbreiten? Breakpoint hat eine Frage gestellt. Und Herrn Mohring liegt bekanntlich die Verkehrssicherheit so sehr am Herzen, dass er mit 180 km/h über die Landstraße brettert. Und eine Koalition mit den Linken hat er auch ausgeschlossen.

martin am 22.10.2019

Sind Sie sich da sicher? Das gezeigte Demokratieverständnis stellt das nicht unter Beweis. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich Herr Mohring "unter Zurückstellung erheblicher persönlicher Bedenken in staatspolitischer Verantwortung und aus Respekt vor dem Parlament / dem Wählerwillen / der Demokratie dem Landtag eine Auswahlmöglichkeit anbietet". Und er kann ja schließlich nichts dafür, von wem er gewählt wird....

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