Die 2000er-Jahre - Insolvenz und die Generation Amateurfußball

Wenn es darauf ankommt, kein Glück

Ab 1991 wurde in Gesamtdeutschland gemeinsam Fußball gespielt. Der 1. FC Magdeburg wurde in der Oberliga-Nordost-Mitte eingruppiert. Statt ostdeutschen Spitzenteams und europäischen Hochkarätern waren die Gegner nun Stahl Thale oder Hertha Zehlendorf. Viele Jahre pendelte der einstige Europapokalsieger fortan im Amateurfußball zwischen dritter und vierter Liga. Dabei entwickelten die Magdeburger ein seltsames Talent: Immer wenn es darum ging, sich in einer Qualifikationsrunde für eine neu eingeführte Liga zu qualifizieren, scheiterten sie. Erstmals war dies 1991 zu beobachten, als die DDR-Oberliga, damals schon unter NOFV-Führung, beerdigt wurde.

1993/94 lief die Qualifikation für die neue Regionalliga. In der Liga mit dem sperrigen Titel Oberliga-Nordost-Mitte hätte der FCM Sechster werden müssen, landete aber nur auf Platz 7. In dieser Saison kassierten die Elbstädter auch die höchste Niederlage der Vereinsgeschichte. Mit 9:0 kamen sie beim späteren Meister Union Berlin unter die Räder. Ein Jahr später stürzte der ruhmreiche FCM fast in die Verbandsliga ab.

Nach dem Regionalliga-Aufstieg 1997 stand in der Saison 1999/2000 erneut eine Ligenreform an. Aus vier Staffeln wurden zwei. Wieder hätte am Ende Platz 6 stehen müssen. Der FCM wurde jedoch nur Zehnter. Es folgten dramatische Jahre mit Meisterschaft, Aufstieg dank einer riesigen Spendenaktion und die Insolvenz ein Jahr später. Die vierte Liga blieb bis 2006 die Heimat des 1. FC Magdeburg. 2006 gelang erneut der Aufstieg, doch der FCM bleib sich treu. Im ersten Jahr verpasste er den Durchmarsch in Liga 2 um ein Tor. Und ein Jahr später scheiterten die Blau-Weißen zum vierten Mal in einer Qualifikationssaison. 2008 wurden die beiden Regionalligen zur neuen 3. Liga vereinigt. Dem FCM fehlten damals drei mickrige Tore, um sich für die neue Liga zu qualifizieren.

Blogger und Buchautor Alexander Schnarr hat die tristen FCM-Jahre aus Fanperspektive beobachtet. In seinem Buch “111 Gründe, den 1. FC Magdeburg zu lieben” hat er den Fans, die in der dunklen Zeit zum FCM hielten, einen Namen gegeben. So erklärt er im Interview mit MDR Sachsen-Anhalt, was diese Generation ausmacht: “Auf jeden Fall die Liebe zu einem Club, der, zu der Zeit als man Fan wurde, vor allem von den Geschichten gelebt hat und vom Mythos als einziger Eurpoapokalsieger der DDR. Es ist die Generation Fans, die den FCM zum überwiegenden Teil auf Dorfplätzen erlebt hat und trotzdem dabei geblieben ist. Und die nun das Profifußball-Dasein in allen Zügen auskostet.

2002: "Plötzlich war kein Geld mehr da"

Im Jahr 2000 wurden die vier Staffeln der damals drittklassigen Regionalliga zu zwei Staffeln zusammengelegt. Der FCM verpasste die Qualifikation für die neue Spielklasse, so wie er immer die Qualifikation verpasste, wenn eine neue Liga eingeführt wurde. Doch schon im folgenden Jahr gelang die Rückkehr in die Regionalliga. Bei einem Torverhältnis von 120:30 wurde der FCM mit großem Vorsprung Meister.

Während die sportlichen Voraussetzungen für den Aufstieg erfüllt waren, haperte es an der Finanzierung. Doch in einer beeindruckenden Aktion sammelten die FCM-Fans innerhalb weniger Tage eine Million Mark ein, um ihr Team zu unterstützen. Zwei Banken erklärten sich dann bereit, für eine Bürgschaft aufzukommen. Torhüter Christian Beer, damals gerade in die Männermannschaft aufgerückt, erlebte die Zeit so:

"Die Phase war für mich sehr bewegend. Ich war noch ein relativ junger Stift. Ich hatte mich gerade gefreut, im Leistungsbereich angekommen zu sein und dann hieß es plötzlich: 'Moment mal, wir haben kein Geld mehr und können die Gehälter nicht mehr zahlen.' Was dann passiert ist, war sensationell. Innerhalb einer Woche kamen Leute zusammen und haben gespendet, sodass die Banken die Bürgschaft gegeben haben. Wir haben damals so viele Veranstaltungen besucht und haben nach Spenden gebeten. Einmal kamen Kinder mit ihren Spardosen und haben sie ausgeschüttet, um den Verein zu retten.”

So konnte der FCM in der Regionalliga antreten und schaffte dort auch den Klassenerhalt. Doch die finanziellen Probleme blieben und am Ende der Saison 2001/02 musste der Verein Insolvenz anmelden. Es war eine der schwärzesten Stunden in der Vereinsgeschichte des ehemaligen Europapokalsiegers.

Regionalliga 2006 bis 2008: Zwei ganz traurige Momente

Nach der Insolvenz brauchte der 1. FC Magdeburg einige Zeit, um sich wieder zu finden. In der Saison 2002/2003 lag der Zuschauerschnitt bei gerade einmal 2.700. Im März 2003 übernahm Torwart-Legende Dirk Heyne die Mannschaft und führte sie in den Folgejahren fast in die 2. Bundesliga. Die erste komplette Saison unter Heyne beendete der FCM auf Rang drei in der Oberliga Süd. Es folgte eine enttäuschende Saison, die die Blau-Weißen im Germer-Stadion bestritten.

Das Grubestadion wurde während dieser Zeit zu einer modernen Fußballarena ausgebaut. In der Saison 2005/2006 gewann der FCM schließlich die Meisterschaft und kehrte anschließend nicht nur in die Regionalliga zurück, sondern bezog auch die neu errichtete MDCC-Arena. Unter anderem Frank Gerster und Kais Manai verstärkten dann die Mannschaft, die mit dem Saisonziel Klassenerhalt antrat.

Es kam anders: Die Magdeburger gewannen Spiel um Spiel und standen drei Spieltage vor dem Saisonende fast schon als Aufsteiger in die 2. Bundesliga fest. Am Ende versagten den Kickern die Nerven. Sie vergaben die drei Matchbälle und verpassten den Aufstieg. Am Ende fehlte ein einziges Tor und damit zwei Punkte.

Glaubt man Spielmacher Kais Manai, so wirkte sich das dramatische Saisonende auch auf die Folgesaison aus. 2007/08 wurde die Qualifikation für die neue 3. Liga ausgespielt. Platz neun hätte dem FCM dafür gereicht. Doch Verletzungspech und zu hohe Erwartungen hemmten den Club, erinnert sich Manai: "Die Erwartung war bei allen da: Bei dem Trainer, den Fans, dem Vorstand. Und weil wir in der Vorsaison den dritten Platz erreicht haben, entstand wohl auch die Haltung, dass man nicht viel tun muss. Wir haben keine Verstärkung geholt." Es kam wie es kommen musste. Die Magdeburger legten eine Negativserie hin und Trainer Dirk Heyne wurde entlassen. Sein Nachfolger wurde Paul Linz. Doch am Ende landete Magdeburg auf Platz elf - und scheiterte, wie schon im Vorjahr, denkbar knapp.

2011/12 - Vier Trainer und trotzdem Letzter

Die Saison 2011/12 war vermutlich die Schlechteste in der Vereinsgeschichte des 1. FC Magdeburg. Den Blau-Weißen gelang in der Spielzeit lediglich ein einziger Heimsieg. Bis zum 31. Spieltag mussten die Fans warten, eh es soweit war. Am 29. April 2012 feierte der Club einen 2:0-Heimerfolg gegen den SV Wilhelmshaven. Doch gerade noch 3.000 Zuschauer verfolgten das Spiel im Stadion. In den Monaten zuvor hatten FCM-Spieler die Arena nach und nach leer gespielt. In den Auswärtsspielen lief es auch nicht viel besser. Doch in der Fremde holte der FCM immerhin vier Siege. Was nichts daran änderte, dass der Club die Saison auf dem letzten Tabellenplatz in der Regionalliga Nord beendete. Nur dank einer Ligareform verhinderte der 1. FC Magdeburg den Absturz in die Oberliga.

Neben dem schlechten sportlichen Abschneiden wird die Saison vor allem für zwei Kuriositäten in Erinnerung bleiben: die vier Cheftrainer und eine lustige Pfeilaktion der Fans. Zum Saisonbeginn saß Wolfgang Sandhowe auf der Bank. Neuer Sportdirektor wurde Detlef Ullrich. Bereits nach zehn Spieltagen war das Kapitel Sandhowe wieder beendet. An seiner Stelle übernahm Co-Trainer Ronny Thielemann, der auch heute noch Co-Trainer beim Club ist. Weitere 15, überwiegend erfolglose Spiele später übernahm Ullrich auch den Trainerposten. Dort hielt er es bis zum 31. Spieltag aus, ehe sich auch noch Carsten Müller als Cheftrainer versuchen durfte. Ein Sieg war ihm jedoch nicht vergönnt.

Aufgrund der schlechten Leistungen kamen immer weniger Zuschauer ins Stadion. Im Frühjahr gelangen dem FCM in fünf aufeinander folgenden Spielen kein Tor. Am 25. März 2012 nahmen die Fans dies zum Anlass für eine sehr lustige Aktion. Mit bunten Neonpfeilen postierten sie sich hinter dem Tor. Dazu gab es ein Spruchband: "Wir zeigen euch, wo das Tor steht". Anschließend flitzten die Fans kreuz und quer durch das Stadion, um ihren Lieblingen aus jeder Position zu zeigen, wo der Ball nun hin muss. Zwar gelang dem FCM in jenem Spiel sogar ein Tor, die Partie ging dennoch 1:2 verloren.

Besonders bitter: Während Magdeburg die schlechteste Spielzeit der Vereinsgeschichte erlebte, gewann der Erzrivale aus Halle in dieser Saison die Meisterschaft und stieg in die 3. Liga auf.