Montag, 15.03.2021: Zeichen setzen

Ich heiße René und mich regt das total auf. Alle wollen austreten. Wenn irgendwas irgendwie unangenehm wird, dann wird ausgetreten. Mein Nachbar will aus der Kirche austreten. Ich sag: "Mann, du gehst doch selber hin, warum willst du denn aus der Kirche austreten?" Schulterzucken, dann kommt was von Vertrauensverlust und Kirchensteuer. "Ach, kuck an!", sag ich, "die Kirchensteuer! Und wovon soll das Kirchgebäude erhalten werden, für den Fall, dass du mal wieder hingehen willst? Und wovon wird die Frau Pfarrerin bezahlt, die dir einen schönen Weihnachtsgottesdienst zaubern soll, mhhm? Das fördert natürlich das Vertrauen, wenn alle austreten. Aus dem Staat kannst du doch auch nicht austreten, wenn dir das Steuernzahlen nicht mehr gefällt!" Da richtet sich mein Nachbar auf und kuckt mich ganz gerade an: "Also ich hab meinen Ausweis abgegeben." – "Deinen Perso?", frag ich sicherheitshalber zurück, "du hast deinen Personalausweis abgegeben? Wieso das denn? Du bist doch nicht einer von den, wie heißen die gleich … Reichsbürgern?" "Na ja", sagt er zögernd, "nicht ganz, aber so in die Richtung. Steuern zahl ich trotzdem, geht ja nicht anders. Aber ich wollte wenigstens ein Zeichen setzen." – "Ach so, ein Zeichen wolltest du setzen! Wofür oder wogegen denn?" – "Die wollen doch alle bloß unser Geld! Hast du mal überlegt, wer einfach so Geld kriegt, ohne zu arbeiten?" – "Du meinst jetzt nicht Arbeitslose und Ausländer?" Mein Nachbar sagt zwar nichts, aber es scheint klar, was er dazu denkt. "Und das wird besser, wenn du aus dem Staat austrittst, oder wie? Polizei, Krankenhaus, Autobahn – brauchst du alles nicht mehr? Wenn irgendwas irgendwie unangenehm wird, dann wird ausgetreten. Willst du etwa auch noch aus dem Leben austreten?" Da wird mein Nachbar blass. "O Mann", sag ich, „das sollte ein Witz sein! Für dich ist das kein Witz, oder? Du hast das schon überlegt?" Fragend sehe ich ihm ins Gesicht. Die Antwort kann ich deutlich lesen. In Gedanken leg ich ihm einen Arm um die Schulter und sage: "Was würde denn helfen, damit du ins Leben eintrittst, so richtig, als volles Mitglied, mhhm?"

Erster Korinther zwölf, Vers sechsundzwanzig: "… wenn … ein Körperteil leidet, dann leiden alle anderen Körperteile mit. Und wenn ein Teil besonders geehrt wird, dann freuen sich alle anderen mit."

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

Kurzbiografie Pfarrer Dr. Andreas Martin

Pfarrer Dr. Andreas Martin

geboren am 2. Juli 1957 in Greiz | erlernter Beruf: Bautischler | Studium "Mathematische Methoden und Datenverarbeitung in der Wirtschaft" | 1985 Abschluss als Diplomwirtschafter | 1998 Magisterstudium "Katholische und evangelische Theologie und Philosophie | von 2004-2006 Mitarbeiter im "St. Benno Verlag" | parallel Dissertation an der TU Dresden, Religionsphilosophie | ab Oktober 2006 Diplomstudien-Tagung Katholische Theologie und Dissertation im Fach Theologie an der Universität Erfurt | 2009 Diakonweihe und Dienst in Radebeul | 2010 Promotion zum Dr. theol. | 2010 bis 2015 Pfarrer in Altenburg/Thüringen | 2016-2020 Pfarrer in Markkleeberg und Leipzig | seit Oktober 2020 Caritasrektor des Bistums, er ist zuständig für die geistliche Begleitung und religiöse Weiterbildung von Mitarbeitern der Diözesancaritas | zudem priesterliche Dienste in der Pfarrei Meißen.

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.