Gebietsreform Verfassungsrichter stellen Vorschaltgesetz in Frage

30. Mai 2017, 20:03 Uhr

Vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshof wird die erste von mehreren Klagen gegen die Gebietsreform verhandelt. Die CDU-Fraktion macht Formfehler beim sogenannten Vorschaltgesetz geltend. Auch die Richter haben Zweifel. Innenminister Poppenhäger verteidigte hingegen das Gesetz.

Das Thüringer Verfassungsgericht hat das vom Landtag beschlossene Vorschaltgesetz zur Gebietsreform in Frage gestellt. Bei der Verhandlung einer Verfassungsklage der CDU-Landtagsfraktion äußerten die Richter mehrfach Zweifel an der Notwendigkeit eines solchen Gesetzes. Ein Vorschaltgesetz in dieser Form sei bisher von keinem Bundesland erlassen worden.

Der Vorsitzende Richter, Manfred Aschke, sagte: "Wir betreten hier Neuland bei der Rechtsprechung." Üblicherweise legt eine Landesregierung bei einer Gebietsreform lediglich bestimmte Leitlinien fest. Der Thüringer Landtag hat diese aber in Gesetzesform gegossen, so etwa, dass Kreise künftig 130.000 Einwohner und kreisfreie Städte 100.000 Einwohner haben müssen.

CDU pocht auf Formfehler

An diesem Punkt setzt die Klage der CDU-Fraktion an. Die Christdemokraten wollen das Gesetz für nichtig erklären lassen, weil ihrer Meinung nach unter anderem Gemeinde- und Landkreisanhörungen formell nicht korrekt abgelaufen sind. So kritisierte der von der CDU beauftragte Verfassungsrechtler Jörn Ipsen, dass nur die kommunalen Spitzenverbände angehört worden seien, nicht aber - wie notwendig - die betroffenen Städte und Landkreise. Zudem bemängelte er, dass so ein bedeutsames Gesetz, das die Landkarte von Thüringen verändern werde, "im Wochentakt durchgepeitscht" worden sei. Es sei ein solcher Zeitdruck erzeugt worden, dass sich die Abgeordneten vor ihrem Votum zum Vorschaltgesetz zu der von Rot-Rot-Grün geplanten Gebietsreform nicht ausreichend informieren konnten.

Richter sieht Landtag in Bringschuld

Als der Prozessvertreter der Landesregierung, Stefan Korioth, entgegen hielt, dass sich die Abgeordneten ohne Schwierigkeiten vor der Abstimmung über das Ergebnis der Anhörung hätten informieren können, sprach ein Verfassungsrichter von einer "Bringschuld des Landtags und keiner Holpflicht der Abgeordneten".

Poppenhäger verteidigt Vorschaltgesetz

Ein Mann in Anzug und Krawatte steht an einem Pult und spricht in ein Mikrofon. Er macht mit der rechten Hand eine Bewegung.
Holger Poppenhäger Bildrechte: MDR/Karina Heßland

Innenminister Holger Poppenhäger verteidigte hingegen das Vorgehen der Regierung. Vor Gericht sagte der SPD-Politiker, das Vorschaltgesetz sei nur eine Art Zwischenstufe, bei dem eine Anhörung aller Kommunen und Landkreise nicht nötig sei. Auch sei das Gesetz zwar verfassungsmäßig nicht zwingend notwendig gewesen, biete aber ein Stück mehr Transparenz. Die Regierungskoalition habe damit noch einmal ihre Ziele definieren wollen.

Klagen von neun Landkreisen

Insgesamt liegen dem Verfassungsgericht mehr als ein Dutzend Klagen vor, darunter von Weimar und den Landkreisen Eichsfeld, Gotha, Hildburghausen, Sömmerda, Saale-Orla, Schmalkalden-Meiningen, Sonneberg, und Weimarer Land. Ihre Klage soll am 28. Juni verhandelt werden.

Offenbar haben zwischenzeitlich auch acht Gemeinden aus dem Altenburger Land Verfassungsklage gegen das Vorschaltgesetz zur Gebietsreform eingelegt. Die Klageschrift sei kürzlich eingetroffen, sagte eine Sprecherin des Thüringer Verfassungsgerichts der "Ostthüringer Zeitung" (Dienstagausgabe). Bei den Klägern handelt es sich um die fünf Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Pleißenaue. Das bestätigte VG-Chef Uwe Melzer der Zeitung. Hinzu kämen noch die Orte Lucka, Vollmershain und Göllnitz.

Derzeit werden kreisangehörigen Gemeinden kaum Erfolgsaussichten vor dem Verfassungsgericht eingeräumt, da das Vorschaltgesetz nur den Rahmen für mögliche Zwangsfusionen beschreibt. Laut Melzer geht es jedoch darum, vorbeugend tätig zu werden. Außerdem wolle man "ein politisches Zeichen setzen", sagte der VG-Vorsitzende, der den Altenburger CDU-Kreisverband führt.

Regierung will Volksbegehren prüfen lassen

Zwei Wochen vor der Verhandlung der Klage der Landkreise müssen die Richter noch über ein Ersuchen der Landesregierung befinden. Rot-Rot-Grün hegt Zweifel an der Zulässigkeit des Volksbegehrens "Selbstverwaltung für Thüringen". Hintergrund ist, dass nach Thüringer Verfassung Bürgerentscheide nicht in die Haushaltshoheit des Landes eingreifen dürfen.

Verein sieht Erfolgschancen steigen

Gerade deshalb aber sieht der Verein Selbstverwaltung für Thüringen steigende Erfolgschancen für das Volksbegehren. Vereinsvorsitzende Sabine Kraft-Zörcher sagte MDR THÜRINGEN, bisher lägen dem Innenministerium nur 19 Anträge auf freiwillige Gemeindefusionen vor. Gleichzeitig stünden aber über 150 Millionen Euro an Fördermitteln für solche Zusammenschlüsse zur Verfügung. Je weniger Anträge eingereicht würden, desto größer sei auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Mittel nicht vollständig aufgebraucht würden. Damit greift nach Ansicht von Kraft-Zörcher das Argument der Landesregierung nicht mehr, wonach das Volksbegehren gegen die Gebietsreform das Haushaltsrecht des Landtages verletzt.

100 Millionen zusätzlich für Kommunen?

Die Landesregierung will nach Informationen der "Thüringer Allgemeine" zusätzliche Millionen für Kommunen im Zuge der Gebietsreform bereitstellen. Unter Berufung auf interne Planungen berichtet das Blatt von bis zu 157,4 Millionen Euro. Demnach sollen Städte, die ihren Kreissitz verlieren, fünf Millionen Euro bekommen - zwei Millionen Euro mehr als bislang vorgesehen. Landkreise könnten damit rechnen, dass das Land fast zwei Drittel ihrer Kredite tilgt, die über dem Landesdurchschnitt liegen. Allein der Unstrut-Hainich-Kreis bekäme demnach mehr als 30 Millionen Euro. Auf Platz zwei der Liste läge der Saale-Orla-Kreis mit rund elf Millionen, gefolgt von den Kreisen Sömmerda und Kyffhäuser mit knapp zehn Millionen Euro.

Darüber hinaus sollten die Schulden jener Städte und Gemeinden, die sich in Notverwaltung befinden, auf das Doppelte des Landesdurchschnitts abgesenkt werden. Am meisten erhielte hier mit rund neun Millionen Euro zusätzlich die Stadt Schlotheim im Unstrut-Hainich-Kreis. Aber auch Tabarz (Kreis Gotha) wäre mit knapp 6,3 Millionen Euro gut dabei.

Die Landesregierung wollte diese Informationen nicht kommentieren. Der kommunalpolitische Sprecher der LINKEN, Frank Kuschel, sagte dem MDR, dass seines Wissens der bisher bekannte Finanzrahmen nicht deutlich ausgeweitet werde. Es gehe jetzt vor allem um kreative Ideen, wie das Geld am besten verteilt werden solle. Vorgesehen sind bisher 155 Millionen Euro für freiwillige Fusionen der Gemeinden sowie 90 Millionen Euro für die Landkreise.

Über dieses Thema berichtet MDR THÜRINGEN auch im Programm: MDR THÜRINGEN - das Radio | Nachrichten | 30.05.2017 | ab 05:00 Uhr

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