Donnerstag, 06.05.2021: Was es ist

Was es ist. "Es ist Unsinn / sagt die Vernunft / Es ist was es ist / sagt die Liebe". Was für ein Staunen, welche Bewunderung! Ein fasziniertes Herumgehen um das wirkliche Gegenüber. Erich Fried hat so gedichtet. Er wusste sehr wohl auch um das "schlechte Wirkliche": "Es ist nicht wahr / dass Geschichte / gefälscht wird / Sie hat sich großenteils / wirklich / falsch / zugetragen / Ich kann das selbst bezeugen / Ich war dabei …"

Er stammt aus einer jüdischen Familie in Wien, verlor seinen Vater 1938 nach einem Verhör der Gestapo und lebte nach der Emigration zeitlebens in London. "Es ist Unglück / sagt die Berechnung / Es ist nichts als Schmerz / sagt die Angst / Es ist aussichtslos / sagt die Einsicht / Es ist was es ist / sagt die Liebe."

Mit seinen Liebesgedichten war er besonders wirksam und erfolgreich in Deutschland, manches kannten wir auch im Osten. Nah und genau, die Geliebte und die Liebe. Aber auch ein unbequemer und streitbar kritischer Zeitgenosse. Vom Kommunismus berührt, distanzierte er sich bald vom Stalinismus. 1968er war er und umstritten, weil er die Schlagzeilen über die RAF nicht nachsprechen wollte. Er war einer, der die Welt leidenschaftlich anders zu denken versuchte. "Wer will / dass die Welt / so bleibt / wie sie ist / der will nicht / dass sie bleibt".

In den achtziger Jahren besuchte Erich Fried den rechtsextremen Michael Kühnen im Gefängnis, um mit ihm zu reden, weil er annahm, dass ein Gespräch auch über Gegensätze hinweg möglich sein muss. "Es ist lächerlich / sagt der Stolz / Es ist leichtsinnig / sagt die Vorsicht / Es ist unmöglich / sagt die Erfahrung / Es ist was es ist / sagt die Liebe".

Ich weiß gar nicht, ob Erich Fried religiös war oder wie er glaubte. Aber für mich berühren seine Worte auch die faszinierende Antwort auf Moses Frage, wie man denn Gott nennen soll: Ich bin, der ich bin, schau staunend und neugierig hin, wie ich mit euch sein werde (vgl. Ex 3,14). Erich Fried wurde heute vor 100 Jahren, am 6. Mai 1921, in Wien geboren.

Zitate aus: Die Engel der Geschichte; Was es ist; Status quo, zitiert nach: Erich Fried: Vorübungen für Wunder. Berlin, 1999. – S. 11. 75. 105.

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Michael Markert

Michael Markert

Geboren am 08.03.1964 in Karl-Marx-Stadt | Studium der Theologie in Leipzig, Erfurt (1983-1989) und Philadelphia (1990-1991) | Pfarrer in der Michaelis-Friedens-Kirchgemeinde Leipzig (1997-2009) | Studienleiter am Pastoralkolleg Meißen (2009-2021) | Rektor im Kirchlichen Fernunterricht (seit 2021) | lebt in Leipzig | verheiratet | drei erwachsene Kinder

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Stephan Ringeis

Stephan Ringeis

Senderbeauftragter der Evangelischen Freikirchen beim MDR

geb. 18.09.1962 in Jena | aufgewachsen in Berlin | Studium der Theologie am Theologischen Seminar der Evangelisch-methodistischen Kirche in Bad Klosterlausnitz von 1982 bis 1987 | Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche in Neudorf/Erzgebirge 1987 bis 1990 | Pastor in Wilkau-Haßlau 1990 bis 1997 | Pastor in Zwickau von 1997 bis 2009 | Superintendent des Distrikts Zwickau der Evangelisch-methodistischen Kirche 2009 bis 2019 | Pastor im Interimsdienst (Geistliche Begleitung von Gemeinden in Übergangssituationen) | verheiratet | drei Kinder

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.