Zwei Wiedehopfvögel mit Gras, teilweise unscharf. Vögel mit hellem, brauen Federkleid sowie gestreiften Flügeln, langen dünnen Schnäbeln und aufstellten Federn am Kopf.
Der Wiedehopf (Vogel des Jahres 2022) macht sich in Mitteleuropa leider rar. Mit etwas Glück entdecken Sie aber einen, wie hier im Biosphärenreservat Mittelelbe in Sachsen-Anhalt. Ob die Tierchen aber auch noch so ulkig ihr Gefieder aufstellen, dafür können wir nicht garantieren. Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Birdrace und Stunde der Gartenvögel Vogelzählungen im Mai — Wie Sie jetzt der Ornithologie verfallen können

25. April 2023, 09:48 Uhr

Sofern es Ihnen in der Morgenstund entgangen sein sollte: Vor dem Fenster ist wieder allerhand Gezwitscher angesagt. Aber mehr als sonst? Oder weniger? Oder anders? Lässt sich herausfinden, aber nur, wenn alle anpacken. Am Sonnabend startet für 24 Stunden das Birdrace. Wem das zu krass ist, der darf sich eine Woche später ein Stündchen den Gartenvögeln widmen.

Ob alle Vögel schon da sind (oder noch), das ermitteln die geneigten Hobbyornithologen gern bei zeitweiligen Vogelvolkszählungen. Die sind nicht zuletzt durch die Biodiversitätskrise präsenter denn je – und dank Digitalisierung auch geschmeidiger denn je zu bewerkstelligen. Das, was beim Nabu die Stunde der Gartenvögel darstellt, ist beim DDA das Birdrace. DDA steht für Dachverband Deutscher Avifaunisten. Und sagen wir es mal so: Es lohnt sich schon allein deshalb mitzumachen, weil man sich dann selbst als Freizeit-Avifaunist/-in bezeichnen könnte. Ein wunderbares Wort.

Ziel des Birdrace ist es, innerhalb von 24 Stunden so viele unterschiedliche Vogelarten wie möglich zu entdecken. Das geht alleine oder in Teams, die sich vor Ort oder digital organisieren. 24 Stunden heißt: Im besten Fall wird schon kurz nach der Geisterstunde von Freitag auf Sonnabend das Fernglas (oder Nachtsichtgerät) gezückt und erst dann abgelegt, wenn die 24 Stunden vorbei sind. An keinem anderen Tag im Jahr werde, dem DDA zufolge, so intensiv aufs Gefiedertum geschaut wie am ersten Sonnabend im Mai. Seit 18 Jahren findet das Birdrace statt, im vergangenen Jahr waren 2.600 Personen in allen Bundesländern dabei, die insgesamt schnapszahlige 333 Vogelarten ausfindig gemacht haben.

Amsel, Drossel, Fink und Polarmöwe

Ganz oben auf der 2021er-Liste stand die Amsel, ihres Zeichens Deutschlands zwitschernder Dauerdienst. Der einzige Tropen-würdige Vogel der Republik, der Eisvogel, zeigte sich bei den Beobachtungen hingegen ungewöhnlich rar, hier könnte der Wintereinbruch im Februar vergangenen Jahres verantwortlich gewesen sein. Regelrecht Sorgen bereitete der Kiebitz, den nicht mal zwei Drittel der Teilnehmenden im vergangenen Jahr beobachten konnten. Und das, obwohl er zumindest zur Brutzeit zwischen Irland und Sibirien zum regionalen Gefieder-Inventar zählt. Allerdings schafften es auch Fernreisende in den deutschen Luftraum: So wurde 2021 an zwei verschiedenen Stellen eine Polarmöwe gesichtet, die eigentlich in Grönland und Kanada zuhause ist.

Zwei Eisvögel af Ast mit sehr unscharfem Hintegrund: Kleine vögel mit blau-glänzendem Federkleid, exotische Anmutung, streitende/diskutierende Position mit offenen Schnäbeln und teilweise geöffneten Flügeln.
Sieht aus wie tropischer Regenwald, gibt's aber auch in Mitteldeutschland: Diese beiden Eisvögel hier scheinen einen ernsteren Meinungsaustausch zu pflegen. Bildrechte: IMAGO / R. Kistowski/wunderbare-Erde

Da gibt es bei uns vor der Haustür also doch noch mehr als Amsel, Drossel, Fink und Star und zuweilen einen Storch. Um den nerdigen Beigeschmack, den ein Wettrennen um die meisten Vogelarten eben mit sich bringt, macht der DDA keinen Hehl. Im Gegenteil, die skurrile Aktion bringe genau die Aufmerksamkeit, die die Artenvielfalt dringend brauche: "Auf diese Weise lassen sich Themen des Naturschutzes sehr gut in die Öffentlichkeit tragen, z.B. der Rückgang der Vögel der Agrarlandschaft", so der DDA.

Sollte Ihnen der Sinn nach einer eher gediegeneren Vogelzählung stehen, dann merken Sie sich das kommende Wochenende vor. Vom 13. bis 15. Mai lädt der Naturschutzbund Nabu wieder zur Stunde der Gartenvögel. In diesem Zeitraum zählen Teilnehmende eine Stunde lang das, was da so im Garten, am Balkon oder Park umherflattert. Menschen mit vogelkundlerischem Weiterbildungsbedarf können sich am Nabu-Material bedienen – z.B. der kürzlich aktualisierten App Nabu Vogelwelt, die jetzt (gegen Gebühr) sogar Vögel an deren Gesangsgut automatisch erkennen kann. Die kostenfreie Alternative gibt es von der TU Chemnitz mit Birdnet. Und Nachhilfe, wie man eine Amsel von einem Star unterscheidet, liefert dieser bebilderte Artenvergleich.

Die Stunde der Gartenvögel ist ein Vorzeige-Forschungsprojekt mit Bürger- und Bürgerinnenbeteiligung, das schon jetzt auf einen reichhaltigen Datenschatz blicken kann. Auf der interaktiven Karte zeigt sich z.B.: Der amüsant titulierte Zilpzalp flattert in Sachsen und Sachsen-Anhalt emsiger als in thüringischen Gärten und ist im Südwesten der Republik am seltensten auszumachen. Vielleicht sehen Sie ja diesmal einen? So hört er sich an, wenn er heiter seinen Namen trällert.

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