Regenwurm
Ohne Regenwürmer gäbe es kein Leben auf der Erde. Bildrechte: imago/robertharding

Erdreich Bodenqualität: Regenwürmer schützen das Klima

12. April 2020, 05:00 Uhr

Der Erdboden ist ein wichtiger Speicher des Klimagases CO2. Dazu tragen Regenwürmer und andere Lebewesen bei. Doch immer noch verschlechtern Landwirtschaft und Bautätigkeit die Bodenqualität.

Wir beginnen auf einer Wiese. Bestimmt hat jeder von uns schon einmal auf einer gelegen und den Geruch von Gras und Erde eingesogen. David Russel, Forscher vom Senckenberg Museum, steht auf einer ungepflegten Hinterhofwiese in Leipzig. Gedanklich betrachtet er die Grünfläche von unten, aus Sicht des Regenwurms, denn das ist Russels Fachgebiet, und der Regenwurm würde sich vielleicht eine bessere wünschen.

Nematoden, Springschwänze und Colembolen

Diese Leipziger Hinterhof-Wiese ist aber typisch für Wiesen in Städten. Sie sind meist klein und nicht sehr artenreich. Trotzdem lebt der Regenwurm hier. Der Beweis liegt direkt vor Russels Füßen: Kleine Haufen dunkler Erde. "Das sind Regenwurmkothaufen. Es gibt unterschiedliche Regenwurmarten, die unterschiedlich leben", erklärt der Forscher

Es gibt den Kompostwurm, den Schleimwurm, den Grauwurm, den Gartenwurm, den Stubbenwurm, den bläulichen Regenwurm. Wenn Sie den schon mal gesehen haben, dachten Sie bestimmt, dass es dem nicht gut geht, weil er so blau ist. Tatsächlich ist es aber eine von vielen Regenwurmarten. Kennen Sie Nematoden, Springschwänze, oder Colembolen? All diese Tierchen leben im Boden und sind für den Menschen lebenswichtig, denn sie speichern viel CO2 und produzieren fruchtbare Muttererde. Was wäre, wenn sie ihre Arbeit von heute auf morgen einstellen?

Ohne Regenwürmer gäbe es kein Leben auf der Erde

"Das ist eine gute Frage", sagt Russel. "Ein Kollege, ein Mikrobiologe, hat die Rechnung schon durchgemacht: Was würde passieren? Er hat durchgerechnet, innerhalb von wenigen Wochen wird es keine Nährstoffe mehr für die Pflanzen im Boden geben. Dadurch würden in wenigen Monaten die Pflanzen alle absterben. Dann können wir ausrechnen, wie lange würden unsere Nahrungsvorräte halten? Ohne Bodenlebewesen und Organismen hätten wir nichts zu essen. Es gäbe überhaupt kein Leben", sagt der Biologe.

Kein Leben auf der Erde ohne Pflanzen und Humusboden? Dieses Szenario ist kaum vorstellbar, aber wir steuern darauf hin, sagen Bodenexperten. Die Gründe kennen alle: Jeden Tag wird Hektarweise wertvolles Ackerland zubetoniert, Häuser, Straßen drauf gebaut. Das ist das eine. Das andere: Auf Ackerflächen wird zu viel Gülle und chemischer Dünger gekippt. Das ist alles nix für den Regenwurm und seine Kollegen.

Grasland speichert bis zu 100 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar

Nur noch die Hälfte bis ein Zehntel der Bodenlebewesen halten es deshalb auf dem Acker aus, verglichen mit einem Waldboden. Entsprechend weniger CO2 speichert der Boden, erläutert Professor Nicolas Brüggemann vom Forschungszentrum Jülich: "Wenn Grasland zum Ackerland umgebrochen wird verliert es in den ersten Jahren und Jahrzehnten sehr viel Kohlestoff. Wir reden da schnell über viele hundert Tonnen Kohlestoff pro Hektar."

Eigentlich ist der Boden ein CO2 Speicher. In der wertvollen Humusschicht mit Milliarden Kleinstlebewesen und Pflanzenwelten ist so viel Kohlstoff gespeichert, wie in der gesamten Atmosphäre und in allen Lebewesen. Doch ihm geht gerade die Kraft aus.

Klimawandel bedroht Böden

Die Kraft soll nun wieder zurückgegeben werden und zwar mit Abfall. Keine Gülle, sondern Grünschnitt, Kompost, Küchenabfälle. 400.000 Tonnen würden davon in einem Jahr anfallen. Auf dem Acker verteilt lockt er Bodentiere an und fördert die Humusbildung.

Die Münchner Bodenexpertin Ingrid Kögel-Knabner sagt, nicht nur die Nutzung, auch das Klima bedrohe den Boden. "Wir müssen zukünftig aufpassen, weil die Temperaturen steigen. Das heißt, wir müssen aufpassen, unter den kommenden Klimabedingungen genügend organische Substanz zurück zu führen."

Ohne Anpassung an das Klima wird nichts mehr gehen

Schlimm ist wenn ausgelaugte und verfestige Boden auch noch erodieren. Sie können wesentlich weniger Wasser speichern, als beispielsweise ein Waldboden. Bei Hitze und Trockenheit werden sie weggeweht, bei starkem Regen weggeschwemmt.

Ingrid Kögel-Knabner macht sich aber auch über Waldböden Gedanken. Nach dem Kahlschlag durch den Borkenkäfer könnten auch da große Flächen weggeschwemmt werden. Im Wald ist klar, Mischkulturen müssen her. Aber das dauert noch ein paar Jahrzehnte. Auf dem Acker müsse es schneller gehen.

Böden bekommen mehr Aufmerksamkeit

Wenn wir nicht handeln, glaubt die Bodenexpertin: "dass die Systeme zusammen brechen werden. Wir sind im Klimawandel drin, wir müssen das landwirtschaftliche Systeme anpassen, ohne Anpassung wird gar nichts mehr gehen, irgendwann." Die nötige Aufmerksamkeit bekomme das Thema noch nicht, auch sich das gerade ändere. Immer mehr Landwirte würden sich für Nachhaltigkeit interessieren. Sie seien unter Druck und brauchen gesunde Böden.

Der Meinung ist auch David Russel: "Wir verstehen zunehmend, der Schutz des Bodenlebens ist nicht nur ein ethischer Wert, es ist auch ein funktioneller Wert und das Bodenleben zu schützen und zu fördern kommt uns billiger, als zu versuchen, das chemisch oder technisch zu lösen."

Weniger Versiegelung nötig

Denn das was Regenwurm und Co auf dem kleinen Stück Wiese treiben habe einen wirtschaftlichen Wert, der mit keiner Summe der Welt aufzuwägen sei. Der Acker braucht also mehr Unterstützung vom Landwirt. Auf der anderen Seite sollten aber auch Städte und Landschaftsplaner kritischer hinterfragen, an welchen Orten es tatsächlich notwendig ist, Straßen, Häuser oder Gewerbeanlagen auf fruchtbare Böden zu bauen.

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