Erschöpfung und Atemnot Long-Covid-Patienten warten lange auf Behandlung oder Reha

03. März 2023, 13:49 Uhr

Drei Jahre nach dem ersten Corona-Fall in Thüringen müssen viele Long-Covid-Patienten noch immer lange auf Hilfe warten. Die Krankheit ist komplex - mit Symptomen wie Erschöpfung, Atemnot und verringerter Leistungsfähigkeit. Thüringenweit gibt es zehntausende Betroffene.

Rund drei Jahre nach dem ersten registrierten Corona-Fall in Thüringen müssen viele Long-Covid-Patienten lange auf eine Behandlung oder Reha warten. Bei einem Teil der Patienten bessern sich die Symptome nach Monaten, bei anderen nicht, wie der Leiter des Jenaer Post-Covid-Zentrums, Andreas Stallmach, sagte. Das Zentrum am Uniklinikum Jena gehört zu den deutschlandweit führenden Einrichtungen für Long-Covid-Patienten.

Rund 80.000 Long-Covid-Betroffene in Thüringen

In Thüringen leiden laut Stallmach etwa 80.000 Menschen an den Spätfolgen einer Corona-Infektion. Noch gebe es für sie keine wirklich ursächliche Behandlung, keine Medikamente. Am Post-Covid-Zentrum sind momentan mehr als 1.800 Patienten in ambulanter Behandlung, über 300 stehen auf einer Warteliste. Termine sind laut Stallmach bis in den Spätherbst ausgebucht.

Dringend brauche es eine Tagesklinik für diese Patienten, so der Experte. Doch am Uniklinikum fehle der Platz dafür - und das Geld, um Flächen dafür anzumieten und umzubauen.

Reha-Klinik für Long-Covid-Patienten als letzte Hoffnung

Letzte Hoffnung für viele Patienten ist eine Reha-Klinik wie in Bad Sulza, wo schon 2.000 Patienten mit Long-Covid-Symptomen behandelt wurden. Nach Angaben von Geschäftsführer Mark Förste stehen aktuell 30 bis 40 Reha-Plätze in der Fachabteilung Pneumologie für die Behandlung zur Verfügung.

Wir haben es tatsächlich mit Erschöpfungssymptomen zu tun und dadurch sind psychotherapeutische Anwendungen, Gedächtnistraining in den Vordergrund gerückt, die hier vorher in der Reha überhaupt keinen Platz hatten.

Sebastian von Kügelgen Chef-Pneumologe im Klinikzentrum Bad Sulza

Doch habe sich durch die deutlich harmlosere Omikron-Variante auch die Symptomatik von Long- und Post-Covid verändert. "Jetzt haben wir nur noch sehr selten Patienten mit Pneumonien. Wir haben es tatsächlich mit Erschöpfungssymptomen zu tun und dadurch sind psychotherapeutische Anwendungen, Gedächtnistraining in den Vordergrund gerückt, die hier vorher in der Reha überhaupt keinen Platz hatten", so Sebastian von Kügelgen, Chef-Pneumologe im Klinikzentrum.

Gleichwohl hätten sanftes Belastungstraining und Inhalationen zur Verbesserung der Lungenleistung immer noch einen hohen Stellenwert.

Blick auf die Asklepios Parkklinik in Bad Salzungen
In die Asklepios Parkklinik in Bad Salzungen kommen Patienten aus ganz Deutschland. Bildrechte: imago/Karina Hessland

Die Asklepios-Parkklinik in Bad Salzungen zählte nach eigenen Angaben bislang rund 3.000 Patienten. Sie hat die Bettenzahl für diese Patienten aufgestockt - doch es reicht nicht. Auf einen Platz in einer Reha-Klinik müssen Long-Covid-Patienten bis zu sechs Monate warten.

Reha-Aufenthalt drei bis vier Wochen

Die Patienten kommen nach Angaben von Chefarzt Andreas Dösch aus ganz Deutschland und auch aus dem Ausland nach Bad Salzungen. Die Aufenthaltsdauer in der Reha-Klinik habe sich durchschnittlich etwas verkürzt und betrage derzeit je nach Beschwerden drei bis vier Wochen.

Auch Chefarzt Andreas Dösch sagte, dass sich die Art der Beschwerden und auch die Therapieangebote im Vergleich zum ersten Corona-Jahr verändert hätten. Er sehe deutlich seltener als noch in der Anfangsphase der Pandemie Patienten mit massiv veränderter Lungenstruktur. Inzwischen sei das Beschwerdebild deutlich vielschichtiger.

Vielschichtiges Beschwerdebild

Dazu zählten neben Atemnot Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, ausgeprägte Erschöpfung (Fatigue), Haarausfall und ein schneller Puls. Es würden zunehmend Patienten behandelt, bei denen die Infektion zunächst milde verlaufen sei, wo Symptome jedoch fortbestehen oder im Verlauf neu hinzukommen. Die Klinik habe das Behandlungsangebot entsprechend angepasst.

Mann in grünem T-Shirt trainiert auf einem Fitnessfahrrad in einem Raum mit mehreren alten Männern zusammen.
Zur Reha in Bad Salzungen gehört auch ein körperliches Training, das auf die individuelle Belastbarkeit der Patienten ausgerichtet ist. (Symbolbild) Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

So sieht das sogenannte Pacing-Konzept vor, das körperliche Training nach der individuellen Belastbarkeit der Patienten auszurichten, um sie nicht zu überanstrengen. Auch psychologische Angebote, neurokognitives Training und Naturheilverfahren wie Soleinhalation und Aromatherapie wurden ausgebaut. Viel Wert legt Dösch auf die Nachsorge beispielsweise durch Reha-Sport oder Tele-Reha-Nachsorge.

Weniger ist mehr.

Sebastian von Kügelgen Chef-Pneumologe im Klinikzentrum Bad Sulza über die Behandlungen für die Patienten

In Bad Sulza verfolgt man laut Chef-Pneumologen Sebastian von Kügelgen einen sogenannten edukativen Ansatz, das heißt, die Patienten müssen ihr Leben ändern, um sich stärker auf die unterschiedlichen Symptome wie Erschöpfung, Atemprobleme und Konzentrationsschwäche einzustellen. Hier gelte, weniger ist mehr, so von Kügelgen.

Erster Long-Covid-Fall in Bad Sulza April 2020

Der erste Nach-Corona-Patient wurde am 30. April 2020 in Bad Sulza aufgenommen. Seitdem habe die Klinik nach eigenen Angaben selbst Therapien entwickeln müssen, da es keine Erfahrungen mit dem seinerzeit noch unbekannten Long-Covid-Syndrom gab. Viele eigene Reha-Ansätze hätten sich mittlerweile zu klinikweiten Standardverfahren entwickelt.

Aber auch in Bad Sulza brauchen Patienten viel Geduld, um einen Reha-Platz zu bekommen. Eine Wartezeit von mehreren Monaten sei normal. Und: Die meisten Patienten gehen nach der dreiwöchigen Reha nicht völlig gesund nach Hause.

MDR (rub/prell/uka/caf)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 03. März 2023 | 08:00 Uhr

10 Kommentare

Matthi am 03.03.2023

Es ist zwar schlimm das in unseren ach so tollen Gesundheitssystem auch Long Covid erkrankte lange warten müssen, aber das müssen auch andere Erkrankte. Es ist doch mittlerweile keine Seltenheit ein halbes Jahr und länger auf einem Facharzt Termin zu warten wenn überhaupt neue Patienten genommen werden.

Atze71 am 03.03.2023

@klaus ... So wie "Kopfschüttler" argumentiert hätte er uns Ungeimpfte sicher auch gern in Lagern gesehen. Ich leugne nicht die Krankheit. Aber das werde ich den verantwortlichen Personen nie vergessen wie man mit uns Ungeimpften umgegangen ist. Menschenverachtend war das!!!

Lumberjack am 03.03.2023

"Patienten mit psychologisch-psychiatrischen Vorerkrankungen sind offenbar besonders anfällig für Long-Covid. Das ergab eine Studie an der Uniklinik Essen, in der die Daten von fast 200 Long-Covid-Patienten ausgewertet wurden.
... Bei bis zu 95 Prozent keine organischen Befunde" (Quelle: MDR AKTUELL Stand: 25. März 2022 sowie weitere)

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