Russell-McPherron-Effekt Wieder mehr Polarlichter um Ende September herum möglich
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23. September 2024, 16:52 Uhr
Auch über Deutschland können jetzt wieder vermehrt Polarlichter gesichtet werden. Besonders um die Tagundnachtgleiche, den astronomischen Herbstbeginn, sollen die Chancen auf Sichtungen gut stehen. Warum Aurora Borealis jetzt am Nachthimmel leuchtet, hat zwei Gründe.
Wer Island, Skandinavien oder allgemein den hohen Norden besucht, kann sich vor allem im Winter auf Polarlichter-Jagdtouren freuen. Dabei ist es nicht einmal die Zeit im Jahr, in der die farbenprächtigen Lichter am häufigsten über den Himmel hinwegtanzen. Besonders um die beiden Tagundnachtgleichen im März und September herum, scheinen Polarlichter ihren Höhepunkt zu erreichen.
Die letzte Tagundnachtgleiche war am 20. März 2024 und leitete den astronomischen Frühling ein. Tatsächlich waren um diese Zeit auch Polarlichter über Deutschland zu sehen. Anfang Mai tanzten sie sogar über Halle (Saale), Leipzig und noch viel weiter im Süden hinweg.
Im Sommer, also um die Sonnenwende im Juni, gab es dagegen weniger Sichtungen. Unter Fachleuten ist bekannt, dass die Häufigkeit von Polarlichtern um die Sonnenwenden im Dezember und Juni abnimmt. Da die Sonne in diesem Sommer jedoch so aktiv war, wie seit 20 Jahren nicht mehr. konnten sogar im August wieder Polarlichter auch über Mitteldeutschland beobachtet werden.
Eine Zunahme der möglichen Sichtungen wird um den 22. September 2024 erwartet, die nächste Tagundnachtgleiche (Äquinoktium), den astronomischen Herbstbeginn.
Sonnenstürme und geomagnetische Stürme sorgen für mehr Polarlichter
Eine allgemeine Zunahme der Aurora Borealis hängt mit dem Erreichen der maximalen Sonnenaktivität zusammen. Wann dieser Zeitpunkt im etwa elfjährigen Sonnenzyklus erreicht wird, kann erst im Nachhinein genau bestimmt werden. Jedoch gehen Experten davon aus, dass die Sonnenaktivität ihr nächstes Maximum noch in 2024 oder 2025 erreichen wird.
Je aktiver die Sonne ist, desto mehr Sonnenstürme und geomagnetische Stürme werden in den Weltraum hinausgeschleudert. Manche davon treffen auf das Magnetfeld der Erde. Das sichtbare Resultat sind Polarlichter. Jedoch haben Astronomen keine umfassende Erklärung dafür, wie diese Phänomene kalendarisch im Einklang zueinander stehen.
Wenn die geladenen Teilchen der Sonne über die Erde hinwegströmen, zieht das Erdmagnetfeld sie zu den hohen Breitengraden hin. Die hochenergetischen Teilchen prallen auf die Atome der oberen Erdatmosphäre und regen sie an, wodurch die hellen Erscheinungen am Himmel entstehen. Die daraus resultierenden Farben ergeben sich durch die Atome, mit denen sie in der Atmosphäre agieren. Besonders geomagnetische Stürme nehmen zweimal im Jahr, an den Tagundnachtgleichen, an Stärke und Anzahl zu.
Russell-McPherron-Effekt & Äquinoktial-Effekt: Polarlichtzunahme im März und September
Die plausibelste Erklärung für die kalendarische Zunahme ist der Russell-McPherron-Effekt, den 1973 die beiden Geophysiker Christopher Russell und Robert McPherron lieferten.
Die Neigung des Erdmagnetfeldes soll ausschlaggebend für die Menge an Polarlichtern sein, die auf der Erde erscheinen. Die meiste Zeit über sind die Magnetfelder der Erde und der Sonne nicht zueinander ausgerichtet, sodass das Feld unseres Planeten weniger offen für die die Polarlichter verursachenden Auswirkungen des Sonnenwindes ist. Wenn der Sonnenwind über die Erde strömt, wird ein Großteil davon vom Planeten weggelenkt.
Zur Tagundnachtgleiche stehen die beiden Felder jedoch in einer Linie, zeigen aber in entgegengesetzte Richtungen, wodurch die geladenen Teilchen, die die Polarlichter verursachen, besser eingefangen werden können.
Hinzu kommt noch der Äquinoktial-Effekt, bei dem die magnetischen Pole der Erde an den Tagundnachtgleichen (fast) senkrecht und damit beinah in einem rechten Winkel zur Strömungsrichtung des Sonnenwinds stehen.
Dadurch wird die Kopplung zwischen dem Sonnenwind und dem Magnetfeld der Erde maximiert. Im Sommer oder Winter steht einer der Pole der Erde in einem ungünstigen Winkel zum Sonnenwind. Dadurch ist die Kopplung zwischen ihnen geringer – weswegen es durchschnittlich weniger Stürme gibt, die das Magnetfeld der Erde anregen. Doch wie das alles genau abläuft, ist für die astronomische Fachwelt auch heute noch ein Rätsel.
Links/Studien
Studie vom 1. Januar 1973, erschienen in der Fachzeitschrift Journal of Geophysical Research: Semiannual variation of geomagnetic activity (Halbjährliche Schwankungen der geomagnetischen Aktivität).
Studie in der Juli 2009 Ausgabe der Fachzeitschrift Journal of Atmospheric and Solar-Terrestrial Physics: Role of the Russell–McPherron effect in the acceleration of relativistic electrons (Die Rolle des Russell-McPherron-Effekts bei der Beschleunigung von relativistischen Elektronen).
pk
Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | Sachsen-Anhalt-Heute | 13. August 2024 | 19:10 Uhr
Freies Moria vor 7 Wochen
@MDR-Team: Sie sprechen von Schwankungen wegen Sonnenaktivität. Ich spreche von Schwankungen der Sonnenenergie, die die Erde erreicht. Das betrifft auch und gerade die Wärmestrahlung.
MDR-Team vor 7 Wochen
Hallo,
die Schwankungen betreffen hauptsächlich den ultravioletten Anteil des am Oberrand der Atmosphäre eintreffenden Sonnenlichts. Dieser ist erhöht bei stärkerer Sonnenaktivität, welche charakterisiert wird durch eine erhöhte Anzahl an Sonnenflecken. Dadurch emittiert die Sonne grob gesagt energiereichere elektromagnetische Strahlung (die dann auch das Erdmagnetfeld stärker strapaziert). Durch die unterschiedliche Strahlungsbilanz am Äquator und den Polen ergeben sich zusätzliche regionale Unterschiede des Effektes.
Leider sind die genannten Effekte aufgrund marginaler Schwankungen der Sonnenaktivität oft nicht erfassbar. Zudem gibt es im multikomplexen System der Atmosphäre zu viele andere Faktoren, die kleine Randeffekte nahezu ausblenden. Hinzu kommt seit rund 40 Jahren der verstärkte menschgemachte CO2 - Ausstoß. Auch dadurch wird dieser Effekt in Zukunft eher abnehmen bzw. schwerer auszumachen sein.
Mehr dazu hier: https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2019/10/26.html
Freies Moria vor 7 Wochen
Schön zu lesen, dass die Sonne so aktiv wie seit 20 Jahren nicht war.
Schade, dass man so wenig darüber liest, wie die Schwankungen der Sonnenaktivität die Energie beeinflusst, die die Erde erreicht.
Diese Energiemenge beeinflusst schliesslich sehr nachhaltig das globale Klima, und die Schwankungen sind daher extrem wichtig, um Wetter und Klima zu verstehen.
Und doch findet man Erwähnung nur am Rande, bei Polarlichtern zum Beispiel...