Live aus Erfurt Hitzige Debatten bei "Wahlarena"-Sendung zur Europawahl
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07. Juni 2024, 12:00 Uhr
Acht Spitzenkandidaten für die Europawahl haben am Donnerstagabend in einer TV-Debatte live um die Gunst der Wähler gebuhlt. Themen wie der Ukrainekrieg, die Migration oder die Klimapolitik dominierten. Im Vorfeld hatten Bürgerinnen und Bürger Publikumsfragen einreichen können.
Kurz vor der Europawahl haben sich die deutschen Spitzenkandidaten der Parteien am Donnerstagabend einen teils hitzigen Schlagabtausch in der ARD-Sendung "Wahlarena 2024 Europa" geliefert. Themen wie der Ukraine-Krieg, die Migration und die Klimapolitik dominierten die Sendung und forderten die Kandidatinnen und Kandidaten heraus.
Zu Gast waren Daniel Caspary (CDU), Terry Reintke (Grüne), Katarina Barley (SPD), René Aust (AfD), Manfred Weber (CSU), Martin Schirdewan (Linke), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Fabio De Masi (BSW). Im Vorfeld der Live-Veranstaltung in Erfurt waren tausende Fragen von Bürgerinnen und Bürgern eingereicht worden.
Thema Ukrainekrieg
So zeigte unter anderem die Frage, wie Frieden in der Ukraine erreicht werden kann, deutliche Unterschiede zwischen dem CDU-Kandidaten Caspary und dem BSW-Kandidaten De Masi auf. "Es ist die Pflicht der Politik, jede diplomatische Lösung auszuloten", sagte De Masi. Auch wenn diese mit einem Verzicht der Ukraine auf einen Nato-Beitritt einhergehe. Er verwies auf eine "komplexe Vorgeschichte" für den Konflikt in der Ukraine und forderte ein Ende von Waffenlieferungen an das angegriffene Land.
Caspary zeigte sich entsetzt angesichts dieser Forderungen: "Wenn die Ukraine die Waffen niederlegt, ist die Ukraine am Ende. Wenn Putin die Waffen niederlegt, ist der Krieg zu Ende", sagte er. Die Ukraine müsse als freies Land nicht bei Russland nachfragen, ob es der EU oder der Nato beitreten dürfe. "Wir haben ein Selbstbestimmungsrecht der Völker". Dies trete Putin mit Füßen, betonte Caspary.
"Die Ukraine hat das Recht, sich zu wehren" machte an anderer Stelle auch die SPD-Kandidatin Barley deutlich. Sie hätte sich nicht träumen lassen, dass die EU einmal Waffenlieferungen unterstützen müsse. Es sei jedoch richtig, der Ukraine auch militärische Hilfe zu leisten. Diplomatische Bemühungen dürften nicht dazu führen, dass man der Ukraine sage, sie müsse sich unterwerfen.
Thema Migration
Auch das Thema Migration tauchte wiederholt in der Debatte auf, in der die Moderatoren Ellen Ehni und Gunnar Breske die Kandidatinnen und Kandidaten in wechselnde Vierergruppen einteilten.
Der CSU-Kandidat Weber etwa sprach von einer Belastungsgrenze von Kommunen, die durch den Zuzug von Flüchtlingen überschritten sei. Er forderte, "an der EU-Außengrenze endlich für Ordnung zu sorgen", da die große Masse der Menschen in rechtsstaatlichen Verfahren in Deutschland als Flüchtlinge oder Asylbewerber abgelehnt würden. Die EU müsse Handeln statt Reden. "Die Grundbotschaft ist, wir sollten die zu uns holen, die uns nutzen und nicht die, die uns ausnutzen", sagte er. Gleichzeitig betonte Weber, dass Schutzstatus und Asyl für Menschen hochgehalten werden müssten.
Mit Blick auf die Messerattacke in Mannheim erklärte Weber, wer Gastrecht missbrauche, indem er auf brutale Weise einen Polizisten töte, habe Gastfreundschaft und Hilfe verwirkt und müsse ausgewiesen werden. Der 25 Jahre alte Täter von Mannheim war 2014 aus Afghanistan nach Deutschland gekommen.
Auf eine Publikumsfrage hin, wie die AfD Hindernisse bei der Abschiebepraxis überwinden wolle, verwies der AfD-Kandidat Aust auf Sanktionen. Jeder Staat, der in Deutschland straffällige Menschen nicht zurücknehmen wolle, müsse mit Konsequenzen rechnen. Eine weitere Option in seinen Augen: "Wenn Länder diese Leute nicht zurücknehmen, dann gibt es keine Touristenvisa mehr." Kulturelle und ökonomische Eliten aus den jeweiligen Ländern kämen gerne nach Europa, um beispielsweise in Paris oder München einzukaufen. Dafür seien Toruistenvisa nötig. Kulturelle und ökonomische Eliten würden dann Druck auf die politische Elite ausüben, um diese bei der Rücknahme straffälliger Personen umzustimmen, erklärte er.
Thema Inflation
Fragen zum Thema Inflation hatten auch viele junge Nutzer von Instagram, wo die Sendung ebenfalls gestreamt wurde. Auf die Lösungsansätze seiner Partei angesprochen, brachte der Linke-Kandidat Schirdewan eine Umverteilung ins Spiel. "Das heißt, die großen Lebensmittelkonzerne mit Übergewinn zu besteuern, 90 Prozent fordern wir, und dieses Geld zu nutzen, um Grundnahrungsmittel mit einem Preisdeckel zu versehen."
Die SPD-Kandidatin Barley sprach sich in diesem Zusammenhang auch dafür aus, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Der Staat dürfe das aber nicht nur für Geringverdiener anstreben, sondern müsse das auch für Normalverdiener tun. Neben höheren Löhnen seien auch starke Gewerkschaften nötig.
Thema Klimapolitik
Mit dem Appell, Bürgerinnen und Bürger beim Thema Klimaschutz mehr mitzunehmen, trat vor allem die FDP-Kandidatin Strack-Zimmermann in Erscheinung. Die Diskussionen in dem Bereich seien im politischen Raum häufig theoretisch, das überfordere viele. Als wichtig erachtete sie vor allem den CO2-Handel. Um CO2 zu senken, müsse es teuer sein.
Die Kandidatin der Grünen, Reintke, betonte mit Blick auf die jüngsten Unwetterereignisse vor allem die Notwendigkeit von Investitionen. Die Klimatransformation dürfe nicht kaputt gespart werden. "Wenn wir jetzt nicht investieren, dann wird uns das am Ende einen viel höheren Preis kosten", sagte sie. Deutschland sei ein starkes Industrieland, das aber auch seine europäischen Verbündeten brauche.
Ärger im Vorfeld der TV-Debatte
Die Teilnahme des BSW-Spitzenkandidaten De Masi an der Wahl-Sendung stand erst kurzfristig fest. Ursprünglich hatte der WDR als verantwortlicher Sender Vertreter von SPD, CDU, B90/Grüne, FDP, AfD und Linken eingeladen. Dagegen hatte sich De Masis Partei gerichtlich gewehrt. Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) entschied am Mittwoch in zweiter Instanz zugunsten des Spitzenkandidaten der Wagenknecht-Partei.
Der WDR hatte seine Auswahl der eingeladenen Kandidatinnen und Kandidaten damit begründet, dass Vertreter der Parteien eingeladen worden seien, die im aktuellen Europäischen Parlament mit relevanter Stärke vertreten sind. Das Verwaltungsgericht Köln hatte diese Begründung in erster Instanz noch akzeptiert.
Wann und wer wird gewählt?
Vom 6. bis 9. Juni wählen die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union die Mitglieder des Europäischen Parlaments. Insgesamt werden 720 Abgeordnete bestimmt ‒ 15 mehr als bei der letzten Europawahl im Jahr 2019.
In Deutschland werden am 9. Juni 96 Europaabgeordnete gewählt. Kein anderer EU-Staat stellt so viele Abgeordnete wie die Bundesrepublik. Wie viele Abgeordnete ein Land stellen darf, richtet sich nach folgendem Grundsatz: Ein Abgeordneter eines größeren Landes vertritt mehr Personen als einer aus einem kleineren Staat. Während Frankreich 81 Abgeordnete wählt, bestimmt die Bevölkerung von Malta nur sechs Abgeordnete.
Die Ergebnisse der Wahl werden nach abgeschlossener Auszählung auf der Webseite des Europäischen Parlaments einsehbar sein.
Welche Wahlhilfe gibt es?
Neben öffentlichen Debatten der deutschen Kandidatinnen und Kandidaten für die Europawahl steht unentschlossenen Wählerinnen und Wählern auch ein Instrument der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) zur Verfügung: der Wahl-O-Mat zur Europwahl 2024.
Das Onlinetool soll Nutzerinnen und Nutzern zeigen, welche Parteien mit den eigenen Ansichten am ehesten übereinstimmen und so bei der Wahlentscheidung helfen.
lik/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 07. Juni 2024 | 06:12 Uhr