Der Microlauncher Spectrum von Isar Aerospace bricht ins All auf. Eine künstlerische Darstellung.
Der Microlauncher Spectrum von Isar Aerospace bricht ins All auf. Eine künstlerische Darstellung. Bildrechte: Isar Aerospace

Raketen, Satelliten und Co. Deutschland fliegt privat ins All: Erste Raketenstarts noch in diesem Jahr

03. April 2023, 08:36 Uhr

Deutschlands Raumfahrt-Sektor wächst. Mittlerweile gibt es drei potenzielle Raketenbauer, die noch 2023 ihre Jungfernflüge absolvieren wollen. Einer von ihnen, Isar Aerospace, konnte sich nun weitere Gelder in einer neuen Investoren-Runde sichern. Doch auch der deutsche Satelliten-Markt boomt.

Was man in den Vereinigten Staaten kann, sollte für Deutschland kein Problem sein: Moderne Raketen bauen und in den Weltraum schicken. Genau das hat das private Raumfahrtunternehmen Isar Aerospace aus dem bayrischen Ottobrunn noch 2023 vor. In der zweiten Hälfte des Jahres soll seine Trägerrakete Spektrum in den Orbit aufbrechen. 

Jedoch unterscheidet sich Spektrum von einigen Raketen, deren Starts man bei Missionen zur Internationalen Raumstation ISS oder beim Transport von beispielsweise Weltraumteleskopen wie James Webb kennt. 

Bei der Spektrum-Rakete handelt es sich um einen Microlauncher, der kleinere Satelliten, meistens Cubesats von der Größe eines Schuhkartons, ins Weltall befördern soll. Entsprechend hat die zweistufige Rakete auch nur einen Durchmesser von zwei Meter. Ihre Höhe übertrifft mit 28 Metern die meisten Mehrfamilienhäuser im Land. Im Vergleich zu einer Falcon-9-Trägerrakete von SpaceX und ihren knapp 55 Metern ist sie jedoch um die Hälfte kleiner. 

Nun hat sich das deutsche Unternehmen zusätzliche 155 Millionen Euro an Kapital sichern können, wie es in einer Pressemitteilung vom 28. März 2023 heißt. Mittlerweile wurden mehr als 310 Millionen Euro in das New-Space-Startup investiert, damit ist es "das am stärksten kapitalisierte unabhängige New-Space-Unternehmen in Europa", heißt es in der Pressemitteilung.

Investition in die junge Raumfahrt

Zu den Investoren gehört wieder die Porsche SE, die bereits in der ersten Finanzierungsrunde dabei war. Auch Bayern Kapital, einer Tochtergesellschaft der LfA Förderbank Bayern, beteiligt sich nun an der Finanzierung von Isar Aerospace, sowie sechs weitere Unternehmen: Earlybird Venture Capital, HV Capital, Lakestar, Lombard Odier, UVC und Vsquared Ventures.  

Eine künstlerische Darstellung der Spectrum-Rakete von Isar Aerospace im Weltall. Sie entläd gerade ihre Fracht.
Eine künstlerische Darstellung der Spectrum-Rakete von Isar Aerospace im Weltall. Sie entlädt gerade ihre Fracht. Bildrechte: Isar Aerospace

"Das starke Interesse unserer internationalen Investoren unterstreicht ihr Vertrauen in unsere Vision und technologischen Fähigkeiten. Zugang zum Weltraum ist der Schlüssel zu Innovation, technologischer Entwicklung und Sicherheit", erklärt Daniel Metzler. Er ist Mitgründer und CEO von Isar Aerospace. Diese weitere Finanzierungsrunde sei für das Start-up ein wichtiger Meilenstein für seinen ersten Raketenstart. 

Doch wer mit Isar Aerospace seine Fracht ins Weltall transportieren will, muss warten. Nicht etwa, weil sich der Jungfernflug verzögern könnte. Sondern, weil die Flüge bereits für die nächsten Jahre ausgebucht sind, erklärt Monika Steger. Sie ist die Geschäftsführerin von Bayern Kapital. Die Venture-Capital-Gesellschaft gehört zu einer der ersten ihrer Art, die in den jungen Luft- und Raumfahrtsektor investiert. Neben Isar Aerospace fördert sie auch das Satelliten-Unternehmen OraraTech, dass sich auf die weltraumgestützte Früherkennung von Waldbränden spezialisiert hat. 

Raumfahrt Made in Germany

Bereits heute ist der Raumfahrtsektor sehr lukrativ und gewinnbringend. Zudem ist er relevant für die Forschung – auf der ISS werden neue Techniken für die Schifffahrt oder Grundlagenforschung für die zukünftige Behandlung von Krebserkrankungen getestet. Doch neben der Forschung können Erdbeobachtungssatelliten auch den Anstieg des Meeresspiegels verfolgen, den Zustand des Waldes überprüfen, oder Dürren vorhersagen und Pegelstände millimetergenau messen, um damit gegen mögliche Überschwemmungen gewappnet zu sein.

Pakistan war im Sommer überflutet. Die von Copernicus Sentinel-1 am 30. August aus dem Weltraum aufgenommenen Daten wurden verwendet, um das Ausmaß der Überschwemmungen zu kartieren. Die europäische Copernicus-Mission Sentinel-1 ist mit einem Radarinstrument ausgestattet, das durch Wolken und Regenschwaden hindurchsehen kann und sich daher für die Überwachung von Überschwemmungen besonders eignet. Der Indus ist über die Ufer getreten und hat einen langen, mehrere Kilometer breiten See gebildet. Die blauen bis schwarzen Farben zeigen, wo das Land damals überschwemmt war.
Pakistan war im Sommer überflutet. Die von Copernicus Sentinel-1 am 30. August 2022 aus dem Weltraum aufgenommenen Daten wurden verwendet, um das Ausmaß der Überschwemmungen zu kartieren.
Die europäische Copernicus-Mission Sentinel-1 ist mit einem Radarinstrument ausgestattet, das durch Wolken und Regenschwaden hindurchsehen kann und sich daher für die Überwachung von Überschwemmungen besonders eignet. Der Indus ist über die Ufer getreten und hat einen langen, mehrere Kilometer breiten See gebildet. Die blauen bis schwarzen Farben zeigen, wo das Land damals überschwemmt war.
Bildrechte: Copernicus Sentinel, ESA

Auch die Ursache des Fischsterbens an der Oder im Sommer 2022 wurde anhand von Satellitendaten erkannt. Mit den Daten des Startups Planet – das auch in Berlin einen seiner internationalen Sitze hat – konnte die Umweltkatastrophe auf ein früheres Ereignis in Polen zurückgeführt werden. Wenn Behörden Satellitendaten ausgiebiger nutzen würden, könnten solche Katastrophen in Zukunft vielleicht verhindert oder zumindest vermindert werden. 

In den letzten Jahren ist auch in Deutschland eine New-Space-Szene von jungen Raumfahrtunternehmen entstanden. Neben dem Raketenbauer Isar Aerospace gibt es noch HyImpulse aus Baden-Württemberg und die bayrische Rocket Factory Augsburg – auch diese beiden Startups wollen dieses Jahr ihren Jungfernflug absolvieren. Wer zuerst abheben wird, muss sich noch zeigen.

In Niedersachsen arbeitet zudem Gaia Aerospace an einem weiteren Konzept für Raketenstarts und die GOSA (German Offshore Space Alliance) als Plattformanbieter will mit einem Schiff auf die Nordsee fahren, um von dort aus die Microlauncher internationaler Raketenbauer zu starten. 

Zudem wächst der deutsche Satellitenmarkt. Es gibt Unternehmen wie ConstellR, die den Frischwasserverbrauch in der Landwirtschaft durch Satellitendaten optimieren können. Denn bisher werden 60 Prozent des Wassers in der Landwirtschaft einfach verschwendet. Mit tagesaktuellen Weltraumaufnahmen können Landwirte genau erkennen, welche Bereiche ihrer Felder noch trocken sind und welche Pflanzen vielleicht weniger Wasser benötigen.  

Dieses Bild zeigt eine Landkarte vom Weltraum aus aufgenommen. Der obere Bereich zeigt eine visuelle Hitzekarte (Heatmap Visual) mit blauen, roten, orangen und grünen Bereichen in Kachelform. Der untere Bereich zeigt wie die Landschaft für das menschliche Auge aussieht.
Dieses Bild zeigt eine Landkarte vom Weltraum aus aufgenommen. Der obere Bereich zeigt eine visuelle Hitzekarte (Heatmap Visual) mit blauen, roten, orangen und grünen Bereichen in Kachelform. Der untere Bereich zeigt wie die Landschaft für das menschliche Auge aussieht. Bildrechte: ConstellR, Frauenhofer EMI

Deutschland wird sich der Wichtigkeit der Raumfahrt bewusst

Die deutsche Industrie scheint damit die Wichtigkeit der Raumfahrt erkannt zu haben. Aber auch in der Politik öffnet man langsam die Augen für diesen wichtigen Markt. Deutschland übernimmt außerdem für die nächsten drei Jahre die politische Verantwortung in der Europäischen Union für die Ausrichtung der europäischen Raumfahrtbehörde Esa. Dafür hat Deutschland für die nächsten Jahre vier Milliarden Euro reserviert – der höchste je zur Verfügung gestellte Betrag einer Bundesregierung, erklärte Walther Pelzer (DLR-Vorstand für die Raumfahrt) auf der Jahrespressekonferenz des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR Anfang des Jahres. 

Ob Raketen, Startplätze, Satelliten oder die politische Vertretung aller EU-Mitgliedstaaten: Deutschland steigt immer weiter zu einer Weltraumnation auf. Kooperationen, in denen die Bundesrepublik und der europäische Kontinent ein sehr hohes Ansehen genießen, scheinen ein Schlüssel für Erfolge in der Raumfahrt zu sein. Nicht ohne Grund vertrauen die Amerikaner bei ihren Mondmissionen auf deutsche Technik, sei es bei der Navigation oder der Versorgung ihrer Raumschiffe.

Reinraum bei der Airbus-Tochter Jena-Optronik in Jena
Reinraum bei der Airbus-Tochter Jena-Optronik in Jena. Hier wird auch das Navigationssystem für den Mondflug der Artemis-Missionen hergestellt. Bildrechte: MDR/Marian Riedel

Made in Germany ist zumindest in der Raumfahrt ein Qualitätssiegel. Nun müssen die privaten deutschen Unternehmen diesem Siegel noch gerecht werden.