Wirtschaftsforscher Corona-Lockerungen: Ökonom warnt vor Jojo-Effekt

18. März 2021, 10:15 Uhr

Nach über zwei Monaten Lockdown atmen wir so langsam wieder auf: Frisöre dürfen wieder ihrer Arbeit nachgehen. Einige Läden können wieder öffnen. Das kommt doch dann auch sicherlich der Wirtschaft zu Gute. Nicht unbedingt. Sogar das Gegenteil könnte der Fall sein, fürchten einige deutsche Ökonomen. Sie haben sich zum Leibniz-Wirtschaftsgipfel versammelt, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu diskutieren.

Frau in einem Einzelhandelsgeschäft liest lächelnd Zeilen auf einer Karte. Vor ihr stehen mehrere weiße Papiertüten mit Inhalt. 3 min
Bildrechte: MDR/Katharina Pritzkow

Da würde man ja vermuten, dass die deutsche Wirtschaft aufatmet: Endlich Lockerungen! Dann kann es ja wieder richtig losgehen kann mit dem Wachstum. Allerdings ist die Reaktion von Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin eher verhalten – er fürchtet, dass die Lockerungen, die in der ersten März-Woche beschlossen wurden, für die Wirtschaft 2021 nicht unbedingt eine positive Wirkung haben.

Meine Befürchtung: Wenn eine frühzeitige Lockerung bedeutet, dass eine dritte Welle nicht gestoppt werden kann, dass es zu einem Jojo-Effekt kommt mit erneuten Restriktionen und Schließungen. Damit kann die Wirtschaft am allerwenigsten umgehen.

Marcel Fratzscher, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

Die Unsicherheit, die damit einhergeht, sagt Fratzscher, sei Gift für die Wirtschaft. Unternehmerinnen und Unternehmer wissen nicht: Wie geht es in nächster Zeit weiter? Welche Bestellungen, Investitionen kann ich tätigen? Kurzum: Planungssicherheit fehlt.

Wirtschaftliche Folgen der Corona-Wellen

Wie sich Schließungen und Restriktionen auswirken, wissen wir aus erster und zweiter Corona-Welle.

Clemens Fuest vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München sagt rückblickend, die wirtschaftliche Erholung war im Verlauf des Jahres 2020 überraschend stark. Durch die zweite Infektionswelle und die Lockdown-Maßnahmen sei sie aber ziemlich zum Stillstand gekommen.

Wir haben aber keinen wirtschaftlicher Absturz, wie wir ihn im letzten Frühjahr hatten. Das ist die positive Seite.

Clemens Fuest, Leibniz-Institut München

Aktuell sieht der Ökonom für dieses Jahresviertel ein Wachstum von etwa Null, also kein Wachstum.

Und die Wirtschaft in Zukunft?

Die Prognosen für die Zukunft sehen aber besser aus, zeigt eine Befragung des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Dessen Präsident Achim Wambach verweist auf regelmäßige Befragungen von Finanzmarkt-Experten.

Mann im Anzug spricht
Achim Wambach (2018) Bildrechte: imago/Mauersberger

Die sind sehr optimistisch. Die Februar-Umfrage ist nochmal hochgegangen. Ich glaube, das beschreibt ein bisschen die Situation: Die Lage ist schlecht, die Erwartung ist eigentlich recht gut.

Achim Wambach, Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

Die deutsche Wirtschaft könnte also wieder ganz gut da stehen. Aber auch solche Prognosen bewahrheiten sich nur unter bestimmten Bedingungen, mahnt Ökonom Marcel Fratzscher:

Selbst das zeigt, wie hoch die Unsicherheit ist bei den Prognosen, bei den Wirtschaftsvorhersagen. Und all das, was wir machen können, sind Szenarien, sind 'Wenn-Dann-Analysen'.

Marcel Fratzscher, Ökonom

Auch der Wirtschaft kommen die Lockerungen also nur zu Gute, wenn damit keine dritte Welle riskiert wird. Die würde dann einen Sektor wieder besonders treffen: Die Dienstleister, also Frisöre und Gastronomen zum Beispiel. Und da droht möglicherweise schon jetzt eine Insolvenzwelle.

Die Diskussion der Ökonomen können Sie hier komplettt anschauen.

(kd)

9 Kommentare

MDR-Team am 13.03.2021

Hallo DermbacherIn,
Sie haben recht, dass für die Gesundheit auch die Lebensqualität wichtig ist. Dass dies "weiterhin egal" wäre, ist aber nicht korrekt, da etwa bei den Lockdown-Maßnahmen auch immer mitdiskutiert wurde, inwiefern Öffnungen möglich sind - dies allerdings auf der Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen.
LG, das MDR-Wissen-Team

DermbacherIn am 13.03.2021

Der momentane Anstieg ist überraschend ungleich verteilt. In manchen Bundesländern sinken die Zahlen, noch, in Thüringen und Bayern steigen sie immens.
Das macht es leider schwer zu erkennen, wie viel davon kursiert und was möglicherweise von außen eingetragen wird.
Die Nähe zur tschechischen Grenze scheint ja durchaus eine Rolle zu spielen.
Zudem ist der Effekt der Freigabe von Selbsttests und der vermehrten Schnelltests noch nicht absehbar.
Überraschend allerdings, dass die Regionen mit besonders hohem Anteil der britischen Variante (Hannover, Flensburg usw.) nicht die Statistik anführen.
Die Entwicklung muss man im Auge behalten, Die Infektionsapokalypse ist es allerdings nicht.

DermbacherIn am 13.03.2021

Ich bin kein Gegner von Maßnahmen jedweder Art, welche zu einem guten Ergebnis führen.
Eines jedoch zeigt die Entwicklung in den letzten Monaten, wenn die Entscheidungsträger hier in Deutschland alles können, sinnvolle Maßnahmen ergreifen können sie nicht.
Der Verlauf der Todeszahlen zeigt das eindringlich.
Seit Oktober 2020) wurde das trotz Infektionssommerpause nachgeholt, was manche Länder aus Unwissenheit an Todeszahlen in der Anfangszeit der Pandemie zu beklagen hatten.
Man muss sich besser an Ländern orientieren, die erfolgreiche Strategien ohne Lockdown und mit ergebnisorientierten Maßnahmen fahren und die gibt es auch mit demokratischen Regierungen und nicht nur in autoritären Systemen.