Radikalisierung Thüringer Verfassungsschutz erwartet weitere Angriffe auf Politiker

21. Februar 2024, 18:50 Uhr

Nach den jüngsten Angriffen auf Abgeordnetenbüros und Wohnhäuser von Politikern befürchtet Thüringens Verfassungsschutz weitere Anschläge und Angriffe. Die anhaltend aufgeheizte und teilweise sehr aggressive politische Stimmung, die von einigen Protagonisten geschürt werde, lasse dies befürchten, sagte der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz Thüringen, Stephan Kramer.

Mit Steinschlag beschädigte Scheibe.
Eine mit Steinschlag beschädigte Scheibe eines Wahlbüros. Bildrechte: Wahlkreisbüro Frank Ullrich

Sinkende Hemmschwelle und steigende Brutalität

Er sehe darin keine direkte Antwort der rechtsradikalen Szene auf die Welle von Kundgebungen gegen Rechtsextremismus. Eine wachsende Radikalisierung rechtsextremer Kreise habe man schon während der vergangenen Jahre festgestellt. Eine sinkende Hemmschwelle bei Gewalt gegen Sachen und Personen in der politischen Auseinandersetzung sei ebenso erkennbar wie die Zunahme der Brutalität.

Angriffe auf Haus und Büros

Auch wenn im Hinblick auf die aktuellen Taten Zurückhaltung bei Schlussfolgerungen über Täterschaft und mögliche Motive geboten sei, würden Hakenkreuze und Angriffe gegen Partei- und Abgeordnetenbüros erste Hinweise geben, die für den Thüringer Verfassungsschutz nicht völlig überraschend kommen.

In Thüringen hat es seit Sonntag mehrere Angriffe auf Gebäude gegeben, in denen Politiker wohnen oder arbeiten. Ein mutmaßlicher Anschlag galt dem Haus eines SPD-Kommunalpolitikers im Kreis Gotha. Kurz zuvor hatten Unbekannte zwei SPD-Büros in Suhl attackiert. Das Wahlkreisbüro von Landtagspräsidentin Birgit Pommer (Linke) in Bleicherode war mit Hakenkreuzen beschmiert worden.

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Angriffe auf Wahlbüros von Thüringer Landespolitikern - Bisher liegen nur für das Jahr 2022 Zahlen zu den Angriffen auf Wahlkreisbüros von Thüringer Landtagsabgeordneten vor. Sie gehen auf eine Anfrage des Landtagspolitikers Sascha Bilay (Linke) an das Innenministerium zurück. Angriffe auf Büros von Thüringer Bundespolitikern oder etwa Bürgermeistern sind damit nicht erfasst. Zudem sind nur Vorfälle aufgeführt, für die es eine Anzeige bei der Polizei gegeben hat.

- 2022 wurden demnach 63 solcher Straftaten in Thüringen registriert. Das sind fast genauso viele wie im Jahr 2020, als mit 68 Angriffen ein Höchststand seit 2012 registriert wurde.

- Im Jahr 2021 gab es 48 Angriffe auf Wahlkreisbüros im Freistaat. Zumeist handelte es sich dabei um Sachbeschädigungen wie eingeschlagene Fensterscheiben.

- Ein Großteil der 2022 verübten Straftaten (28) richtete sich gegen Büros von AfD-Abgeordneten. Die meisten dieser Angriffe werden der politisch motivierten Kriminalität aus dem linken Spektrum zugerechnet.

- Wahlbüros von Politikern der Linkspartei waren 16-mal von Attacken betroffen, Büros der Grünen neunmal, Büros der SPD siebenmal und CDU-Büros dreimal.

- Fast alle Ermittlungen zu den 2022 verübten Straftaten wurden im selben Jahr eingestellt, ohne dass die Tatverdächtigen ermittelt werden konnten.

- Nur bei zwei Angriffen auf ein AfD-Wahlkreisbüro in Sondershausen und ein Wahlkreisbüro der Linken in Eisenach wurde gegen jeweils fünf Tatverdächtige noch ermittelt.

MDR (mm), epd

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 20. Februar 2024 | 19:00 Uhr

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