Sinti-Mausoleum in Osendorf 4 min
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Ein kleines Mausoleum im Halleschen Stadtteil Osendorf weist darauf hin, dass hier Sinti-Familien zuhause waren. Wie kann es als Ort des Gedenkens an die Verfolgung in der NS-Zeit erhalten werden? Anne Sailer berichtet.

MDR KULTUR - Das Radio So 13.08.2023 06:00Uhr 03:53 min

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Erinnerungsort Halle: Was wird aus dem Sinti-Mausoleum in Osendorf?

14. August 2023, 10:48 Uhr

Ein abgelegenes und fast verfallenes Mausoleum am äußersten Rand von Halle steht exemplarisch dafür, wie schwer sich Deutschland mit dem Erbe der Sinti und Roma tut. Eine Initiative will die Sanierung erreichen und so auch einen Ort zum Gedenken an den Völkermord in der Nazizeit schaffen. Doch das ist gar nicht so leicht.

An einem Sommer-Abend im Stadtmuseum Halle: Der Leiter der Gedenkstätte Roter Ochse, Michael Viebig, zeigt Bilder eines Mausoleums aus dem Halleschen Vorort Osendorf. Die letzte Ruhestätte des Pferdehändlers Josef Weinlich, einst bekannt unter seinem Sinti-Namen Nauni, ist in einem schlechten Zustand. 1915 errichtet, ist der früher als "Zigeunerkapelle" bekannte Bau einsturzgefährdet.

Sinti-Mausoleum in Halle-Osendorf verfällt

Der Putz fällt von den Wänden, Wind und Regen zerstören das kaputte Dach. Das Mausoleum muss dringend saniert werden. Es sei einzigartig, betont Daniel Weißbrodt, Projektmitarbeiter des Vereins Romano-Sumnal e.V. aus Leipzig:

Es ist eines von ganz wenigen Bauwerken, das wir eindeutig Sinti und Roma zuordnen können. Es ist das einzige in Mitteldeutschland – das können wir mit Sicherheit sagen.

Daniel Weißbrodt Romano-Sumnal e.V.

Wiederentdeckung eines Erinnerungsortes

Dass es kaum Erinnerungsorte für Sinti und Roma gibt, erklärt Weißbrodt so: "Die Minderheit der Sinti und Roma lebt ja hier seit über 600 Jahren in Deutschland. Aber nach dem nationalsozialistischen Völkermord, bei dem auch 85 Prozent der deutschen Sinti umkamen, gab es in der DDR nur noch ganz wenige Überlebende – ungefähr 300 bis 600 Menschen, die häufig ihre Herkunft verschwiegen haben. Sie waren im Bild der Gesellschaft nicht mehr präsent."

Umso mehr brauche es heute Erinnerungsorte, sagt Weißbrodt mit Blick auf das Mausoleum in Osendorf, das dringend saniert werden müsse. Dass es überhaupt wiederentdeckt wurde, ist der Familie von Peter Meinhart zu verdanken:

Wir haben um die Jahrtausendwende im Familienrat gesagt, wir machen eine Website mit Geschichten aus Osendorf. Und eine Geschichte, die von alten Osendorfern immer wieder erzählt wurde, war die von Nauni und seiner Grabstätte.

Nachfahre der Sinti-Familie berichtet zum Tag des offenen Denkmals 2023

Und so entdeckte Naunis Urgroßenkel Henk van Iterson aus den Niederlanden das Mausoleum im Internet. Er nahm Kontakt auf zu den Osendorfern und berichtet seither vor Interessierten über seine Familie. Viele seiner Angehörigen wurden in der NS-Zeit verfolgt oder ermordet, auch die Überlebenden fühlten sich nicht sicher: "Meine Mutter war eine sehr schöne Frau, bräunlicher Teint, dunkle Augen. Wenn Freunde fragten, woher sie komme, warnte sie mich: 'Sag' nicht, dass ich Zigeunerin bin. Sag', dass ich aus Ungarn komme.' Wir sollten nicht erleben, was sie erlebt hatte", so van Iterson.

An das Schicksal der Sinti und Roma wird in Deutschland nicht ausreichend erinnert, meint auch der Leiter der Gedenkstätte Roter Ochse in Halle, Michael Viebig. Er verweist auf den Tag des offenen Denkmals am 10. September als nächste Möglichkeit, sich das Mausoleum anzuschauen: "Da ist jeder Interessierte eingeladen. Wir von der Gedenkstätte werden dabei sein – und Henk van Iterson!"

Ringen um Fördermittel

Viebig kann sich in Zukunft Erinnerungstafeln oder QR-Codes vorstellen, die das einmalige Bauwerk in Osendorf als Denkmal erklären. Das Wichtigste sei aber nun die Sanierung. Die Kosten dafür belaufen sich nach Aussage der Stadt Halle auf 350.000 Euro. Auf Anfrage des MDR teilte die Stadt dazu mit, dass ein Antrag auf Förderung durch das Land 2018 gescheitert sei. Auch 2022 seien erneut Fördermittel bei Land und Bund beantragt worden: "Ausschlaggebend für die Förderung ist, ob das Mausoleum ein Denkmal von nationaler Bedeutung ist." Die Stadt habe jedenfalls Eigenmittel für die Sanierung im aktuellen Haushalt eingeplant. Die Stadt Halle ist also sehr interessiert und setzt sich dafür ein, das Denkmal zu erhalten. Jetzt kommt es darauf an, die Bedeutung des Denkmals auch überregional bekannt zu machen.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 13. August 2023 | 09:15 Uhr

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