Verkündigungssendung Das Wort zum Tag bei MDR SACHSEN vom 15. bis 21.03.2021

Das Wort zum Tag hören Sie montags bis freitags gegen 5:45 Uhr, am Sonnabend gegen 8:50 Uhr, sonntags 7:45 Uhr. Das Wort zum Tag sprechen in dieser Woche u.a. Ulrike Greim und Jörg Herrmann.

Sonntag, 21.03.2021: Wort am Sonntag (von Andreas Martin)

Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Schwestern und Brüder, wer heute in den katholischen Gottesdienst geht, wird das folgende Evangelium hören:

Unter den Pilgern, die beim Fest Gott anbeten wollten, gab es auch einige Griechen. Diese traten an Philippus heran, der aus Betsaida in Galiläa stammte, und baten ihn: Herr, wir möchten Jesus sehen. Philippus ging und sagte es Andreas; Andreas und Philippus gingen und sagten es Jesus. Jesus aber antwortete ihnen: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird. Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. Wer sein Leben liebt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben. Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren. Jetzt ist meine Seele erschüttert. Was soll ich sagen: Vater, rette mich aus dieser Stunde? Aber deshalb bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche deinen Namen! Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn schon verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen. Die Menge, die dabeistand und das hörte, sagte: Es hat gedonnert. Andere sagten: Ein Engel hat zu ihm geredet. Jesus antwortete und sagte: Nicht mir galt diese Stimme, sondern euch. Jetzt wird Gericht gehalten über diese Welt; jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden. Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen. Das sagte er, um anzudeuten, auf welche Weise er sterben werde.

Wer unvorbereitet auf einen solchen Text stößt, so könnte man sagen, versteht – gelinde gesprochen – Bahnhof. Der Evangelist Johannes ist ein nachdenklicher Mensch, dazu einer, der Jesus sehr nahe stand, eben der Jünger, den Jesus in besonderer Weise lieb hatte, wie es an anderer Stelle heißt (Joh 21,20). In der Kunstgeschichte wird er immer als Adler versinnbildlicht. Seine Gedanken schweben hoch über unseren Köpfen. Er hat als Evangelist auf der einen Seite die Details sehr genau wahrgenommen und die Fakten (Orte und Zeiten von Ereignissen) getreu berichtet (so ein Adler sieht selbst aus 1000 Metern Höhe noch jede graue Maus!), andererseits hat Johannes die Ereignisse auch reflektiert, meditiert und geradezu philosophisch gedeutet.

Jesus ging auf seinen Tod zu. Er war bereit, sein Leben für das Volk zu opfern, und eben nicht nur für Israel, sondern für alle Menschen aller Zeiten. Deshalb auch die Griechen. Die Griechen waren die Denker, die Philosophen des Altertums. Wer kennt nicht Aristoteles oder Platon, Heraklit, Dionysos und Sokrates mit seinem: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Diese Leute hatten von Jesus gehört und machen sich an ihn heran, um zu erforschen, ob an diesem "Weisen" etwas dran ist. Seine Antwort ist ja auch den Anfragenden angemessen: Der Menschensohn werde verherrlicht! - Was soll das denn heißen? Nun, die Griechen kannten Göttersöhne: Zum Beispiel Prometheus: "Hier sitz ich, forme Menschen,…" wir mussten es, durften es in der Schule auswendig lernen. Goethe! Jesus passt sich der Philosophensprache an: Menschensohn, eben "der Mensch", ein Prometheus Israels, wird in den Olymp hinauf verherrlicht, so werden die Griechen dieses Wort wohl verstanden haben. Aber haben sie damit das Eigentliche begriffen? Die Realität war eine andere: dieser Menschensohn wird hingerichtet und zwar am Kreuz, hoch oben über der Menge, ein Schaustück: Seht der Mensch! Er wollte was ändern, besser machen, er glaubte an die Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Mitmenschlichkeit, den Umwelt- und den Tierschutz, die Würde von Mann und Frau, er glaubte, dass Menschen menschlich miteinander leben könnten, das Friede weltweit möglich wäre. - Weit gefehlt! Dieser Menschensohn war kleinlichen Interessen, regionaler Politik und festgefahrenem religiösen Establishment im Wege. Der musste weg!

Seine Lehre, seine Vorstellungen widersprachen allem, was damals und was auch heute gefälligst als angemessen empfunden werden sollte. Leben heiße konsumieren, leben heiße nehmen und genießen und nicht nach Gründen fragen, leben heiße fortschrittsgläubig sein, wohin auch immer alles fortschreitet. Dass Sterben irgendeinen Sinn, irgendeine Bedeutung haben sollte, wird tunlichst verschwiegen und verdrängt. Ja, natürlich, - also falls man es noch weiß – das Saatgetreide geht zugrunde, damit neue Halme und Ähren aufsprießen, aber das muss man ja nicht extra thematisieren! … oder doch? Eltern erziehen ihre Kinder, sie geben ihnen alles, oft unter der Prämisse, dass ihnen Dinge besser oder überhaupt erst gelingen werden, die sie als Eltern im eigenen Leben selbst nicht mehr erreichen können. Für einen alten Parteigenossen und SED-Funktionär in Leipzig war das die einzige Zukunftshoffnung! Er glaubte an kein Weiterleben für sich selbst. Für christliche Eltern sind die Kinder aber nicht die Projektionsfläche ihrer eigenen Zukunft. In ihrer Liebe und Hingabe erfüllen sie sich und ihren Kindern eine Zukunftshoffnung, die sich nicht hier auf Erden erfüllen muss. Das Versprechen Jesu: "Auch ihr werdet leben, wenn ihr euer Leben hingebt, opfert, als Gabe darbringt!", dieses Wort weist über das irdische Leben hinaus. Im gegenseitigen Gabe-Sein üben wir heute schon das ewige Leben ein. Ja, Leben ist Geschenk, ist Gabe und wird zur Aufgabe, es weiter zu geben.

Sie würden mich für ein wenig verrückt halten, wenn ich Sie aufforderte beim Einkaufen folgenden Gedankengang nachzuvollziehen: Der Verkäufer "schenkt" Ihnen einen prall gefüllten Einkaufskorb mit Lebensmitteln und Sie schenken ihm – nun sagen wir den Gegenwert von – 80 Euro: "Bitte schön – Oh, danke schön!!" Lächerlich? Nein! Genau darum geht es Jesus, geht es dem Glauben: Lebt euer Leben als gegenseitiges Schenken!

Mag sein, das uns die Antriebe zu Handel und Wandel eher egoistisch motiviert vorkommen, und sie sind es in vielen Fällen ja auch. Aber mit Gottes Hilfe, im Kontakt und im Blick auf die Lebenshingabe Jesu am Kreuz könnte zumindest ein Sinneswandel beginnen, eine Umkehrbewegung stattfinden, die besagt: Ich handle aus Dankbarkeit und weiß dankbar, das alles Leben und auch mein Leben selbst im Sterben noch Geschenk ist und bleibt. Liebe Schwestern und Brüder, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, machen wir uns doch nichts vor: wenn uns Corona eins gezeigt hat, dann doch eine große Ohnmacht und hoffentlich auch ein Stück die Einsicht, dass es recht vergeblich ist, nur im vordergründig materiellen Streben den Lebenssinn zu suchen. Manche von uns reagieren sogar gekränkt, dass wir von so einem winzigen Virus in die Knie gezwungen werden sollten. Aber die Situation kann uns auch helfen, die Augen zu öffnen, um einen besseren Weg einzuschlagen. Es gibt diesen Weg, um heute und hier glücklich zu sein. In Dankbarkeit und im Jetzt mit denen in Frieden, in Liebe und gegenseitigem Wohlwollen zu leben, die wir als unsere Mitmenschen vorfinden.

Es geht eben nicht darum 100 Jahre alt zu werden, 100 Häuser zu erwerben, 100 Reisen zu machen, 100 Kleingärten zu bewirtschaften und 100 Events zu besuchen, 100 Liebesabenteuer zu verkosten, 100 Rauschmittel, Chatpartner und Ablenkungen zu vernaschen. Es geht darum, dieses eine Leben, diesen wunderbaren gegenwärtigen Augenblick als ein liebender Mensch zu gestalten und zu erleben. Dazu sind wir in dieser Welt – unseretwegen hat die im eben gehörten Evangelium vom Himmel kommende Stimme gesprochen. Von Gott verherrlicht zu werden, bedeutet, dass wir wie Weizenkörner leben: Wir geben uns hin und leben verwandelt in den Früchten unserer Hingabe weiter: Wir selbst, unsere Kinder, unsere guten Taten, unsere guten Worte, unsere Dankeschön und Bitteschön!

Es wird uns keine Politik, keine Impfung, kein „wenn alles vorbei ist“ retten, nur das: „Ich werde (euch) alle zu mir ziehen.“ Weil es einen gibt, der nicht nach Leistung fragt, sondern allein nach der Bereitschaft zum Opfer, zum Weizenkorn-Dasein, das der einzige Weg ist, um Leben zu fördern, voranzubringen, Ernährung zu sichern, Brot für die Welt zu sein, essbar, verdaulich, genießbar, frisch, knusprig, und voll Wohlgeruch aus der Backstube eines liebenden Vaters im Himmel.

Verzeihen Sie mir meine etwas theatralische Rhetorik, aber wir müssen uns doch wieder für etwas begeistern lassen!, für etwas das bleibt, das wirklich Leben verheißt. Ich kann anders keinen neuen Tag mit Freude beginnen. Bleiben Sie behütet, und Ihnen, sowie Ihren Lieben einen gesegneten Sonntag!

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

Kurzbiografie Pfarrer Dr. Andreas Martin

Pfarrer Dr. Andreas Martin

geboren am 2. Juli 1957 in Greiz | erlernter Beruf: Bautischler | Studium "Mathematische Methoden und Datenverarbeitung in der Wirtschaft" | 1985 Abschluss als Diplomwirtschafter | 1998 Magisterstudium "Katholische und evangelische Theologie und Philosophie | von 2004-2006 Mitarbeiter im "St. Benno Verlag" | parallel Dissertation an der TU Dresden, Religionsphilosophie | ab Oktober 2006 Diplomstudien-Tagung Katholische Theologie und Dissertation im Fach Theologie an der Universität Erfurt | 2009 Diakonweihe und Dienst in Radebeul | 2010 Promotion zum Dr. theol. | 2010 bis 2015 Pfarrer in Altenburg/Thüringen | 2016-2020 Pfarrer in Markkleeberg und Leipzig | seit Oktober 2020 Caritasrektor des Bistums, er ist zuständig für die geistliche Begleitung und religiöse Weiterbildung von Mitarbeitern der Diözesancaritas | zudem priesterliche Dienste in der Pfarrei Meißen.

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.