Recep Tayyip Erdogan
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan spricht nach der Präsidentenwahl zu seinen Anhängern. Bildrechte: IMAGO/Kyodo News

Richtungswahlen Türkei hat gewählt: Erdogan und Herausforderer Kilicdaroglu gehen in die Stichwahl

15. Mai 2023, 10:20 Uhr

In der Türkei kommt es zur Stichwahl zwischen Präsident Erdogan und Herausforderer Kilicdaroglu. Der Amtsinhaber verfehlte bei der Präsidentenwahl die absolute Mehrheit. Der Ablauf der Wahl wird von Beobachtern scharf kritisiert.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat bei der Präsidentenwahl die absolute Mehrheit verfehlt und muss am 28. Mai in die Stichwahl gegen Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu. Nach Angaben der Wahlbehörde entfielen auf Erdogan (AKP) 49,51 Prozent der Stimmen, Kilicdaroglu von der kemalistisch-sozialdemokratischen CHP kam auf 44,88 Prozent. Auf dem dritten Platz landete weit abgeschlagen Sinan Ogan (5,17 Prozent) von der ultranationalistischen Ata-Allianz. Die Wahlbeteiligung habe im Inland bei vorläufig 88,92 Prozent und im Ausland bei 52,69 Prozent gelegen, teilte die Wahlbehörde mit.

Türken in Deutschland: Knapp zwei Drittel für Erdogan

Bei den wahlberechtigten Türken in Deutschland holte Erdogan hingegen eine deutliche Mehrheit. Auf den Amtsinhaber entfielen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge beim Stand von knapp 98 Prozent der ausgezählten Wahlurnen rund 65,4 Prozent der Stimmen. Kilicdaroglu kam dagegen nur auf 32,6 Prozent. In Deutschland sind rund 1,5 Millionen Deutsch-Türken wahlberechtigt, etwa ein Drittel von ihnen lebt in Nordrhein-Westfalen.

Wahlbeobachter kritisieren türkische Wahlbehörde

Unterdessen haben Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) den Ablauf der Wahlen kritisiert. Die Wahlbehörde YSK sei undurchsichtig vorgegangen, erklärte eine OSZE-Delegation am Montag. Zudem hätten Präsident Erdogan und die herrschenden Parteien einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber den Oppositionsparteien genossen. "Ich bedauere festzustellen, dass die Arbeit der Wahlbehörde intransparent war, ebenso wie eine überwältigende Voreingenommenheit der öffentlichen Medien und die Einschränkungen der Meinungsfreiheit", sagte Jan Petersen, Leiter des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR).

Zugleich sinrd die Wahlen den Angaben zufolge "weitgehend friedlich" verlaufen. Der Wahlbehörde wurde eine effiziente Arbeit bescheinigt. Die hohe Wahlbeteiligung sei zudem ein klarer Indikator für einen "starken demokratischen Geist" in der Türkei, hieß es weiter.

Erste Teilergebnisse wenig aussagekräftig

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei und Präsidentschaftskandidat der Volksallianz, spricht auf einer Wahlkampfveranstaltung.
Präsident Recep Tayyip Erdogan von der AKP-Partei muss Ende Mai in die Stichwahl. Bildrechte: dpa

Erdogans Vorsprung war im Verlauf des Sonntagabends immer stärker geschmolzen. Anfangs hatte er nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu deutlich über 50 Prozent gelegen. Die Staatsagentur veröffentlichte zunächst die Ergebnisse in Erdogan-Hochburgen, die ersten Daten ließen daher wenig Rückschlüsse auf das Endergebnis zu. Insgesamt waren etwa 64 Millionen Menschen im In- und Ausland zur Stimmabgabe aufgerufen. Die in vielen anderen Ländern üblichen Hochrechnungen gibt es in der Türkei nicht.

Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth sagte im ZDF-"Morgenmagazin", viele hätten gehofft, dass die Opposition stärker abschneide. Allerdings habe es Herausforderer Kilicdaroglu bei der Wahl schwerer gehabt, denn Amtsinhaber Erdogan kontrolliere Medien und Staatsinstitute. Roth erwartet, dass Erdogan die Stichwahl in zwei Wochen mit aller Härte führen wird. Erdogan werde weiter versuchen, den Oppositionskandidaten zu diskreditieren und dessen Glaubwürdigkeit zu schwächen.

Kilicdaroglu könnte Türkei auf neuen Kurs führen

Erdogan regiert das Land mit seinen 85 Millionen Menschen seit zwei Jahrzehnten; seit 2003 zunächst als Ministerpräsident und seit 2014 als Präsident. Kritiker werfen dem 69-Jährigen einen autoritären Führungsstil vor, Vetternwirtschaft und Missmanagement – so zuletzt im Zusammenhang mit den vielen Opfern beim schweren Erdbeben im Februar. Die Präsidentschafts- und Parlamentswahl wurde daher von vielen Menschen als Abstimmung für oder gegen Erdogan und seine islamisch-konservative AKP wahrgenommen.

Kemal Kilicdaroglu, Vorsitzender der CHP-Partei und Präsidentschaftskandidat der Nationalen Allianz, winkt seinen Anhängern während einer Wahlkampfveranstaltung.
Der 74-jährige Kemal Kilicdaroglu von der sozialdemokratischen CHP ist der Kandidat eines Oppositionsbündnisses. Bildrechte: dpa

Kilicdaroglu will der Türkei im Falle eines Wahlsiegs nach eigenen Worten die "Demokratie zurückbringen" und das von Erdogan eingeführte Präsidialsystem abschaffen, das er als "Ein-Mann-Regime" kritisiert. Künftig soll wieder das Parlament den Regierungschef wählen und die Amtszeit des Präsidenten auf einmalig sieben Jahre begrenzt werden.

Auch auf den Nahen und Mittleren Osten, die Europäische Union und die USA könnte sich die Wahl erheblich auswirken. Unter Erdogans Herrschaft hat das Nato-Mitglied Türkei seine geopolitische Macht erheblich ausgebaut.

dpa, AFP, reuters (ans)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 14. Mai 2023 | 17:00 Uhr

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