Mehr Drosten und MaiLab? Warum Wissenschaft noch bessere Kommunikation braucht
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27. September 2020, 06:00 Uhr
Der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité wurde mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Eine große Anerkennung seiner Arbeit, aber auch ein Zeichen dafür, wie wichtig gute Wissenschaftskommunikation ist. Wie kann man sie verbessern?
Seitdem das Coronavirus in Deutschland angekommen ist, klärt Christian Drosten im Podcast darüber auf. Mittlerweile nicht mehr täglich, sondern einmal die Woche im Wechsel mit der Virologin Dr. Sandra Ciesek. Dafür gab's den Grimme Online Award, den Preis der Bundespressekonferenz und jetzt auch noch das Bundesverdienstkreuz. Auch die Kommunikationswissenschaftlerin Stefanie Molthagen-Schnöring findet: Drostens Podcast ist ein Parade-Beispiel für gelungene Wissenschaftskommunikation.
Weil er sich sehr stark darum bemüht hat, dieses Thema verständlich zu erklären und Hintergründe zu liefern. Und weil er genau das gemacht hat, was man als Wissenschaftler tun muss: nämlich auch zu sagen, wann man etwas noch nicht weiß oder wenn sich eine Sache weiterentwickelt hat und vielleicht Erkenntnisse überholt sind. Das tut Drosten immer und immer wieder.
Nicht jeder Wissenschaftler hat Zeit für Kommunikation
Doch nicht überall stoßen Drostens Aussagen auf Zustimmung. Er hat auch viel Kritik bis hin zu Morddrohungen aushalten müssen. Das könne man nicht jedem abverlangen, sagt Molthagen-Schnöring. Zumal nicht jeder Wissenschaftler die Zeit für so einen Podcast hat.
Ich frage mich das auch manchmal, ich meine der Tag von Herrn Drosten hat auch nur 24 Stunden. Und wenn der selber noch ernsthaft Wissenschaft betreibt, und zwischendurch hat er noch tausend Vorträge, Preisverleihungen und sonst was. Ja, wie soll das passieren? Aber es gibt eben solche Ausnahmegestalten, die das irgendwie hinkriegen. Man kann es nur nicht von jedem Forscher und jeder Forscherin erwarten.
Wissensschaftskommunikation, wie Christian Drosten sie betreibt, ist also ziemlich selten. Und das liegt nicht nur an der Zeit. Es fehlen auch die Anreize. In der Wissenschaft steht nun mal die Forschung an erster Stelle.
Ich muss viel veröffentlichen. Ich muss möglichst viele Artikel in tollen Journals veröffentlichen. Ob ich jetzt ein Interview im "Tagesspiegel" gebe oder in der "Zeit", das interessiert im System Wissenschaft niemanden.
Im Lebenslauf einer Wissenschaftlerin zählt man Ende eben nicht, wie viele Interviews sie gegeben hat, sondern wie viele Publikationen es von ihr gibt. "Was bringt mir das, wenn ich später eine Professur haben möchte, wenn ich jetzt eben Podcasts mache oder mich auf irgendwelche Talkshows setze", fragt Prof. Molthagen-Schnöring, "behindert das vielleicht meine wissenschaftliche Karriere?"
"MaiLab" als weiteres positives Beispiel
Und so lassen viele Wissenschaftler lieber die Finger davon. Aber zum Glück gibt es auch die, die es trotzdem machen und die ihre Sache auch gut machen. Drosten ist da nicht der einzige. Ein weiteres Beispiel ist Mai Thi Nguyen-Kim, Chemikerin und Wissenschaftskommunikatorin. Vielen bekannt durch ihren Youtube-Kanal "maiLab". In ihren Videos spricht sie nicht nur über das Coronavirus, sondern über alle möglichen Themen: von Yoga über Antidepressiva bis hin zu Homöopathie. Und dafür bekommt auch sie das Bundesverdienstkreuz verliehen. In der Begründung heißt es: Wissenschaft verständlich zu vermitteln, hat Mai Thi Nguyen-Kim zu ihrem Spezialgebiet gemacht.
Das ist sicherlich auch eine sehr große Herausforderung für Wissenschaftskommunikation, weil wir da häufig so einen Fachjargon verwenden.
Zu wenige Nachhilfe-Angebote für Wissenschaftler
Es ist aber auch nicht einfach, als Experte so zu sprechen, dass auch ein Laie es versteht. Manche brauchen da eben etwas Nachhilfe. Und solche Angebote gibt es bisher viel zu selten, findet Stefanie Molthagen-Schnöring. Auch ihre Hochschule steht da noch am Anfang.
Wir entwickeln gerade ein Fortbildungs-Programm für Wissenschaftskommunikation. Da gibt es verschiedene Module, angefangen von "Wie nutze ich Twitter als Wissenschaftler?" bis hin zu professionellen Medientrainings. Also: Wie gehe ich mit journalistischen Anfragen um? Wie führe ich ein Interview? Wie stehe ich vor der Kamera?
Molthagen-Schnöring wünscht sich ein Umdenken in Sachen Wissenschaftskommunikation: Mehr Anreize, mehr Angebote. Da sieht sie nicht nur die Universitäten und Forschungseinrichtungen in der Verantwortung.
Es gibt ja auch Wissenschaftssendungen, die dann aber um 23 Uhr laufen, obwohl viele Deutsche in Umfragen immer sagen, dass sie an Wissenschaft interessiert sind. Da haben die Fernseh- und Radiosender das Thema nicht immer so als allererstes auf der Agenda, sondern schieben das auch gern.
Corona hat Interesse an Wissenschaft verstärkt
Das Interesse an Wissenschaft ist da. Der Podcast von Christian Drosten war wochenlang auf Platz 1 der deutschen Podcast-Charts, "maiLab" hat mittlerweile über eine Millionen Abonnenten auf Youtube. Das liegt sicherlich auch an der Coronakrise.
Ein Thema, das so stark die Öffentlichkeit durchdrungen hat wie Corona und wo so sehr die Expertise von Wissenschaft gefragt ist, hatten wir noch nie. Und das ist positiv für die Wissenschaftskommunikation, weil dadurch die Wissenschaft viel mehr in die Öffentlichkeit gekommen ist.
Stefanie Molthagen-Schnöring hofft, dass das Interesse an Wissenschaft auch über die Coronakrise hinaus anhält.