Richterhammer vor Büchern
Zahlreiche Richterinnen und Richter hatten kurz nach der Wiedervereinigung ihre Arbeit in Thüringen begonnen. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO/YAY Images

Generationswechsel Pensionswelle in Thüringer Justiz: Minister Adams will über Bedarf einstellen

27. Dezember 2022, 09:08 Uhr

Ungewöhnlich viele Richter und Staatsanwälte in Thüringen werden in wenigen Jahren in den Ruhestand gehen. Viele von ihnen hatten ihren Job direkt nach der Wiedervereinigung bekommen. Justizminister Dirk Adams möchte frühzeitig gegensteuern.

Thüringens Justizminister Dirk Adams (Grüne) sieht eine Pensionswelle in der Justiz auf den Freistaat zukommen und will daher schon vorher mehr Personal einstellen. "Der Generationswechsel in der Justiz - nicht nur bei den Richterinnen und Richtern - steht vor der Tür. Er wird uns mit großer Wucht ab dem Jahr 2028 treffen", sagte Adams der "Deutschen Presse-Agentur".

Grund ist die Einstellungswelle von Juristen in den Neunzigerjahren nach der Wiedervereinigung. "Das war eine ganze Richtergeneration, die kurz nach dem zweiten Staatsexamen in die neuen Länder ging", sagte Adams. Mehr als 32 Jahre nach der Wiedervereinigung führe es dazu, dass man innerhalb eines Zeitraumes von etwa fünf Jahren "eine ganz konzentrierte Pensionierungswelle" habe.

Die Suche nach geeigneten Juristen könnte umso schwieriger werden, da auch in anderen ostdeutschen Ländern in kurzer Zeit sehr viele Richterinnen und Richter in den Ruhestand gehen - zum Beispiel in Sachsen-Anhalt.

Idee: Mehr Richter einstellen als Stellen offen sind

Adams zufolge braucht Thüringen "dringend ab 2024 eine Einstellungsreserve". Sein Ziel sei es, jedes Jahr mehr Richterinnen und Richter einzustellen, als freiwerdende Stellen vorhanden sind. "Wenn wir ein paar Jahre vorher immer zehn mehr reinholen könnten, wäre das sehr, sehr hilfreich." Für den neuen Haushalt 2023 sei dies noch nicht gelungen.

Nach einer Aufstellung des Justizministeriums gehen im kommenden Jahr 14 Richter in den Ruhestand, im Jahr 2024 könnten es bereits 37 sein und im Jahr 2027 dann 50. Die meisten Pensionierungen werden demnach im Jahr 2029 erwartet, wenn 65 Richterinnen und Richter in den Ruhestand wechseln könnten.

In den Zahlen sei mit einem Anteil von 30 Prozent einberechnet, dass manche Juristen vorzeitig aus dem Dienst ausscheiden könnten. Dabei handele es sich um einen Erfahrungswert.

Ungleiche Altersverteilung in der Thüringer Justiz

Adams sagte, man komme mit den Nachbesetzungen bislang "gut hinterher". So seien im Jahr 2022 in Thüringen 37 Richterinnen und Richter auf Probe eingestellt - laut Adams ein hoher Wert.

Nach Daten des Statistischen Landesamtes vom Sommer 2021 waren von 605 Richterinnen und Richtern in Thüringen etwa 240 im Alter zwischen 55 und 59 Jahren, 130 waren über 60 Jahre alt. In der Altersgruppe der 40- bis 44-Jährigen waren es dagegen nur 25, bei den 35- bis 39-Jährigen gab es 35 Richterinnen und Richter.

Sachsen-Anhalt stellt 40 neue Juristen ein

Sachsen-Anhalt habe bereits eine Einstellungsoffensive gestartet, hieß es kürzlich aus dem dortigen Justizministerium. 2022 seien 40 neue Juristinnen und Juristen für die Gerichte und Staatsanwaltschaften gewonnen worden.

"Wir haben gerade richtigen Zulauf", sagte Ministerin Franziska Weidinger (CDU). Dazu hätten verschiedene Aspekte beigetragen. Durch Umstrukturierungen innerhalb des Ministeriums hatte Weidinger eine zentrale Stabsstelle für das Personalmanagement in der Justiz geschaffen. Zuvor waren verschiedene Bereiche mit dem Thema Personal befasst.

Zudem hat Sachsen-Anhalt das Rotationsprinzip bei den Richtern auf Probe abgeschafft. Die Juristen müssen damit nicht mehr zwangsweise an unterschiedliche Orte. Es wird stärker den Interessen der Bewerberinnen und Bewerbern entsprochen, für welche Fachrichtungen sie sich interessieren und in welche Region sie möchten.

MDR (mm), dpa

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 27. Dezember 2022 | 10:00 Uhr

4 Kommentare

Atze71 am 28.12.2022

Warum sind denn die Gerichte überlastet? Weil wegen jeder Nichtigkeit geklagt wird. Das geht dann oft über Jahre und bindet Kräfte.
Wenn einem das Urteil nicht gefällt wird weiter geklagt. Die Hürden sollten hier höher gelegt werden. Vieles wird zerredet und aufgebauscht. Warum ist das vor allem in Deutschland so extrem?
"@SilentJohn" hat hier schon recht.
Was machen die über 3 Millionen "Neuankömmlinge"? Wer hat die Gesetze gemacht das sie angeblich nicht arbeiten dürfen? Erkenne den Fehler... Handeln ist in Deutschland ein Fremdwort .

Silent_John am 28.12.2022

Es ist doch wohl so, daß Juristen wie auch Zahnärzte , Psychotherapeuten , geeignete Pflegerinnen , fleißige Autoschlosser oder Fleischer und Bäcker nicht einfach mal so aus dem Boden gestampft werden können.
Um fähige , gebildete und vor allem ARBEITSWILLIGE qualifizierte Fachkräfte zu bekommen bedarf es schon ein bisschen mehr , ein mehr an Erziehung, ein mehr an Bildung ein mehr an Leistungsanreizen.
Die guten Leute fehlen doch überall. Nehme ich sie meinetwegen für den Polizeidienst weg indem ich das Eintrittsgehalt für Polizisten gut verdoppele, dann fehlen die paar Hanseln in der Wirtschaft. Gebe ich Krankenschwestern 4000 € , was will ich dann Ärzten geben ?
Bildung und Erziehung zu Leistungsbereitschaft ist das A und O , mal wieder weg von der "Work-Life -Balance" - mentalität.

martin am 27.12.2022

Gibt es denn überhaupt genügend ausreichend qualifizierte Bewerbungen für die aktuell zu besetzenden Stellen? Wenn man sich die Überlastung der Gerichte anschaut, gibt es entweder schon jetzt zu wenig Stellen oder zu wenige Bewerbungen.

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