Kaum Menschen auf der Via Laietana in Barcelona
Wann enden die Beschränkungen? Die WHO will mit neuen Studien helfen, diese Entscheidungen zu treffen. Bildrechte: imago images/ZUMA Wire

Covid-19 - internationale Studien WHO koordiniert weltweite Corona-Antikörpertests

06. April 2020, 16:00 Uhr

Hunderte Modelle, täglich neue Studien, Fallzahlen und Berechnungen. Und trotzdem gibt es jede Menge Ungewissheit bei Covid-19. Die WHO will jetzt mehr Klarheit und koordiniert deshalb weltweite Studien, um das wahre Ausmaß der Pandemie einzuschätzen und damit besser handlungsfähig zu sein. Zwei laufen auch in Deutschland.

Wie lange müssen die Corona-Maßnahmen dauern? Ohne klare Daten kann man darauf keine Antworten geben. Die bisherigen Fallzahlen jedoch sind nur ein vorläufiger Blick. Praktisch alle Forscher sind sich einig, dass sie nicht das ganze Ausmaß der Pandemie zeigen. Das will die Weltgesundheitsorganisation WHO jetzt ändern. Unter dem Namen Solidarity II koordiniert sie weltweit Studien, um das wahre Ausmaß von Coronavirus-Infektionen zu ermitteln.

Antikörper verraten jede Infektion

Über eine Million Infizierte gibt es nach aktuellen Zahlen (Stand 03.04.2020) weltweit. Aber bei vielen Menschen verläuft die Krankheit leicht, zum Teil sogar ohne Symptome. Deshalb muss ein anderer Ansatz her. Und das sind Antikörpertests. Sie sollen helfen, die wahre Ausbreitung des Virus besser zu erfassen. Sie können zeigen, wer infiziert war und wer nicht. Denn jeder Mensch, der das Virus Sars-CoV-2 hatte, bildet Antikörper, egal ob die Krankheit ausgebrochen ist oder nicht. Und genau diese Zahlen will die WHO jetzt erheben.

Dies sind Antworten, die wir brauchen, und wir brauchen die richtigen Antworten, um die Politik voranzutreiben

Michael Ryan, WHO-Exekutivdirektor für Gesundheitsnotfälle

Mehr als ein Dutzend Länder weltweit nehmen an diesem Programm teil. Um deren Daten aus den Antikörpertests vergleichbar zu machen, hat die WHO Standardprotokolle entwickelt. In Deutschland hat die Universität Bonn in dieser Woche eine Antikörperstudie an 1.000 Menschen in Heinsberg, dem Ort eines der größten Ausbrüche, gestartet. Das Team um Prof. Hendrick Streeck will damit herausfinden, "wie hoch die Dunkelziffer ist".

Wie viele Menschen waren infiziert, die gar nicht davon wussten?

Prof. Hendrick Streeck, Uni Bonn

Das Forscherteam um Prof. Streeck hat für die Untersuchungen nach eigenen Aussagen die Protokolle der WHO verwendet. Erste Ergebnisse könnten bereits nächste Woche bekannt gegeben werden.

Desinfektionsmittel steht auf einem Tisch in einer Arztpraxis
Seit dem 5. April 2020 sind die medizinischen Teams der Studie "Prospektive COVID-19 Kohorte München" in verschiedenen Münchner Stadtteilen unterwegs. Bildrechte: LMU Klinikum München/Tropeninstitut

Ab dem 5. April soll auch in München eine großangelegte Testreihe auf Antikörper beginnen. Virologen des Münchener Tropeninstitutes werden in Begleitung von Polizisten von Tür zu Tür gehen, berichtet der BR. Vier Wochen lang sollen Blutproben von ca. 4.500 Personen aus 3.000 zufällig ausgewählten Haushalten in München auf Antikörper gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet werden. Wo die Studienmitarbeiter als nächstes klingeln, entscheidet der Computer. Da sich das Virus in München anders als Heinsberg ausgebreitet hat - dort gab es beim Karneval ein zentrales Ereignis - hoffen die Forscher auf Ergebnisse, die bessere Hochrechnungen erlauben.

Schnell viele Daten sammeln

Auch in den USA soll in der kommenden Woche eine Antiköperstudie mit 5.000 Menschen in Kalifornien beginnen. Ziel ist es, so schnell wie möglich so viele Daten wie möglich über Antikörper zu sammeln, so die Epidemiologin Maria Van Kerkhove, die die WHO bei der Koordinierung der Covid-19-Bekämpfung unterstützt. 

Erst die Kenntnisse aller Fälle gibt Auskunft über die Verbreitung und die Tödlichkeit des Virus. Die Studien könnten dann auch klären, ob Kinder und Jugendliche wirklich seltener betroffen sind. Das ist sehr wichtig, um Aussagen treffen zu können, wie stark sich das Virus in Schulen ausbreitet.

WHO-Direktor Ryan setzt darauf, dass die Daten "politischen Entscheidungsträgern auch bei der Entscheidung helfen, wie lange Stillstände und Quarantänen dauern sollen".

gp

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