50 Jahre Mondlandung Wo bleibt der Aufbruch ins All?

21. Juli 2019, 05:00 Uhr

An diesem Wochenende feiert die Menschheit ein Jubiläum. Am 20. Juli jährte sich zum 50. Mal, dass der erste Erdling seinen Fuß auf den Mond setzte. Und das war bekanntlich – so Neil Armstrong damals – "ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit". Aber täuscht der Eindruck, oder hat sich die Raumfahrt seitdem nur mit weiteren kleinen Schritten fortbewegt?

Ein Astronaut vor einer Mondlandekapsel, links die Flagge der USA.
Astronaut Neil A. Armstrong, Apollo 11 Mission Commander und erster Mensch auf dem Mond - am Laderaum der Landefähre "Eagle". Bildrechte: NASA

Der Sprung zum Mars ist bislang genauso ausgeblieben wie der Aufbruch zu möglicherweise bewohnbaren Welten, die noch weiter entfernt liegen. Drehen wir uns im All im Kreis und kreisen nur um uns selbst, um die Erde? Blicken wir zurück und nach vorn.

Ein Mann am Rednerpult, hinter ihm zwei weitere Männer, die zuhören.
Bildrechte: NASA

Diese Nation sollte sich dazu verpflichten, das Ziel zu erreichen, noch vor dem Ende dieses Jahrzehnts einen Menschen auf dem Mond landen zu lassen und ihn sicher wieder zur Erde zurückzubringen.

John F. Kennedy, 35. US-Präsident

Mitten im Kalten Krieg. John F. Kennedy beauftragt die US-Raumfahrtbehörde NASA, einen Menschen zum Mond zu schicken, ihn zurückzuholen, und das Ganze, bevor die sechziger Jahre rum sind. Und natürlich – das läuft stillschweigend zwischen den Zeilen mit – bevor die Sowjets es schaffen. Bei Bill Clinton klang das Jahrzehnte später wesentlich versöhnlicher:

Dies ist ein vielversprechender Moment. Anstatt Waffen im Weltraum zu bauen, werden uns russische Wissenschaftler beim Bau der Internationalen Raumstation helfen.

Bill Clinton, 42. US-Präsident

Und so kam es. Der Kalte Krieg ging zu Ende, die bisherigen Erzfeinde kooperierten im Weltraum. "Ich bin ein überzeugter Kooperationsunterstützer", sagt Johann-Dietrich Wörner. "Ich glaube, dass Kooperationen aus mehreren Gründen das ideale Instrument für die Zukunft sind. Und wenn wir das dann auf globaler Ebene machen, dann wird es eben noch besser."

Ein Traum aus der Science-Fiction wurde Wirklichkeit

Wörner ist der Generalsekretär von Europas Weltraumagentur ESA. Denn auch die alte Welt hat vom Ende des Kalten Krieges und von der Zusammenarbeit neuer Partner im All profitiert. Europa wurde sogar Partner. Ein Traum wurde wahr, so ESA-Chef Wörner.

Ein Mann mit Brille, rotem Schlips und weißem Hemd.
Bildrechte: ESA–Philippe Sebirot

Die ISS hat ja einen alten Traum umgesetzt, nämlich den Traum von Orion Raumpatrouille, dem Film aus den 60er Jahren, in dem viele Nationen in einem Raumschiff durch das Weltall fliegen.

Johann-Dietrich Wörner, ESA-Generalsekretär

Und die ISS hat das erreicht, sagt Wörner, zumindest in begrenztem Umfang, "nämlich die Amerikaner, Europäer, Kanadier, Japaner und die Russen".

Zwei Männer Kopf an Kopf -  mit Fliegerkappen und Mikrofonen.
Das Sojus-Apollo-Programm 1975. Astronaut Donald K. Slayton und Kosmonaut Aleksey A. Leonov. Bildrechte: NASA

Doch leider hat sich seitdem gezeigt: Auch Kooperation im All schützt vor Krisen auf dem Boden nicht, so wie wir sie aktuell erleben. "Die Raumfahrt kann aber und sollte auch immer zeigen, dass sie auch in politischen Krisen eine Brücke zwischen den verschiedenen Bereichen darstellen kann. Das hat sie gezeigt im Kalten Krieg 1975, Sojus und Apollo, Rendezvous und Docking, und sie hat es bewiesen jetzt seit dem Jahr 2014, eben seit der Krimkrise und der Ukrainekrise, dass eben das Programm zur ISS weiter fortgeführt wurde", sagt Wörner

Raumfahrt - weil wir wissen wollen, was da draußen ist

Das wäre das eine Argument für die Weltraumfahrt: Sie schweißt die Menschheit zusammen. Doch für Wolfram Kollatschny vom Institut für Astrophysik der Universität Göttingen liegt der Sinn der Raumfahrt vielmehr im Grundsätzlichen.

Es fängt praktisch an mit der Frage, die ich mir mal als Kind gestellt hatte: Wenn man irgendwo immer weiter schaut in eine Richtung – wie weit kann man gehen oder wie weit kann man gucken?

Wolfram Kollatschny, Uni Göttingen

Und diese große Entfernung, so  Kollatschny, ist gleichzeitig, "dass wir in das Alter des Universums zurückschauen und möglichst nah an den Zeitpunkt heran kommen, wo dieses Universum entstanden ist".

Die große Frage: Sind wir allein im Universum?

Der Blick hinaus ins All ist immer auch ein Blick zurück in der Zeit. Wer wissen will, woher er kommt (und das will der Mensch), der muss zurück- und hinausschauen. Und das geht am besten mit Weltraumteleskopen. Wann war der Urknall? Was war der Urknall? Was war vor dem Urknall? Erkenntnisgewinn also, Wissen um des Wissens willen, auch das ist eine Motivation, das Universum zu erkunden.

Noch eine Frage, die die Menschheit umtreibt: Sind wir allein? Oder gibt es Gesellschaft, irgendwo dort draußen? Gibt es so etwas wie eine "zweite Erde"? Das fragt sich auch Heike Rauer, die Leiterin des Instituts für Planetenforschung am Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin.

Eine Frau mit Brille, hinter ihr eine Karte des Sonnensystems.
Bildrechte: WISTA-Managment GmbH

Das zeigt ein bisschen die Problematik dieser Meldungen. Man müsste sich erst einmal überlegen, was ist eigentlich eine zweite Erde? Ist es wirklich ein genauer Zwilling der Erde? Und dann kann ich Ihnen gleich die schlechte Nachricht sagen: Nein, die haben wir noch nicht entdeckt.

Heike Rauer, DLR

Noch nicht. Macht ja nichts. Kommt die "zweite Erde" nicht zu uns, fliegen wir halt zu ihr. Doch da gibt es ein Problem. Der Weltraum ist eben wirklich verdammt groß. "Und je weiter man nach draußen kommt, desto weiter und größer wird alles", sagt Harald Lesch.

Ich glaube, da müssen noch viele, viele Jahrzehnte vergehen, bis wir in der Lage sind, ein Raumschiff zu bauen, das uns zu einem anderen Himmelskörper bringt.

Harald Lesch, LMU München

Lohnt sich der Aufbruch ins All überhaupt?

Harald Lesch lehrt an der Ludwig-Maximilian-Universität München Astrophysik – und setzt sich dort auch mit der Frage auseinander, ob es überhaupt erstrebenswert ist, dass die Menschheit sich aufmacht zu einer "zweiten Erde".

Harald Lesch
Bildrechte: University of Munich

Ich weiß nicht, ob's erstrebenswert ist. Es ist aber die einzige Möglichkeit. Es gibt keine andere. Die einzige Möglichkeit für eine Spezies, sich im Weltraum auszubreiten, geht nur über Generationenraumschiffe.

Harald Lesch

Irgendwann wird es mit der Erde zu Ende gehen, durch eigenes Verschulden der Menschheit, durch einen Asteroideneinschlag oder spätestens dann, wenn die Sonne stirbt und die Erde mit sich ins Verderben reißt. Dann stünde es der Menschheit gut an, sich bis dahin zu einer Spezies entwickelt zu haben, die auf mehreren Planeten lebt, und die die Weltraumfahrt zu ihrem Vorteil genutzt hat. Die Erde ist die Heimat des Menschen, aber niemand wohnt ewig zuhause. 

Zwei Männer betrachten eine Apparatur hintter einer Luke. 5 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 21. Juli 2019 | 06:20 Uhr