Eine Frau schaut auf ihr Handy, an ihrem Arm trägt sie einen Sensor für die Blutzuckermessung.
Viele Diabetikerinnen wissen bereits, dass ihre Insulinsensitivität stark schwankt im Verlauf des Zyklus. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Zucker und Stoffwechsel Studie: Weibliches Gehirn verändert Empfänglichkeit für Insulin im Verlauf der Periode

22. September 2023, 10:35 Uhr

Kurz vor der Periode verändert sich der Appetit: Ein Grund dafür könnte die Empfänglichkeit der Frauen für das Stoffwechselhormon Insulin sein. Denn die ändert sich im Zyklus, was auch für Diabetikerinnen wichtig ist.

Autorenfoto von Clemens Haug
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Es ist nur eine kleine, dafür aber kontrolliert durchgeführte Studie: Ein Team von Forschenden um Julia Hummel und Martin Heni vom Institut für Forschung und Stoffwechselkrankheiten am Helmholtz-Zentrum München hat bei elf Frauen untersucht, wie sehr die Empfänglichkeit des Gehirns für das Stoffwechselhormon Insulin im Verlauf der weiblichen Periode schwankte. Insulin steuert nicht nur die Aufnahme von Zucker in die Körperzellen. Es wirkt auch im Gehirn und beeinflusst dort unter anderem den Appetit. Wie Hummel, Heni und Kollegen jetzt zeigen, verändert sich die Reaktion der weiblichen Gehirne auf das Hormon, je nachdem, ob sich die Frauen in der Phase vor dem Eisprung (Follikelphase) oder danach (Lutealphase) befanden.

Insulinsensitivität wurde verglichen mit Placebogruppe

Die Frauen wurden zufällig in zwei Untersuchungsgruppen eingeteilt. Dann wurde jeweils vier Mal innerhalb eines Menstruationszyklus ein sogenannter Insulin-Clamp durchgeführt. Dabei bekommen Untersuchungspersonen eine definierte Menge an Insulin. Danach wird schrittweise Zucker in Form von Glukose verabreicht, solange, bis der Blutzuckerspiegel normale Werte von nüchternen Personen erreicht. Je mehr Glukose verabreicht werden muss, desto höher ist die Sensitivität einer Person für Insulin. Je weniger Glukose dafür nötig ist, desto geringer ist Insulin-Sensitivität.

In der Untersuchungsgruppe wurde das Insulin als Nasenspray verabreicht. Die Kontrollgruppe bekam ein Nasenspray mit einem Placebo. Die anschließende Untersuchung zeigte zwischen Insulin- und Placebogruppe gemäß den Erwartungen deutliche Unterschiede bei der nötigen Menge an Glukose, um den Blutzuckerspiegel wieder auszugleichen.

Unterschiedliche Insulin-Sensitivität könnte schwankende Appetitgefühle vor der Blutung erklären

Bei der Auswertung zeigte sich, dass die Gehirne der Frauen in der ersten Hälfte des Zyklus, also vor dem Eisprung, deutlich sensitiver für Insulin waren als danach in der Lutealphase. Die Forschenden führten bei 15 weiteren Frauen Gehirnscans mit einem MRT durch und maßen dabei die Sensitivität für Insulin im Hypothalamus, einer bestimmten Hirnregion. Auch hier zeigte sich, dass die Insulinsensitivität während der Follikelphase höher war als in der zweiten Hälfte des Zyklus.

Nicht an der Studie beteiligte Forschende sehen durch die Arbeit deutliche Hinweise gegeben, die teilweise erklären können, warum sich bei vielen Frauen mitunter der Appetit und das Verlangen nach Essen kurz vor und während der Monatsblutung verändern. Das habe auch einen Einfluss auf die Regulierung des Körpergewichts.

Studien zur Insulin-Empfänglichkeit bislang fast nur bei Männern

Schon vor dieser Untersuchung war zwar bekannt, dass Gehirne empfindlich reagieren auf Schwankungen beim Insulin und das es spezielle Neuronen gibt, die auf das Hormon reagieren. Doch Unterschiede zwischen Geschlechtern wurden bislang nur vermutet, da die meisten Studien nur mit Männern durchgeführt worden waren.

Alexandra Kautzky-Willer, Endokrinologin und Expertin für Gendermedizin an der medizinischen Universität in Wien, hat nicht an der Studie mitgewirkt, ist von den Ergebnissen aber nicht überrascht. "Wir wissen, dass sich die Insulinempfindlichkeit während des Zyklus verändert. Frauen mit Typ-1-Diabetes müssen ihre Insulindosis oft an die Zyklusphasen anpassen beziehungsweise bemerken starke Zyklus-abhängige Schwankungen ihrer Blutzuckerwerte. Leider ist die Forschung dazu marginal", sagt sie.

Sie wünscht sich weitere Studien. "Besonders spannend wäre auch weiter zu untersuchen, ob und inwieweit die gezeigten Veränderungen möglicherwiese auch andere häufige zyklusabhängige Veränderungen beeinflussen: von 'Craving', Essstörungen und Gewichtsveränderungen bis hin zu Stimmungsschwankungen und dem prämenstruellen Syndrom."

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