Aus Finsternis ins Licht Die Nacht ist vorgedrungen – warum das Heil aus der Dunkelheit kommt

26. Dezember 2023, 09:31 Uhr

Weihnachten und Heiligabend, das sind Kerzen, Licht und heimelige Stimmung. Aber da ist noch etwas anderes – es steckt direkt in den Worten: Heiligabend, Weihnacht. Auch die Nacht und Dunkelheit gehören zu Weihnachten. Nur, dass die Nacht eben keinen so guten Ruf hat wie die gemütlichen Weihnachtskerzen. Dennoch gehen Dunkelheit und Hoffnung zusammen.

Das Lied "Die Nacht ist vorgedrungen" von Jochen Klepper ist ein Adventslied über die Nacht, geschrieben in finsterster Zeit. Klepper war Schriftsteller und Theologe und durfte im Nationalsozialismus nicht mehr publizieren. Er tötete sich gemeinsam mit seiner jüdischen Frau und ihrer Tochter, als deren Deportation ins KZ absehbar war.

Wir sterben nun – ach, auch das steht bei Gott. Wir gehen heute Nacht gemeinsam in den Tod.

Jochen Klepper

So lautet Jochen Kleppers letzter Tagebucheintrag. Ist "Die Nacht ist vorgedrungen" als Symbol einer alles verschlingenden Hoffnungslosigkeit zu verstehen? Das sieht Klaus-Martin Bresgott, Chorleiter und Kunsthistoriker im Kulturbüro der Evangelischen Kirche in Deutschland, anders:

"Wenn man andere Nachtlieder ansieht, da gibt es den Mond, alles ist groß und schön und hell. Das heißt, es geht ins Universum. Klepper dagegen geht in die Dichte des eigenen Ichs zurück, in die eigene Dunkelheit, und findet da den Lichtmoment Gott."

Caspar David Friedrich Gemälde
Ikone einer Darstellung des nächtlichen Mondes: Caspar David Friedrichs "Zwei Männer in Betrachtung des Mondes" (1819) Bildrechte: imago images/Everett Collection

Das Licht, die helle Schöpfung, es gibt sie nicht ohne ihr dunkles Gegenstück, die Nacht. Das findet man schon in den ersten Sätzen der Hebräischen Bibel. Da scheidet Gott das Licht von der Finsternis und nennt "das Licht Tag und die Finsternis Nacht".

Die Nacht als etwas Bedrohliches

Es gehe bei der Finsternis nicht um etwas explizit Böses, sie trage aber den Erfahrungen der Menschen Rechnung, das sie etwas Gefährliches ist, meint Frank Ueberschaer, Professor für Altes Testament an der Universität Halle-Wittenberg:

"In einer Welt, in der es kein elektrisches Licht gibt, ist die Nacht stockdunkel. In einer Welt, in der Menschen in kleinen Städtchen und Dörfern leben, ist es gefährlich, nachts die Wohnung zu verlassen, aus dem Dorf zu gehen. Da streifen wilde Tiere durch die Gegend und noch wildere Menschen. Das ist lebensgefährlich. Deswegen hat die Finsternis etwas Bedrohliches", so der Wissenschaftler.

Und zwar in der ganzen Hebräischen Bibel, dem Alten Testament. Doch trotzdem ist die Nacht nicht von Gott verlassen.

Die Nacht als Ausgangspunkt für Hoffnung

Die Nacht zu Weihnachten ist deswegen beides: Ort großer Gefahr und zugleich das Versprechen, dass auch diese Nacht enden wird. Es gibt auch immer Grund zur Hoffnung. Besonders die nächtlichen Gottesdienste am Heiligabend bilden diese Zuversicht ab. Schwester Mechthild - Nonne im Karmeliterorden - erlebt die Heilige Nacht jedes Jahr ganz bewusst.

Gemälde "Anbeutung der Hirten" von Martin Fuchs
Es ward Licht: die "Anbetung der Hirten" auf dem Gemälde von Martin Fuchs Bildrechte: IMAGO/Funke Foto Services

Für mich ist Weihnachten ganz tief verbunden mit der Menschwerdung Gottes. Und verbunden mit der Liturgie, die wir in unserer Kirche feiern. Es ist ja eine bewusste Liturgie in der Nacht, im Dunkel. Da geschieht etwas Neues, da wird Gott Mensch. Das hat für mich eine hoffnungsvolle Qualität.

Schwester Mechthild

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Religion und Gesellschaft | 24. Dezember 2023 | 10:00 Uhr

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